FRANKFURT AM MAIN. Immer mehr Kinder in Deutschland gelten als „sonderpädagogisch förderbedürftig“. Doch die Diagnoseverfahren, die darüber entscheiden, sind nach Einschätzung der Frankfurter Inklusionsforscherin Prof. Vera Moser hochproblematisch. Sie verursachten nicht nur Leid bei betroffenen Schülerinnen und Schülern, sondern zementierten auch ein überholtes System, das der Inklusion zuwiderlaufe. Ihre Kritik, prominent im Spiegel-Interview geäußert, lässt sich mit aktuellen Befunden untermauern.

Ein Blick auf die Zahlen zeigt, wie groß die Dynamik ist: 2024 wurde bei 7,5 Prozent aller Kinder in Deutschland ein sonderpädagogischer Förderbedarf festgestellt – das entspricht mehr als 600.000 Schülerinnen und Schülern. Im Jahr 2000 waren es nur 5,3 Prozent. Die größte Gruppe fällt in den Förderschwerpunkt „Lernen“, ein wachsender Anteil in die Kategorie „emotionale und soziale Entwicklung“. Für Moser ist das kein Zeichen gestiegener Sensibilität, sondern Symptom eines grundsätzlichen Problems.
„Die Verfahren sind sehr aufwendig und teuer“, sagt die Bildungsforscherin mit Blick auf die Feststellung des sonderpädagogischen Förderbedarfs. „Steht eine Diagnose fest, haben die betroffenen Kinder zwar Anspruch auf Förderung. Aber wie viel diese Förderung am Ende bringt, wird kaum überprüft – und es wird fast nie darüber gesprochen, wie viel Leid so eine Diagnose verursachen kann.“ Sie verweist auf biografische Berichte ehemaliger Förderschülerinnen und -schüler, die ihre Zeugnisse vernichtet hätten, „weil die Stigmatisierung so tief saß“.
Ein System, das Diagnosen produziert – und Kinder belastet
Wie Moser erklärt, beginnt der Weg zur Diagnose oft harmlos: Eine Lehrkraft meldet ein Kind, das in Deutsch oder Mathematik nicht vorankommt oder sich „auffällig“ verhält, an das Schulamt. Wenn Fördermaßnahmen nicht greifen, erstellt eine sonderpädagogische Lehrkraft ein Gutachten. „Die Sonderpädagogin führt Tests durch, beobachtet das Kind, spricht mit Eltern und Lehrkräften. Am Ende steht eine Diagnose zu einem spezifischen sonderpädagogischen Förderbedarf.“
Doch was als Hilfe gedacht ist, kann sich ins Gegenteil verkehren. „Oft kommt es zu einem dauerhaften Pull-out-Effekt.“ Kinder mit Förderstatus würden zunehmend aus dem Klassenverband herausgenommen, statt dass sich der Unterricht verändere. „Die Klassenlehrkraft fühlt sich irgendwann gar nicht mehr zuständig.“ In manchen Fällen würden Eltern sogar gebeten, ihr Kind zu Hause zu lassen, wenn Sonderpädagogen oder Schulbegleiter fehlten.
Die Folgen sind fatal: „Das Kind traut sich weniger zu, sein Selbstbewusstsein leidet, und es ist weniger in die Klassengemeinschaft integriert.“ Besonders problematisch sei die sogenannte „zieldifferente Unterrichtung“, bei der Kinder nach eigenen Lehrplänen lernen – mit der Konsequenz, dass sie keinen regulären Schulabschluss machen können. „Oft ist die Diagnose der erste Schritt Richtung Förderschule.“
NRW-Gutachten bestätigt Mosers Kritik
Ein im Mai 2024 veröffentlichtes Gutachten im Auftrag des nordrhein-westfälischen Schulministeriums belegt, wie berechtigt Mosers Einwände sind. Die Untersuchung, über die News4teachers berichtete, kommt zu einem alarmierenden Befund: Immer mehr Kinder bekämen das Etikett „sonderpädagogisch förderbedürftig“, obwohl sie es gar nicht seien. Laut dem NRW-Gutachten bestehe in vielen Schulen ein „Ressourcen-Etikettierungs-Dilemma“: Sonderpädagogische Förderung sei häufig an den formalen Nachweis eines Förderbedarfs gekoppelt. Lehrkräfte leiteten die Verfahren daher teils ein, „um sich von Verantwortung zu entlasten oder um (sonder-)pädagogische Ressourcen zu generieren“. Die Forschenden sprechen von einem „systemischen Problem“, das die Bildungsungleichheit verfestige.
Die Untersuchung stellte zudem fest, dass die Verfahren weder standardisiert noch valide seien. „Die Definitionen der einzelnen Förderschwerpunkte sind zu vage, zu wenig am aktuellen wissenschaftlichen Verständnis orientiert und lassen zu viel Interpretationsspielraum zu“, heißt es dort. Die Folge: Kinder erhielten Etiketten, die ihre Chancen minderten, statt sie zu verbessern. Der Verband Bildung und Erziehung (VBE) reagierte empört – Vorsitzende Anne Deimel sprach von einem „schulpolitischen Versagen ersten Ranges“ und forderte, die Inklusion endlich verbindlich umzusetzen.
