„Keine Ängste schüren“: Klare Stellung gegen Zivilschutzübungen an Schulen

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ERFURT. „Nicht mit mir“, mit diesen Worten hat Thüringens Bildungsminister Helmut Holter (Linke) den Überlegungen der Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) eine Absage erteilt. Die Ministerin hatte Zivilschutzübungen an Schulen vorgeschlagen und erklärt, sie sehe Schulen in der Verantwortung, junge Menschen auf den Kriegsfall vorzubereiten.

Thüringens Bildungsminister Helmut Holter übt Kritik an den Vorschlägen der Bundesbildungsministerin. Foto: Jacob Schröter / Ministerium für Bildung, Jugend und Sport

Wie Holter erklärte, habe er in seiner Schulzeit selbst noch an Übungen zur Zivilverteidigung in der Schule teilnehmen müssen. „Wir haben das als absurd empfunden“, so der Linken-Politiker und ergänzte: „Aber die Gefahr, die damit verbunden ist, die geht einem im Kopf um.“ Er wolle auf keinen Fall, dass bei Kindern in Thüringen solche Ängste erzeugt würden. „Ich kann nur davor warnen und bin strikt dagegen, dass so etwas durchgeführt wird.“

Eine andere Sache sei es, über den Krieg zu sprechen – etwa über den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine. Diskussionen über das weltpolitische Geschehen seien wichtig, auch an den Schulen. Auch Jugendoffiziere der Bundeswehr könnten an Schulen auftreten, „möglichst zusammen mit Aktivistinnen und Aktivisten der Friedensbewegung“, sagte Holter. Damit nahm er Stellung zu der Aussage von Stark-Watzinger, Schulen müssten insgesamt ein „unverkrampftes Verhältnis zur Bundeswehr“ entwickeln.

Kritik: Keine Gespräche vorab

Der Thüringer CDU-Bildungspolitiker Christian Tischner sagte, statt Diskussionen „über Wehrübungen und kriegstaugliche Schüler ist eine sachliche, altersangemessene Aufklärung auf seriöser pädagogischer Grundlage gefragt“. Dazu gehöre auch, dass Rettungskräfte und Mitarbeiter der Bundeswehr an Schulen über ihren Beruf und ihre Aufgaben informierten. „Die Zeiten von Wehrkunde an Thüringer Schulen sind zum Glück vorbei. Wer wie Frau Stark-Watzinger solche Debatten lostritt, muss sich nicht wundern, wenn er bei Eltern Angst und Skepsis auslöst“, so Tischner.

Die innenpolitische Sprecherin der Thüringer Grünen-Fraktion Madeleine Henfling sagte, man begrüße die Idee, „das Wissen um Erste Hilfe oder Verhalten im Katastrophenfall Lerninhalt an Schulen sein soll“. Kritisch sehe man dagegen Forderungen, die Bundeswehr an Schulen stärker einzubinden – oft komme dann die zivile, friedenspolitische Position zu kurz.

Holter warf Stark-Watzinger vor, über ihren Vorstoß nicht in der Kultusministerpräsidentenkonferenz gesprochen zu haben. „Sie hat nicht einen Ton, nicht eine Silbe zu diesem Vorschlag gesagt. Ich hielte es für notwendig, es mit den Bildungsministerinnen und Bildungsministern der Länder zu besprechen.“

Zivilschutz im Kriegsfall – ein Unterrichtsthema? Stark-Watzinger stößt auf geteiltes Echo

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9 Kommentare
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JoS
1 Monat zuvor

„Wir haben das als absurd empfunden“, so der Linken-Politiker und ergänzte: „Aber die Gefahr, die damit verbunden ist, die geht einem im Kopf um.“

Irgendwie widersprüchlich. Entweder, man nimmt es als absurd wahr oder es macht einem Angst, aber beides zusammen kann irgendwie nicht ganz der Wahrheit entsprechen.

Mondmatt
1 Monat zuvor
Antwortet  JoS

Als absurd empfinde ich es, wenn ein Land Zivilschutzübungen abhalten möchte, das weder praktikable Konzepte für den Zivilschutz noch funktionierende Zivilschutzeinrichtungen besitzt.

Sebastian
1 Monat zuvor
Antwortet  JoS

Was er damit meinte ist, dass durch diese Übungen erst die Gefahr und Angst in die Köpfe kommt. Und das ist tatsächlich kontraproduktiv. Denn solche Übungen, je nach Intensität, implizieren doch, dass es in naher Zukunft als wahrscheinlich betrachtet wird, dass der Kriegsfall eintrete. Und das entspricht nun mal nicht den Tatsachen.
Insgesamt halte ich Teile der Diskussion für völlig überflüssig. Es wird vielfach über Dinge gesprochen, die schon im ganz normalen Unterricht behandelt werden. Themen wie Erste Hilfe (natürlich nicht ein spezieller Kurs dazu) oder auch Verhalten in Gefahrenfällen an den Schulen ist jedes Jahr in jeder Klasse Teil der Belehrungen zu Beginn der Halbjahre.
Kriege und Konflikte sind Bestandteil des Lehrplans. Ich sehe hier nicht großartig handlungsbedarf.

