Demokratie zum Anfassen: Wenn der Landtag zum außerschulischen Lernort wird…

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DÜSSELDORF. Politische Bildung erscheint oft abstrakt. Damit sie erlebbar wird, geben sich Landtage große Mühe bei der Programmgestaltung für junge Besucherinnen und Besucher sowie Lehrkräfte. Das Engagement findet Anklang.

Es muss nicht immer der Bundestag sein… Schüler am NRW-Landtag in Düsseldorf. Foto: Shutterstock

Wer Demokratie wirklich leben will, muss sie auch erfahren und verstehen, wie sie funktioniert. Ein Besuch im Landtag kann für Schüler ein wichtiger Schritt sein, um einen ersten Eindruck zu bekommen, wie Demokratie nicht nur theoretisch im Schulunterricht aussieht und politische Bildung interaktiv gestaltet werden kann.

Das Interesse an Landtagsbesuchen ist groß. Das gilt auch für den Landtag Nordrhein-Westfalen. Lehrkräfte, die ihre Klasse für einen Besuch dort anmelden möchten, müssen Geduld mitbringen: Aufgrund der hohen Anfrage benötigt ein Termin etwa ein halbes Jahr Vorlaufzeit. Besonders stark ist die Nachfrage in der Woche vor den Ferien, des Weiteren ist das Programm beschränkt auf Tage, an denen der Landtag keine regulären Plenarsitzungen abhält. Ungefähr 35.000 Schüler der Jahrgänge 4. bis 10. besuchen jährlich die Institution.

In Brandenburg ist ein Besuch schon mit Kita-Gruppen möglich. Trotzdem greifen hauptsächlich Gymnasien und Hochschulen auf das Programm zurück. „Gerade, weil die Thematik im Politikunterricht der 9.Klasse durchgenommen wird, ist ein Besuch des Landtags in der Stufe besonders beliebt“, weiß Stephan Malessa, Pressesprecher des Landtags Nordrhein-Westfalen.

Die Programme sind an die Altersstufen der Besucher angepasst. So werden Kinder der Klasse 4. von der Eule Helena durch ihren Ausflug in den Landtag NRW begleitet, während der Landtag Brandenburg Kinder schon ab 5 Jahren auf die aufregende Suche nach dem verlorenen goldenen Ei des Plüschadlers Anton schickt, auf der die Kinder erlebnisorientiert den Landtag kennenlernen und gleichzeitig etwas über Kinderrechte, Mitbestimmung und das Bundesland erfahren.

Zwar wecken Führungen durch die Parlamentsbauten ein erstes Interesse an der Arbeit der Abgeordneten, doch bilden verschiedene Planspiele, durch die Teilnehmenden die Abläufe im Parlament aus nächster Nähe kennenlernen das Highlight der Bildungsangebote. Im Mittelpunkt stehen ausgewählte Diskussionsthemen, anhand derer die Schülerinnen und Schüler in die Rollen von Abgeordneten schlüpfen und aus eigener Hand erleben, wie es funktioniert, wenn Gesetze beschlossen und politische Fragen diskutiert werden.

Während sich weiterführende Schulen in Nordrhein-Westfalen mit landespolitischen Themen, Partizipation und demokratischen Prozessen auseinandersetzen, beschäftigen sich Schülerinnen und Schüler in Brandenburg mit konkreten Fragestellungen wie dem Führerschein ab 16, der Einführung einer Wahlpflicht oder autofreien Innenstädten.

Im Plenarsaal dürfen junge Besucher selbst eine Rede halten und den Ort auf dieselbe Weise nutzen, wie er im politischen Alltag verwendet wird. Für viele ist dies der eindrucksvollste Teil des Besuchs. Der Landtag Brandenburg ergänzte sein Programm für Schülerinnen und Schüler zuletzt außerdem um ein neues Planspiel mit dem Namen „Schlagzeilen“: „Die Kinder und Jugendlichen schlüpfen dort in die Rolle von Journalistinnen und Journalisten und erleben eine authentische Pressekonferenz, die hier im Landtag auch wöchentlich stattfindet. Dort behandeln wir aktuelle Themen wie Erinnerungskultur oder KI, Schule und Bildung oder Demokratie“, erzählt Sarah Engelhardt, Referentin für Politische Bildung des Landtags Brandenburg. Abgerundet werden kann ein Besuch durch ein selbst-organisiertes Abgeordnetengespräch.