„Das Konzept der Förderschule widerspricht der Uno-Behindertenrechtskonvention“
Vera Moser sieht die Probleme im größeren Zusammenhang: „Das Konzept der Förderschule widerspricht der Uno-Behindertenrechtskonvention.“ Deutschland habe sich 2009 verpflichtet, Inklusion im Bildungssystem umzusetzen, doch davon sei man weit entfernt. „In den meisten Bundesländern besuchen noch immer sehr viele Kinder Förderschulen. Drei Viertel von ihnen verlassen diese Schulen ohne Hauptschulabschluss. Damit haben sie kaum Chancen auf dem Arbeitsmarkt.“
Viele Eltern ließen sich von vermeintlichen Vorteilen wie kleineren Klassen oder einem „Schonraum“ überzeugen. Moser hält dagegen: „Viele Eltern wünschen sich eine inklusive Beschulung, sehen aber, dass viele Regelschulen dafür nicht gut aufgestellt sind.“ Weil Schulen sich auf den „Plan B“ Förderschule verlassen könnten, fehle der Druck, Unterricht tatsächlich inklusiv zu gestalten.
Tatsächlich scheint der Trend derzeit in die entgegengesetzte Richtung zu gehen. Allein in Nordrhein-Westfalen werden derzeit 30 neue Förderschulen geplant oder gebaut (News4tachers berichtete) – trotz einer deutlichen Rüge der Vereinten Nationen 2023. Auch in anderen Bundesländern entstehen neue Sonderschulen. Das Deutsche Institut für Menschenrechte bezeichnet diese Entwicklung als klaren Verstoß gegen die UN-Behindertenrechtskonvention. „Die Aufrechterhaltung von Sonderstrukturen lässt sich nicht mit dem Elternwahlrecht begründen. Sie zementiert die Segregation von Kindern mit Behinderungen“, so heißt es dort.
Das Inklusionsparadoxon: steigende Quoten, stagnierende Integration
Moser spricht in diesem Zusammenhang vom „Inklusionsparadoxon“: Einerseits steigen die Zahlen der Kinder mit Förderbedarf, andererseits bleibt die Zahl der Förderschüler nahezu konstant. „Die vermeintlichen Fortschritte haben viel damit zu tun, dass immer mehr Kinder ein sonderpädagogisches Etikett bekommen. Gleichzeitig gehen viele weiterhin auf Förderschulen.“ Der Anteil an Schülerinnen und Schülern mit Förderstatus, die tatsächlich inklusiv unterrichtet werden, wachse also nicht im gleichen Maße.
Ihre Erklärung ist eindeutig: „Der Fehler steckt im System. Jede Förderdiagnose trägt dazu bei, Förderschulen zu erhalten und Regelschulen zusätzliche personelle Ressourcen zu verschaffen.“ Viele Lehrkräfte hofften auf Entlastung – nachvollziehbar, aber folgenreich. Denn: „Die sonderpädagogische Diagnostik beruht auf einem mehr als hundert Jahre alten Konzept.“ Noch immer gehe es vor allem um individuelle Defizite, nicht um strukturelle Lernbedingungen.
Moser kritisiert, dass in vielen Gutachten das Problem in den Kindern selbst gesucht werde. „Oft steht gar nicht das Lernverhalten im Mittelpunkt, sondern die Persönlichkeit.“ Auffällig sei, dass sich der Anteil der Kinder mit Förderbedarf im Bereich „geistige Entwicklung“ alle zehn Jahre verdopple. „Von einigen Lehrkräften hört man inzwischen, dass sie bis zu zehn Prozent ihrer Schüler für autistisch halten.“
Soziale Herkunft als Risikofaktor – und eine politische Schieflage
Ein weiterer Punkt, den Moser hervorhebt, ist die soziale Selektivität der Diagnosen. „Seit mehr als hundert Jahren lässt sich zeigen, dass sonderpädagogischer Förderbedarf stark mit sozialer Herkunft zusammenhängt.“ Besonders betroffen seien Kinder aus armutsgefährdeten Familien, mit Migrationsgeschichte oder Jungen. Das stelle die Legitimität der Verfahren infrage.
Trotz zunehmender Sensibilisierung für das Thema Inklusion – etwa in der Lehrerausbildung – sieht Moser keinen echten Reformwillen. „In etlichen Bundesländern fehlt der politische Wille zur Umsetzung der Uno-Behindertenrechtskonvention.“ Lehrkräfte seien überfordert, Schulen schlecht ausgestattet, Reformen blieben Stückwerk. Die Folge: Deutschland bewege sich in Richtung einer Re-Traditionalisierung des Schulsystems – zurück zu separierenden Strukturen.
Dabei sei das Prinzip der Förderschulen historisch belastet. „Unser Förderschulsystem beruht im Kern auf einem Gesetz von 1938 – also aus der NS-Zeit.“ Erst 1994 hätten Eltern überhaupt die Möglichkeit erhalten, Kinder mit Förderbedarf in Regelschulen zu schicken. „Der Glaube, dass an inklusiven Schulen alle Kinder schlechter lernen, ist empirisch längst widerlegt – aber tief im System verankert.“
„Soziale Teilhabe ist ein Menschenrecht“
Für Moser ist klar, wohin die Entwicklung gehen müsste: „Jede Regelschule muss so aufgestellt sein, dass sie die unterschiedlichen Bedürfnisse der Kinder berücksichtigt.“ Das bedeute integrierte Förderung statt Etikettierung, Beobachtung von Lernfortschritten statt Klassifikation. „Solche Konzepte existieren längst, sie müssten nur umgesetzt werden.“
Politisch aber, sagt sie, sei Inklusion derzeit kaum mehrheitsfähig. Rechte und konservative Parteien setzten wieder stärker auf Förderschulen. „Die Strategie, gesellschaftliche Probleme vermeintlich durch Exklusion zu lösen, ist sehr alt.“ Doch daran will sie nicht resignieren: „Die Uno-Behindertenrechtskonvention hat deutlich gemacht, dass uneingeschränkte soziale Teilhabe keine großzügige Geste ist. Soziale Teilhabe ist ein Menschenrecht.“ News4teachers
Hier geht es zum vollständigen Interview im Spiegel.
