Auf Schlingerkurs: Kultusminister bessert bei Budgets für Vertretungen hektisch nach

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DRESDEN. Erst harte Kürzungen, dann hektische Nachbesserungen: Sachsens Kultusminister Conrad Clemens (CDU) steht wegen seiner Bildungspolitik in der Kritik. Die GEW spricht von einer gefährlichen Abwärtsspirale – und Lehrkräfte sehen sich trotz einer Kurskorrektur bei der Finanzierung von Vertretungsstunden weiter unter massiven Belastungen.

In Schieflage: Sachsens Kultusminister Conrad Clemens (CDU). Foto: Frank Grätz | SMK

Leipzigs größtes Gymnasium, die Gerda-Taro-Schule, ist in den vergangenen Tagen zum Symbol für die Krise an Sachsens Schulen geworden. Eltern und Schülerschaft erhielten einen Brief der Schulleitung, in dem vor drastischen Einschnitten gewarnt wird. Schulleiterin Jessika Sommer fand dafür laut MDR deutliche Worte: „Es ist nicht nur so, dass der Unterricht ausfällt und das Abitur gefährdet ist, weil Wissenslücken entstehen würden. Sondern es sind auch die sozialen Kompetenzen, die dort verloren gehen, wenn die Schülerinnen und Schüler nicht mehr oder viel, viel weniger auf Wandertage gehen dürfen, keine Klassenfahrten mehr machen dürfen.“

Die Folgen der Sparmaßnahmen sind damit weitreichend. Es geht nicht allein um Unterrichtsausfall, sondern um den Verlust dessen, was Schule als sozialen Raum ausmacht. Auch die Eltern sind alarmiert. Vivien Hild, Elternratsvorsitzende an der Gerda-Taro-Schule, sagt: „Die Eltern sind empört und fassungslos. Die Wellen, die das schlägt, sind hoch. Und ich mache das jetzt seit sehr, sehr vielen Jahren an allen möglichen Einrichtungen – Kindergarten, Grundschule, bin auch seit vier Jahren hier Elternratsvorsitzende – und habe so eine massive Reaktion von Eltern tatsächlich noch nicht erlebt.“

„Wenn man schon zu wenige Lehrkräfte hat, dann muss wenigstens bei den Budgets ein ordentlicher Ansatz her“

Die Kürzungen beim Schulbudget sind kein isoliertes Problem in Leipzig. Landesweit melden sich Elternräte und Lehrerinnen und Lehrer zu Wort. Auch die Bildungsgewerkschaft GEW erhebt scharfe Vorwürfe. Burkhard Naumann, Landesvorsitzender, bringt es auf den Punkt: „Wenn man schon zu wenige Lehrkräfte hat, dann muss wenigstens bei den Budgets ein ordentlicher Ansatz her, um die Folgen des Lehrkräftemangels zu begrenzen. Zudem muss man auch über Entlastungen sprechen. Das heißt: Diese kurzfristigen Maßnahmen und diese Kürzungen, die jetzt vollzogen werden, das ist eine Abwärtsspirale. Und die muss schleunigst gestoppt werden. Das geht nur mit mehr Geld.“

Naumann sieht die Ursache für die Misere in der von der Landesregierung durchgesetzten Schuldenbremse: „Sachsen hat sich die Probleme mit der bundesweit härtesten Schuldenbremse selbst eingebrockt. Statt zu sparen, brauchen wir ein Bildungspaket mit zusätzlichen Mitteln.“

Kurskorrektur des Kultusministeriums: Mehr Geld für Vertretung und Mehrarbeit

Die Kritik ist in Dresden nicht ungehört verhallt. Kultusminister Conrad Clemens (CDU) kündigte an, dass die Schulen „doch mehr Geld“ bekommen sollen, um etwa den Vertretungsunterricht besser finanzieren zu können. Ministeriumssprecher Tilo Schumann erklärte dazu: „Wir sind jetzt gerade dran, eine Lösung zu finden und es ist nur noch eine Frage von Tagen, nicht von Wochen, dass wir dort auch nochmal zusätzliches Budget freigeben können.“

Besonders ein Punkt wurde dabei hervorgehoben: die sogenannten MAU-Stunden. Das Kürzel steht für „Mehrarbeitsunterricht“. Gemeint sind zusätzliche Stunden, die Lehrkräfte übernehmen, wenn Vertretungsunterricht anfällt. Diese Stunden müssen vergütet werden. Das Ministerium will die Mittel dafür „nahezu verdoppeln“. Clemens selbst sagte gegenüber der Freien Presse: „Wir haben in den Beratungen zum Schuljahresstart festgestellt, dass wir beim Mehrarbeitsunterricht, den sogenannten MAU-Stunden, noch einmal nachbessern müssen. Deswegen wird es ab dem 1. September einen deutlichen Zuschlag geben.“ Im Haushalt sind bisher 11,2 Millionen Euro vorgesehen – nun soll es deutlich mehr werden.

Die GEW reagierte erleichtert – und zugleich kritisch. Naumann sprach von einer „Kurskorrektur“: „Dieser Schritt war dringend notwendig. Bereits vor Schuljahresbeginn war absehbar gewesen, dass die Mittel nicht ausreichen.“ Zugleich bleibe die Gewerkschaft bei ihrer Forderung nach einem grundlegenden Kurswechsel: Es gehe nicht um kleine Nachbesserungen, sondern um ein verlässliches Fundament für die Schulen.