Alternativ gibt es vom Landtag NRW seit einigen Jahren die Möglichkeit, den Landtag mittels einer Wanderausstellung direkt an die Schulen zu bringen. Auch hier muss mit Vorlauf geplant werden: „Die Besuche an den Schulen sind mit einem höheren logistischen Aufwand verbunden. Unter anderem bringen wir ein Replikat unseres Rednerpults mit in das Schulgebäude, an dem sich die Schüler ausprobieren können“, sagt NRW-Landtagssprecher Malessa. Gerade bei Grundschulen sei diese Option beliebt, rund 30.000 Schüler erreicht die Arbeit des Landtags so.

Auch der brandenburgische Landtag entwickelt neue Formate, um politische Bildung flexibel an junge Menschen zu bringen. In dem Projekt „Der Landtag geht zur Schule“ machen sich Abgeordnete jeder Fraktion auf den Weg in die Schulen der verschiedenen Wahlkreise, um mit den Schülerinnen und Schülern gemeinsam über aktuelle Thematiken zu diskutieren.

„Wenn alle ungefähr auf dem gleichen Wissensstand sind, macht es allen Beteiligten umso mehr Spaß“

Um an Programmen der Institutionen teilzunehmen, ist Vorwissen durch eine Vorbereitung im Schulunterricht kein Muss, aber sehr willkommen. Das unterstreicht auch Ulrike Rüppel, Leiterin Politische Bildung und Besucherservice des Landtags Brandenburg: „Wir geben an, dass die Schulen keine direkte inhaltliche Vorbereitung für das Planspiel beispielsweise brauchen, aber natürlich ist es immer hilfreich, wenn Schülerinnen und Schüler im Vorfeld wissen, wie ein Gesetzgebungsprozess abläuft oder was der Unterschied ist zwischen einer Legislative und einer Exekutive ist. Wenn alle ungefähr auf dem gleichen Wissensstand sind, macht es allen Beteiligten umso mehr Spaß.“

Rüppel merkt an, dass den Schülerinnen und Schülern oft Grundlagen fehlen, zum Beispiel welche Zuständigkeiten EU, Bund und Land haben. Gleichzeitig betont sie, dass den Verantwortlichen der Programme bewusst ist, unter welchem zeitlichen Druck die Lehrkräfte in Deutschland stehen. Deshalb ist es ihnen ein besonderes Anliegen, den Schulen möglichst viel Unterstützung an die Hand zu geben. Dazu stellen sie eine Vielzahl onlinebasierter Unterrichtsmaterialien bereit. Diese können Lehrkräfte unkompliziert in ihren Unterricht integrieren, auch um den Besuch im Nachgang zu nutzen, um Eindrücke und angeschnittene Thematiken Teil des Unterrichts werden zu lassen.

Bei den Schülerinnen und Schülern stößt der Besuch auf gute Resonanz: Laut einer internen Umfrage falle das Feedback der Schüler zu dem Programm überwiegend positiv aus, so Malessa. Auch Engelhardt vom Landtag Brandenburg erklärt, dass die Rückmeldungen der Schülerinnen und Schüler sehr zustimmend ausfallen. News4teachers / Milla Priboschek

Hier geht es zu allen weiteren Beiträgen des Themenmonats “Klassenfahrten und außerschulische Lernorte”. 

Neues Redaktionskonzept bei News4teachers: Mehr Tiefe, mehr Praxisbezug – Themenmonate starten

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2 Kommentare
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Realist
1 Monat zuvor

Während Corona waren Besuche von Schülergruppen in Parlamenten unerwünscht. Da hat man die Lehrkräfte mit der “Infektionsquelle” Schüler alleine gelassen. Sollte man nicht vergessen.

Auch, dass zu dieser Zeit behauptet wurde, Luftfilter würden in Schulen nichts nützen, während Landtage, Unternehmen und sonstige Behörden den Markt leergekauft haben…

Rainer Zufall
1 Monat zuvor
Antwortet  Realist

Die Kinder wohnen ja auch noch bei den Eltern, welche diese Politiker*innen wählten, sich nicht impfen ließen und das Wohlbefinden Älterer über Schulöffnungen stellten.
Hätten Kinder in dieser Zeit Möbel verkauft oder Waffen gebaut, wären Schulen priorisiert worden.

Aber für die nächste Pandemie wissen wir ja jetzt offiziell, dass Schulen und Lehrkräfte nicht systemrelevant sind…