Standardisierte Aufnahme-/ und Testverfahren wären sicher schon mal ein Anfang.
An anderer Stelle schrieb ich schon mal über die standardisierten Aufnahmewochen für die Hilfsschulen der DDR. Wenn man die überarbeiten und an die jetzige Zeit anpassen wollen würde …. müsste man das Rad nicht komplett neu erfinden. Für andere Fö-Bedarfe gab es mMn. ähnliche standadisierte Kriterien…
https://buffl.co/de/community/c/638b2cdc47cb28b0ee47e035
https://www.deutsche-digitale-bibliothek.de/item/23R6A2QZXJXXFNYZWBGEFMTQRKIDYOUX
Das Konzept der Förderschule widerspricht der Uno-Behindertenrechtskonvention.“ Den Beweis dazu im Text der Konvention zu finden versuche ich seit Jahren.
Artikel 24: “Die Vertragsstaaten anerkennen das Recht von Menschen mit Behinderungen auf Bildung. Um dieses Recht ohne Diskriminierung und auf der Grundlage der Chancengleichheit zu verwirklichen, gewährleisten die Vertragsstaaten ein integratives Bildungssystem auf allen Ebenen.” Quelle: https://www.institut-fuer-menschenrechte.de/menschenrechtsschutz/datenbanken/datenbank-fuer-menschenrechte-und-behinderung/detail/artikel-24-un-brk
Gerne auch mal die Vereinten Nationen selbst zu Rate ziehen – hier zum Beispiel: https://www.news4teachers.de/2023/09/mangelhafte-inklusion-die-vereinten-nationen-zeigen-sich-besorgt-ueber-die-verbreitung-von-sonderschulen-in-deutschland/
Herzliche Grüße
Die Redaktion
Beantwortet die von @OMG gestellte Frage aber nicht hinreichend.
Doch, tut es. Gerne auch noch Völkerrechtler befragen.
Wie hier: https://www.news4teachers.de/2017/09/hintergrund-inklusion-in-der-schule-was-die-un-behindertenrechtskonvention-wirklich-bedeutet-erklaert-von-einem-voelkerrechtler/
Oder hier: https://www.news4teachers.de/2023/08/staatenpruefung-zur-inklusion-deutschland-droht-blossstellung-vor-den-vereinten-nationen-weil-es-an-sonderschulen-festhaelt/
Es gibt übrigens auch keine Völkerrechtler, die das anders sehen.
Herzliche Grüße
Die Redaktion
Na da steht aber nicht von “unter einem Dach”. Organisatorisch gelingt das auch, wenn eine FöS ein Satellit einer Regelschule an einem anderen Standort ist.
Und das soll im Wortsinne “integrativ” sein? Ist es zweifellos nicht.
Herzliche Grüße
Die Redaktion
Organisatorisch integriert, reicht doch.
Sie finden a.a O. auch die Erläuterung, dass die UN-BRK nicht dem Konzept von Förderschulen widerspricht, s. https://www.news4teachers.de/2023/09/mangelhafte-inklusion-die-vereinten-nationen-zeigen-sich-besorgt-ueber-die-verbreitung-von-sonderschulen-in-deutschland/#comment-543781 (soeziell auch danals an Ihr Argument gerichtet).. Es ist nicht produktiv, diese Fehlannahme zu wiederholen.
Schon skurril: In einem Kommentar behaupten Sie, dass hier praktisch jeder für Inklusion sei, wenn die Bedingungen stimmen würden – um dann auf einen Kommentar von Ihnen selbst (Völkerrechtler sind Sie auch?) zu verweisen, warum Aussonderung der Inklusion angeblich nicht widerspricht.
Klar, so sieht begeisterte Zustimmung aus (Spaß).
Herzliche Grüße
Die Redaktion
Ich sehe da keinen Widerspruch!
Die derzeitigen Bedingungen der Inklusion sind grottenschlecht, warum also daran festhalten, wenn die Sonderschulen nicht der UN widersprechen? Es ist also nur ein Sparmodell der Politik.
Würde es wirklich um die betroffenen Menschen gehen, würde man ja die Bedingungen/Ressourcen für echte Inklusion schaffen. Das ist es, was Papo und andere (auch ich) immer wieder fordern: Schafft ausreichend gute Bedingungen, dann klappt es auch mit der Inklusion besser und dagegen hat kaum jemand etwas. Trotzdem bin ich persönlich der Meinung, dass es auch dann noch einige wenige Sonderschulen geben wird, geben muss, da Inklusion nicht für alle möglich ist, auch nicht unter den optimalsten Bedingungen (von denen wir uns eher entfernen, als annähern).
Sie sagen es
ES IST EIN sparmodell!
INKLUSION bedeutet also:
Förderschulen schließen und herunterfahren ( viel zu teuer )
Regelschulen stellen einfach ein paar Stühle dazu.
Die unterbezahlten Grundschullehrkräfte machen das mal so eben nebenbei.
Aber ja, auch wenn Sie ein Autoritätsargument (also ein Nichtargument) bemühen wollen: Völkerrecht war natürlich Teil meines Studiums – Sie erinnern sich, Politologie. Sie erinnern sich auch (es steht im verlinkten Kommentar), dass der Inhalt der UN-BRK keine Frage des Völkerrechts ist? Wäre eher eine Frage von Staats-/Verfassungsrecht (noch mehr mein Metier).