Streitpunkt Abordnungen: Lehrkräfte als „Spielfiguren“

Trotz des Nachgebens beim Geld bleibt eine zentrale Belastung bestehen: die Abordnungen. Gemeint ist die Praxis, Lehrkräfte von einer Schulart oder Schule an eine andere zu versetzen – oft kurzfristig und gegen den eigenen Willen. Vor allem Oberschulen im ländlichen Raum sollen so stabilisiert werden. Minister Clemens hatte bereits Anfang August angekündigt: „Es sind vor allem Abordnungen von Grundschulen und Gymnasien an Oberschulen nötig. Ein großer Dank gilt den Schulleitungen und Lehrkräften im Freistaat für ihre Bereitschaft, diesen Weg im Bemühen um gute Bildung für alle Schülerinnen und Schüler mitzugehen.“

Doch genau diese „Bereitschaft“ stößt vielerorts auf Widerstand. Lehrkräfte fühlen sich überfordert, Eltern fürchten um die Kontinuität an den Stammschulen. Der stellvertretende Landesvorsitzende des sächsischen Lehrerverbandes, René Michel, wurde deutlich: „Die Realität sieht anders aus. Die Lehrkräfte werden mit einer radikalen Abordnungsstrategie wie Spielfiguren hin- und hergeschoben.“

Auch die Opposition im Landtag zeigte sich skeptisch. Die Grünen-Abgeordnete Christin Melcher erklärte: „Neues Schuljahr, alte Probleme: Der Lehrkräftemangel bleibt nach wie vor ein Dauerbrenner an Sachsens Schulen. Die neue Abordnungsregelung ist kein langfristiges Rezept gegen Lehrkräftemangel und Unterrichtsausfall, sondern schafft neue Probleme an anderer Stelle.“

Die Linke sprach von „Veränderungen zulasten älterer Lehrkräfte“ und forderte eine neue Lernkultur, die die Lehrkräfte nicht krank mache. Die SPD verlangte „Augenmaß“: Abordnungen könnten allenfalls kurzfristig helfen, dauerhaft gelöst werde das Problem so nicht. News4teachers / mit Material der dpa

Im Teufelskreis: Warum Lehrkräfte an Brennpunktschulen besonders belastet sind

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4 Kommentare
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Dejott
1 Monat zuvor

Die Lehrerinnen und Lehrer in Sachsen sind es doch völlig leider, dem Kultus immer und immer wieder aus der Patsche zu helfen. Ein Gemeinsam hab es nie,auch wenn sich der Minister dafür bedankt. Fragt sich nur bei wem. Alles Maßnahmen würden doch ohne nennenswerte Beteiligung der Lehrkräfte Durchgebot. Selbstkritik sucht man beim Kultus bis heute vergebens. Der Minister selbst ist in den Kollegien in Rekordzeit völlig unten durch.

Lehrer_Sachsen
1 Monat zuvor

Ach was, die so hoch gepriesenen Maßnahmen unseres geschätzten Kultusminister funktionieren nicht? Gehen sogar nach hinten los, siehe MAU – Stunden? Es regt sich Widerstand und nicht nur ein leises Murren in den betroffenen Lehrerzimmern?
Geliefert wie bestellt.

Lothar Ungerer
1 Monat zuvor

Ministerformel: Fachliche Schwächen + fehlendes Verantwortungsbewusstsein + mangelnde Handlungsfähigkeit + Selbstgefälligkeit + Selbstdarstellung = machtversessene Inkompetenz

Kitaleitung.in.Sachsen
1 Monat zuvor

Wenn ich diesen Beitrag lese, kann ich nur noch traurig werden. Leider versteht man es in der Landes- und auch Bundestegierung nicht, dass unsere Kinder die Zukunft sind. Wir pädagogischen Fachkräfte können nun mal nicht nach einem arbeitsrechtsreichen Tag sagen: Toll, ich habe heute geschafft 100 Schrauben gefertigt oder 20 Akten bearbeiten können. Unsere Arbeit wird – ich spreche hier von der Kita – zumindest in 15 bis 20 Jahren Früchte tragen. Und dann wird man sich fragen: Was haben die denn damals im Kindergarten gemacht ?!?
Und auch die minimale Verbesserung beim Betreuungsschlüssel sehe ich nur als Augenwischerei an. Man hat nämlich an anderer Stelle (bei den Vorschulkindern) gestrichen, so dass diese “Erleichterung” bei uns und den Kindern gar nicht zur Wirkung kommt. Es wird von allen pädagogischen Fachkräften in sämtlichen Bereichen jedes Jahr mehr verlangt.Im Kindergarten kommen zur regulären Arbeitszeit noch Überstunden hinzu, weil man Kranken- Urlaubs- und Weiterbildungsstunden vertreten muss. Dann geht es weiter mit Team- und Dienstberatungen, die außerhalb der Öffnungszeiten stattfinden sollten. Nicht zu vergessen Elterngespräche, Elternabende, Familienfeste, Ausflüge, Weiterbildungen, Teilnahme an kommunalen Veranstaltungen wie Weihnachtsmärkte oder Stadtfeste. Und dann muss ja alles auch professional vorbereitet werden. Unsere Hauptaufgabe, glückliche und zufriedene Kinder zu erziehen, die auch noch gut auf die Schule vorbereitet werden, ist natürlich oberstes Gebot. Wir arbeiten am Limit und müssen uns nicht wundern, wenn es hohe Krankenausfälle gibt. Ich freue mich über jeden Mitarbeiter oder Mitarbeiterin, die ihre Augaben gewissenhaft ausführen. Aber wie lange werden sie alle noch dieses Höher, Weiter, Länger durchhalten!?! Auch wir pädagogischen Fachkräfte haben Grenzen, und keine Superkräfte.