Rainer Zufall
1 Monat zuvor

Warum soll ich die Bundeswehr für Zivilschutz anfragen und nicht den Zivilschutz?
Wegen dem Krieg?
„Wie ist der Krieg in der Ukraine?“
„I dunno, die Bundeswehr ist nicht im Krieg.“
„Warum sind Sie dann bei uns in der Klasse?“
„…“

Sissy
1 Monat zuvor

Wer nicht in einer Lehrerbubble verkehrt, wird aus vielen beruflichen Branchen (wie Erwerbslosen) mitbekommen, dass Aufträge für Bund, Länder und Kommunen für das Militär boomen sowie Rekruitierungsversuche durch die Bundeswehr.
Dieser absurde Vorschlag der NRW-Bildungsministerin ist in so vielen Bereichen absolut verwerflich.
Die Bundeswehr möchte sicherlich NICHT von ihrer Arbeit berichten, sondern kann ganz klar als Rekrutierungsversuch verstanden werden. Egal ob Unternehmen oder Staat, ist Kaltaquise niemals objektiv. Ich habe selbst einen Feldwebel in der Familie und wie dieser von seinen ersten Auslandseinsätzen zurückkam, möchte man niemandem wünschen. In den USA ist es gängige Praxis desillusionierte Jugendlichen in einer immer kostspieligen Welt für das Militär zu gewinnen. Oft in Problembezirken.Nach der Pandemie fanden wir Kinder und Jugendliche vor, die vermehrt psychische Probleme aufweisen. Diese Heranwachsenden nun mit Katastrophenübungen zusätzlich zu belasten und noch mehr Angst zu schüren, empfinde ich als „Abwatschen“ von pädagogischem und psycholgischem Personal, dass seit jeher versucht diese Kinder wieder aufzufangen. Wir haben eine große Anzahl an SchülerInnen mit Fluchtgeschichte. Ein unfassbar toller Vorschlag, die Angst vor erneutem Krieg und ggf. Flucht in die Schulen zu tragen. Schwierig finde ich zusätzlich, dass ständig ein Feindbild geschaffen wird. Jede Propaganda lebt(e) von Feindbildern. Mir mangelt es bei diesem Vorschlag mal wieder an Objektivität, historischer Betrachtung und gesundem Menschenverstand.Man fragt sich ernsthaft, was die Schule noch alles leisten soll, neben dem Tagesgeschäft, Klima- und Umweltschutz, Gewaltprävention, Demokratieerziehung, Fluchttherapien, Suchtprävention, Übersetzer, Digitale Kompetenz,Jobcenter, Berufsberatung, Inklusionshelfer….Wer soll diese Übungen mit den SchülerInnen durchführen? Wird nun jeder pädagische Tag auf dem Paintballfeld stattfinden, um das Personal zu schulen?
Generell bin ich nicht gegen die Bundeswehr sowie ihrer Arbeit. Ich bin davon überzeugt (durch Wehrdienstleistende im Bekanntenkreis), dass sich der Wehrdienst auf bestimmte Personen, bezogen auf Charakterbildung, positiv auswirken kann.

Allerdings habe ich Angst, dass dieses Thema Lehrerkollegien spalten wird und offene Türen bei den konservativen LuL einrennen wird. A lá „Da lernt die faule und verkorkste Jugend mal ein bisschen mehr Disziplin und Respekt!“
Wenn man dies durch militärische Katastrophenübungen begrüßt, sollte man sich ernsthaft fragen, ob der berufliche Umgang mit Kindern der richtige ist.

Mika
1 Monat zuvor
Antwortet  Sissy

Bin in der Kommunalpolitik aktiv und kann Ihrer Behauptung „ dass Aufträge für Bund, Länder und Kommunen für das Militär boomen“ widersprechen: unsere Kommune und die benachbarten Kommunen haben keine derartigen Aufträge erteilt. „Rekrutierungsversuche durch die Bundeswehr“ oder „Kaltaquise“ sind hier ebenfalls nicht erfolgt. Angst vor Katastrophen lässt sich erfolgreich verringern, wenn man weiß, wie man sich in einer Katastrophe verhält. Schüler mit Fluchthintergrund sind da erheblich realistischer und resilienter, als Sie denken – gerade aufgrund ihrer Erfahrungen. „Feindbilder“ und „ Propaganda“ bringen SIE ins Spiel: wo haben Sie gelesen, dass Bund oder Länder planen, Feindbilder aufzubauen? Welche Propaganda meinen Sie? Wenn die Bundeswehr für Sie den Zweck der Charakterbildung hat: nun, dann googeln Sie doch einfach mal nach den Aufgaben von Bundeswehr, THW, Feuerwehr, DRK – alles Organisationen, die dem Zivilschutz dienen.Ich habe bei Stark-Watzinger nirgendwo gelesen, dass „militärische Katastrophenübungen“ in der Schule geplant sind: was genau soll das überhaupt sein?

Realist
1 Monat zuvor
Antwortet  Sissy

Die Ministerin hatte Zivilschutzübungen an Schulen vorgeschlagen und erklärt, sie sehe Schulen in der Verantwortung, junge Menschen auf den Kriegsfall vorzubereiten.“

Vorbereitung auf den Krieg, ich meine natürlich auf den Verteidigungsfall, hatter wir wirklich noch nicht als „Aufgabe von Schule“. Man lernt in diesem Job scheinbar nie aus…

Dil Uhlenspiegel
1 Monat zuvor

Vertretungsplan

Dienstag, 2. Stunde, 6e:
Simulation der Zombie-Apokalypse
Aufsicht Frau Werwolf (nicht füttern)

Lisa
1 Monat zuvor

„Die Ministerin hatte Zivilschutzübungen an Schulen vorgeschlagen und erklärt, sie sehe Schulen in der Verantwortung, junge Menschen auf den Kriegsfall vorzubereiten.“
Ich dachte, wir kennen keinen Kriegs – sondern nur den Verteidigungsfall.