Haben Sie denn irgendwelche Belege, dass hier nicht praktisch jeder für Inklusion ist, wenn die Bedingungen stimmen würden?
Haben Sie auch argumentativ etwas meinen Ausführungen im verlinkten Kommentar zu erwidern? Mein Kommentar bietet Ihnen eine kursorische Rechtsexegese gem. derer üblchen Anforderungen, ein Problem ganzheitlich teleologisch, grammatisch, systematisch und historisch-genetisch zu betrachten. Das ist mehr, als Sie und die Ihrerseits referierten ‘Autoritäten’ bieten, die stellen lediglich Tatsachenbehauptungen ohne Elaboration auf (und dies – btw – auch nichtmal in Ihrem Sinne). Dem darf man ja inhaltlich widersprechen, das Diskursniveau ist damit aber gesetzt.
“… dass hier nicht praktisch jeder für Inklusion ist, wenn die Bedingungen stimmen würden?”
Genau so sehe ich das auch! Ich kann mich an keinen Kommentar erinnern (in den letzten 4-5 Jahren), der sich absolut gegen Inklusion ausgesprochen hat. Allen ging es um die besten Bedingungen für alle Schüler, ob mit oder ohne Fö-Bedarf!
„Weil Schulen sich auf den „Plan B“ Förderschule verlassen könnten, fehle der Druck, Unterricht tatsächlich inklusiv zu gestalten.“
Klar. Sind wieder die bösen Schulen, sprich die faulen Lehrer, die einfach ihren Unterricht nicht inklusive gestalten wollen.
Ganz ehrlich: mir reichts!
Das ist, wie wenn du dein Haus behindertengerecht umbauen sollst, die Treppe rausreißen musst für den Fahrstuhl, während du drin wohnst. Gefördert wird es mit einem Eimer Sand.
Danke! Sehr passendes Bild!
“Immer mehr Kinder bekämen das Etikett „sonderpädagogisch förderbedürftig“, obwohl sie es gar nicht seien.”
Ist politisch so gewollt und schon immer das Problem gewesen. Förderschwerpunkt Lernen ist halt alles unter dem Begriff “Kommt bei uns nicht mit” – zuletzt reichen da schon die “faulen” Eltern aus, um eine “Lernbehinderung” festzustellen. Aber das hatten wir ja zu Genüge -___-
“Moser spricht in diesem Zusammenhang vom „Inklusionsparadoxon“: Einerseits steigen die Zahlen der Kinder mit Förderbedarf, andererseits bleibt die Zahl der Förderschüler nahezu konstant.”
Die Mehrheit will keine Menschen mit Behinderung bei sich in der Klasse und will den eigenen Unterricht, geschweige die Schulhabe, auf Teilhabe, Inklusion und die aktuelle Lebenswelt ausrichten.
Wo soll da ein Paradoxon vorliegen, dass die sich mit allen Kräften gegen Inklusionsschüler*innen einsetzen?
Das stimmt nicht. Die Mehrheit der Lehrer ist laut Umfragen nicht gegen Inklusion. Viele wollen vermutlich deswegen keine inklusiven Schüler, weil sie mit allen auftretenden Schwierigkeiten alleine dastehen: Förderunterricht existiert nicht, kein Sonderschullehrer, kein Helfer, aber 28 Grundschüler, seitenlange Förderpläne, und Hilfeplangespräche, in denen mir lauter schlaue Leute sagen, wie ich das Kind nebenbei ganz toll fördern kann.
Ihre immer gleichen insinustiven Strohmänner auch zu diesem Thema, ad nauseam entgegen jeder Korrektur derselben hier seit Jahren wiederholt, sind enervierend. Niemand ist gg. Inklusion, die tatsàchlich Inklusion und entsprechend ‘aufgestellt’ ist. *gähn,
Wenn hier (nach 16 Jahren UN-Behindertenrechtskonvention) unwidersprochen von Lehrkräften und Schulleitungen immer wieder die Frage aufgeworfen wird, was denn bitteschön gegen Förderschulen/Sonderschulen spreche – dann klingt das wie vieles. Aber nicht wie ein Bekenntnis zur Inklusion.
Herzliche Grüße
Die Redaktion
Mag daran liegen, dass die UN-BRK dem Förderschulwesen nicht widerspricht, s. https://www.news4teachers.de/2023/09/mangelhafte-inklusion-die-vereinten-nationen-zeigen-sich-besorgt-ueber-die-verbreitung-von-sonderschulen-in-deutschland/#comment-543781. Sorry, aber m.E. schreiben Sie diesbzgl. aus Betoffenheit und erliegen einem Bias, statt sich unbefangen mit dem tatsächlichen Wortlaut der UN-BRK auseinanderzusetzen, da hilft auch kein Verweis auf Völkerrechtler ad verecundian (ist ja auch keine völkerrechtliche Frage).
Nennen Sie uns eine seriöse juristische Quelle (außer Sie selbst), die Ihre Behauptung stützen würde – es gibt sie nicht.
Gerne nochmal Artikel 24 der UN-Behindertenrechtskonvention im Wortlaut: “Die Vertragsstaaten anerkennen das Recht von Menschen mit Behinderungen auf Bildung. Um dieses Recht ohne Diskriminierung und auf der Grundlage der Chancengleichheit zu verwirklichen, gewährleisten die Vertragsstaaten ein integratives Bildungssystem auf allen Ebenen.” (Hervorhebung von uns zum leichteren Lesen)
Da steht eben nicht: “betreiben sie Sonderschulen, wenn sie Lust dazu haben”.
Herzliche Grüße
Die Redaktion
“integrativ” ist aber nicht gleichbedeutend mit “inklusiv”.
In dem UN-Artikel steht: “gewährleisten die Vertragsstaaten ein integratives Bildungssystem…”
Da steht nicht “inklusives” Bildungssystem.
Eine Sonderschule ist nicht integrativ – sonst wäre es ja keine Sonderschule. Herzliche Grüße Die Redaktion
Eine Förderschule ist sehr wohl integrativ. Sie integriert die Schüler mit Förderbedarf in das Schulsystem.
Nach der Logik ist auch Schloss Salem integrativ – Reiche integrieren sich gegenseitig.
Herzliche Grüße
Die Redaktion
Nee, die legen Wert darauf exklusiv zu sein.
Stichwort ‘unbestimmte Rechtsbegriffe’ (rechtswissenschaftl. Fachbegriff) – “integrati[v]” bedarf der teleologischen, grammatischen, systematischen und historisch-genetischen Rechtsexegese (wie im noch nicht freigeschalteten Kommentar meinerseits erläutert).
Diesbzgl. ist Art. 24 UN-BRK auch nicht isoliert rezepierbar, sondern ausschl. im Kontext auch der übrigen einschlägigen Normen der Konvention…
… und dort ergibt die ganzheitliche Betrachtung nicht, dass Förderschulen nicht mit der Konvention vereinbar wären (ausführlichere Erläuterungen a.a.O.).
Am Ende bleibt Ihre Interpretation und meine Erläuterung, was diese übersieht resp. meine Kritik, dass Sie Normtexten eine Eindeutigkeit in Ihrem Sinne zuschreiben, die sie objektiv nicht haben.
Treten Sie damit vor den Vereinten Nationen auf – wir berichten dann gerne darüber.
Herzliche Grüße
Die Redaktion
Also organisatorisch nicht räumlich integrieren.
Wären dann aber spezielle Förderklassen an Regelschulen okay? Gab/gibt es z. B. an Brandenburger GS.
Das hängt wohl von der Art und Weise ab. Dauerhaft separierte Förderklassen sicher nicht, zeitlich begrenzte Förderung außerhalb der Regelklassen womöglich schon. Herzliche Grüße Die Redaktion
Förderschule …
Abgesehen davon ist eine zieldifferente Beschulung innerhalb einer Klasse auch nicht wirklich integrativ, weil jegliche Zusammenarbeit entfällt. Das gilt umso mehr, je höher die Jahrgangsstufe ist.
Förderschule … ist ein Euphemismus für Sonderschule, was denn sonst? Jede andere Schule fördert doch auch, oder?
Herzliche Grüße
Die Redaktion
Vor 20-25 Jahren wurden die Sonderschulen in Förderschulen umbenannt.
Wurden die Sonderschulen damit für alle Schüler geöffnet?
Herzliche Grüße
Die Redaktion
Worin besteht denn der Wortsinn von ein “öffentliches Gebäude”.
Ich zitiere die Redaktion:
“Jede andere Schule fördert doch auch, oder?”
Also egal, ob Regel-, Sonder- oder Förderschule?
Dann ist das Problem doch gelöst, oder?
Langsam blicke ich bei diesen ganzen “Wortspielereien” nicht mehr durch. Ich hoffe, Sie haben noch den Überblick.
Förderschule für alle! Dann ist das Problem gelöst. Herzliche Grüße Die Redaktion
… oder in Förderzentrum.
Und aus Bruchbau wurde versatzloser Abbau. Ändert am Abbauverfahren nicht die Bohne.
Immer diese Wortklaubereien …
Sorry! 🙂
*insinuativen
Hmmm, also laut der Studie, die Sie mir letztens als neueste Entwicklung verkaufen wollten, werden folgende Lösungsansätze als am wahrscheinlichsten erachtet:
Ja was den nun? Haben Sie die eigenen Studien, die Sie empfehlen nicht im Kopf? Oder haben Sie gar keine Ahnung und verlinken Quellen, die Sie gar nicht gelesen haben?
Sie zitieren aus der Studie von R. Z.:
“die Diagnosekompetenzen von Lehrkräften haben sich verbessert– die Förderschulkräfte in den Schulen haben einen größeren Überblick”
Das erklärt doch aber dann folgendes aus dem Artikel oben:
dass “…immer mehr Kinder ein sonderpädagogisches Etikett bekommen.”
Also doch nichts mit der angeblichen “Etikettierungsschwemme”
Die Lehrer erkennen jetzt eben besser und genauer, wann ein Fö-Bedarf vorliegt.
Habe ich da einen Denk-/Verständnisfehler? 🙂
Was sagen Sie eigentlich, als studierter Sonderpädagoge der jüngeren Generation, zu den bei Ihnen, in Ihrem BL, angewandten Diagnoseverfahren? Wie stellen Sie sich persönlich eine objektive Feststellung des Fö- Bedarfes eines Schülers vor? Was würden Sie sich für die Zukunft wünschen?
Sie können sich dabei gern auf den/die Förderbedarfe, die Sie studiert haben beschränke und das, was Sie im Studium lernten mit Ihren jetzigen beruflichen Erfahrungen vergleichen.
Sorry, aber Frau Moser hat keine Ahnung, wie die Realität ist. Wie kann sie Bildungsforscherin sein?
Bei uns gibt es gar keine Förderschullehrkräfte. Höchstens ein paar Studenten mit TvH-Verträgen, welche den Regelschullehrer beraten wollen.
Diese Bildungsforscher, die immer hohe Perfomance und High Quality erwarten, haben nicht den Hauch einer Ahnung, wie Schulen runtergewirtschaftet wurden.
Vergessen wir mal die Förderschullehrkräfte… Es gibt kaum noch ausgebildete Regelschullehrkräfte. Wir stellen mittlerweile fast alles ein.
Apropos Menschenrecht: Wieso soll Inklusion in der Schule eigentlich im besonderen Maße gelebt werden.
Ich würde mir auch Fußballmannschaften mit Menschen wünschen, die nicht so gut kicken können.
Oder Universitäten, an denen man studieren kann, auch wenn man nicht unbedingt dazu befähigt ist.
Die Profs. dort schaffen das schon. Kann ja ab und zu mal jemand reinschauen und beraten. Vielleicht dann Beratung durch die eigenen Studenten in einer zusätzlichen Koordinationsstunde.
Bitte nicht falsch verstehen. Ich bin für die Inklusion, aber so wie sie hier gelebt wird, ist sie eine Katastrophe für alle Beteiligten. Damit meine ich nicht nur die inklusivbeschulten Kinder, sondern auch die Kinder ohne Förderbedarf, die auch ein Recht haben, ihren Abschluss zu erlangen ohne ständige Störung durch Kinder mit teils heftigen emotional-sozialen Förderbedarfen.
Genau das!
“Apropos Menschenrecht: Wieso soll Inklusion in der Schule eigentlich im besonderen Maße gelebt werden.”
Vielleicht, weil es hier um Kinder und Jugendliche geht. Aber verstehen Sie mich nicht falsch: Wie Inklusion in Deutschland aktuell betrieben wird, ist mehr als kritikwürdig. Das sehen wir von der sozialen Arbeit ganz genauso.
“Moser kritisiert … „Oft steht gar nicht das Lernverhalten im Mittelpunkt, sondern die Persönlichkeit.”
Wieder eine Aussage, die ich nicht verstehe. Müsste es nicht umgekehrt so heißen: “Oft steht gar nicht die Persönlichkeit im Mittelpunkt, sondern (nur) das Lernverhalten.” ?
Denn das Lernverhalten ist das, was Lehrer in der Schule am besten sehen und einschätzen können. Die Persönlichkeit des Schülers, seine Umwelt, seine sonstigen Stärken und Schwächen, die häuslichen/sozialen Bedingungen kann ein Lehrer (, der vielleicht nur wenige Stunden in der Klasse unterrichtet, vielleicht erst kurze Zeit in dieser Klasse ist und bei 25 und mehr Schülern) oft recht schwer beurteilen.
Sollte Frau Moser dies tatsächlich so gesagt haben, wüsste ich gern, welche Definitionen von Persönlichkeit und von Lern(verhalt)en sie im Sinn hat.
https://www.psychomeda.de/lexikon/persoenlichkeit.html
https://lexikon.stangl.eu/551/lernen
Nach meinem Verständnis ist das Lernverhalten in gewissem Sinne ein Teil der Persönlichkeit und wird durch diese Persönlichkeitsmerkmale, sowie andere Umstände beeinflusst. Für die Diagnostik von Fö-Bedarfen ist es mMn. unbedingt wichtig, nicht nur das Lenverhalten zu begutachten, sondern die gesamte Persönlichkeit des Kindes und seine Lebensumstände. Aber genau dafür fehlen Zeit, Personal iund andere ressourcen (standartisierte Diagnostikverfahren).
Ich bin auch nicht sicher, aber aus dem Kontext vermute ich, dass Frau Moser meint, ein Schüler, bei dem die Schule / der Lehrer ausreichend spezifisch das individuelle Lernverhalten unterstützt, hätte die Diagnose (das „Etikett“) sonderpädagogisch förderbedürftig“ (als Teil seiner „Persönlichkeit“) nicht nötig. Oder kurz: Ein Schüler, der ausreichend gefördert wird, hat keinen Förderbedarf …
Hmmm, was ist “Lernverhalten” nach Frau Moser? Gibt es also keine kognitiven o. a. Beeinträchtigungen? Lässt sich alles “wegfördern”, wenn Lehrer nur wollen? Also Abitur für alle?
Wenn Ärzte ihre Patienten richtig ausreichend, spezifisch und individuell therapieren würden, gäbe es keine Kranken mehr?
Wie gesagt, ich bin nicht sicher, vielleicht gibt der Spiegelartikel ja mehr Aufschluss.
Leider Bezahlschranke!
Als ehemaliger I-Helfer kann ich voll bestätigen, dass Kinder dadurch einen Stempel aufgedrückt bekommen, die können ein normales Sozialleben vergessen. Die ganze Zeit sitzt so ein Erwachsener neben dir und es ist, von den Fällen mit ganz offensichtlicher Behinderung mal abgesehen, so unnötig und nutzlos. Am Ende konnte ich den Kindern mit ihren sozial-emotionalen Problemen oder Lernschwierigkeiten nicht wirklich helfen, weil die Familien die Probleme in die Schule verlagern, statt sich in professionelle Therapie zu begeben. Denn bei genauerem Hinsehen wird klar das dort die Ursachen liegen. Wie gesagt, Kinder mit angeborenen körperlichen und geistigen Behinderungen etc. ausgenommen.
? Schulbegleitung und Förderstatus haben nicht zwingend etwas miteinander zu tun. In meiner Klasse hat das Kind mit Schulbegleitung keinen Förderstatus.
Und umgekehrt: keines unserer Förderkinder hat einen Schulbegleiter genehmigt bekommen.
Das grundsätzliche Problem ist die sogenannte Inklusion und wie sie durchgeboxt werden soll. Dafür werden dann solche Expertinnen bezahlt, … schreibt ein Vater eines (mehrfach) behinderten Sohnes, der beste Erfahrungen mit einer guten Förderschule gemacht hat.
In seiner Tendenz entspricht die Position Mosers der Ideologie der Teilhabe. Demnach kann kein Mensch so behindert sein, dass er nicht gefordert werden könne. Es gibt sie aber doch, die vollkommen hilflosen Menschen, die nie auf sich allein gestellt klarkommen. Diese Menschen brauchen keine Teilhabe, sondern Fürsorge. Und genau das fehlt heute!
jetzt brauchen wir nur noch einen guten Betrag, wie wir das “System” ändern
Ja, Teilhabe ist ein Menschenrecht. Aber genau so ist angstfreies Lernen ein Menschenrecht, ist Akzeptanz, Respekt und Selbstvertrauen ein “Menschenrecht”.
Lehrern zu unterstellen, sie würden Kinder ins Förderportal einstellen, um sich der Verantwortung zu entziehen, um irgendwelche Statistiken zu genügen ist schlicht eine Unverschämtheit! Man kann natürlich wie die sprichwörtlichen Affen duch die Welt laufen, sollte dann aber bitte auch ! Kinder, für die im Förderportal um Hilfe nachgesucht wird haben längst vorher schon realisiert, dass sie Probleme haben, nicht erst mit der Diagnose! Nur MIT Diagnose kann unterstützt werden! Mehr als ohne!
So viel Unwissen und so viele Allgemeinplätze und wieder einmal der Vorwurf, man würde Kindern den Förderbedarf zuschreiben, weil man Ressourcen haben wolle.
Ein Gutachten zu schreiben ist endlos viel zusätzliche Arbeit, der Landesrechnungshof NDS hat das vor Jahren kritisiert, zumal die meisten Gutachten zu e8ne Unterstützungsbedarfen, den nicht die Lehrkräfte, sondern das Amt festlegt. Die Lehrkräfte haben also schon vorab gut hingesehen.
Kein Wunder, denn man muss nachweisen, dass man das Kind umfangreich gefördert hat, über einen längeren Zeitraum, und dies keine/ zu geringe Erfolge erzielt hat.
In NDS sind die Hürden, ein Gutachten zu erstellen, extrem hoch und die Vorgaben werden von Jahr zu Jahr strenger, die Unterlagen immer umfangreicher.
Innerhalb der Schule sind die Möglichkeiten der Förderung begrenzt, eine Lehrkraft für die Klasse je Stunde … wenn überhaupt, denn der Lehrkräftemangel der letzen 15 Jahre wurde nicht erhoben und nicht ausgeglichen.
Die Arbeitszeit der Lehrkräfte wurde vor 10 Jahren in NDS erhoben, aber nicht ausgeglichen, wird bis heute nicht erfasst und EU-Recht nicht umgesetzt. Obwohl die Arbeitszeit der Lehrkräfte vor 10 Jahren schon zu hoch war, kamen weiter Anforderungen ohne Ausgleich hinzu, auch die Inklusion und die Beschulung sämtlicher Förder-Schwerpunkte (in NDS Unterstützungsbedarfe) in den Grundschulen. Ich habe inzwischen Kinder fast aller Bedarfe unterrichtet, zielgleich, zieldifferent, mit und ohne I-Hilfe, mit und ohne Therapie, mit und ohne Mithilfe durch die Eltern.
In NDS erhöhen sich die Ressourcen der Schule nicht, wenn das Kind einen Bedarf Lernen, ESE oder Sprache erhält. Es gibt (wenn überhaupt) eine Grundversorgung von 2 Stunden pro Woche pro Klasse für Förderung, Beratung, Gutachtenerstellung … und fällt die Lehrkraft aus oder können die Stunden nicht verfügt werden, weil keine da sind, muss die Grundschullehrkraft die Inklusion ohne weitere Hilfe umsetzen. Bestimmte Testungen und das Gutachten darf sie nicht/ nicht allein durchführen, alles andere ist ihre Aufgabe – alles! Ohne Ausgleich, egal wie viele Kinder mit besonderen Bedarfen oder Schwierigkeiten oder Schicksalen oder oder in der Klasse sind.
Es gibt da also gar kein Ressourcen-Dilemma, wohl aber eine mangelhafte Versorgung der Schulen überhaupt. Aber die Versorgung wird nicht erhoben, auch nicht bei den großen Leistungsstudien. Ob ein Kind 94 oder 108 h in der Stundentafel der GS hat, ist egal, das entscheiden die Bundesländer, ob ein Kind Vertretung bei Studierenden hat oder Betreuung (Aufbewahrung), also gar kein Unterricht stattgefunden hat … weiß niemand, weil es nie erhoben wird.
Kinder, die für grundlegende Kompetenzen sehr viel mehr Zeit benötigen, fördert man und überlegt, wie es gehen kann, das Kind ohne weitere Ressourcen dennoch gut mitarbeiten zu lassen und ggf. auch aufholen zu lassen. Man kann diese Kinder nicht einfach in die Ecke setzen und sich selbst überlassen. Man kann auch als Grundschullehrkraft nicht sagen „ich bin nicht zuständig“, denn man ist immer für alle zuständig. Steht morgen ein blindes Kind in der Klasse, ist man zuständig. Ist es übermorgen eines, das nicht hören kann, ist man zuständig. Ist es eines, das nur Chinesisch versteht, ist es ebenso … Für alles muss man sich überlegen, wie man das Kind zeitgleich mit allen anderen beschult und wie man Zeit und Aufmerksamkeit einteilt über „gute Aufgaben“, differenzierte Pläne, andere Materialien … und immer alles bereithalten, abstimmen, kommunizieren, dokumentieren.
Aber die Kraft der Lehrer:innen und ihre Zeit ist begrenzt und endlich.
Ab Klasse 3 gibt es Noten und ohne Feststellung des Förderbedarfes muss man das Kind zielgleich unterrichten und bewerten. Bis dahin gilt die Förderung als individuelles Lernen und Gutachten sieht das Land Niedersachsen als entbehrlich und gibt Regeln heraus, dass man erst ab Mitte Klasse 2 Gutachten erstellen darf – von Februar bis Mai. Dafür reichen die Ressourcen der FöS-Lehrkräfte nicht, wie sollen sie die vielen notwendigen Gutachten alle gleichzeitig in diesen 3 Monaten erstellen? Aber das scheint gewollt zu sein.
Möchte man, dass die Eltern außerschulische Therapien nutzen, benötigt man auch da Diagnosen und Therapeuten. Für beides gibt es lange Wartezeiten, im SPZ etwa 1 Jahr, bei Logopäden regional gerade 16 Monate für einen Nachmittagsplatz. So sind 2-3 Schuljahre vergangen, bis das Kind Therapie erhält, das Kind muss bis dahin weiterhin im Unterricht mithalten – mit oder ohne Nachteilsausgleich.
Es ist mal wieder ein Schlag ins Gesicht der Kinder, die jeden Tag recht selbstständig differenziert in der Inklusion mitarbeiten, obwohl man ihnen so viele bessere Möglichkeiten verwehrt, die jede Regelschule haben sollte.
Und es ist Eintritt ins Kreuz der Lehrkräfte, die sich krumm machen, um die Inklusion umzusetzen, jeden Tag, jede Stunde, vielfach differenziert, alles im Blick behalten, für alles Lösungen finden … um sich dann ausgedachte Dilemmata und Unwillen vorwerfen lassen zu müssen, von Leiten, die sich offensichtlich gar nicht mit der Realität befassen (wollen) und aus ihrem Büro heraus Forderungen aufstellen.
Meine Klassentür steht offen. Kommt doch mal vorbei, eine Woche … Danach können wir noch einmal darüber reden, wo Ressourcen verschwendet werden, weil die ungerechtfertigter Weise beantragt und zugeschrieben wären.
Ich würde mich schämen, so etwas pauschal über andere Berufe zu veröffentlichen.
Danke für diesen ausführlichen Kommentar.
Es ist ein Drama wie die Dame im Text so tut, als würden Lehrer/Schulen Kinder mit fehlendem Schulbegleiter zu Hause lassen, weil sie kein Interesse an diesen Kindern hätten oder weil der Unterricht nicht für dieses Kind passen würde.
Fakt ist: Wenn in seltenen Ausnahmen ein Kind zu Hause bleiben muss, weil der Schulbegleiter fehlt, dann liegt das daran, dass es schlicht und ergreifend nicht zumutbar für die Mitschüler ist und dass die Aufsichtspflicht bei diesem Kind einfach nicht gewährt werden kann, wenn es keine 1zu1 Betreuung hat. Das kann sich vermutlich niemand vorstellen, der solche Kinder noch nicht hatte, aber man muss auch klar sagen, die anderen Kinder haben ein Recht auf körperliche Unversehrtheit und das wiegt auch ganz klar höher als das Recht auf Inklusion. Es ist schlicht und ergreifend einfach nicht möglich, wenn ein Kind permanent wegläuft oder andere Kinder schlägt, bespuckt, angreift und am Lernen hindert. Man muss es klar formulieren, diese Kinder gibt es, und wären diese Kinder erwachsen und würden sich so benehmen, dann wären sie lange in einer JVA untergebracht.
Ich bin großer Befürworter der Inklusion, aber wer meine Kommentare kennt, weiß, nicht um jeden Preis und nicht zum Nulltarif.
Im Übrigen möchte ich auch noch klarstellen, dass es Kinder gibt, für die es keinen „richtigen“ und „angepassten“ Unterricht gibt, in dem sie lernen können, so lange 29 andere Kinder in einer Klasse sitzen. Der Unterrichtsinhalt ist vorgegeben und kann durch die Lehrer nicht beeinflusst werden, die Klassengröße auch nicht, es gibt Kinder, da gibt es mit diesen Rahmenbedingungen nicht den passenden Unterricht.
Es sind nicht nur die Kinder mit herausforderndem Verhalten, die einen Schulbegleiter haben. In meiner Klasse habe ich ein körperbehindertes Kind, das nicht alleine aufs Klo gehen kann und deshalb Windeln trägt, die regelmäßig gewechselt werden müssen. Das Kind braucht Unterstüzung beim Essen und Trinken, zudem dauern Frühstück und Mittagessen erheblich länger als bei den anderen Kindern, da das Kind nicht gut kauen und schlucken kann. Das Kind braucht auch Unterstüzung beim umziehen für die Pause. Um sich in der Schule zu bewegen, muss es den Aufzug nutzen, den darf es aber nur in Begleitung mit einem Erwachsenen benutzen. Dieses Kind wird lernzielgleich unterrichtet und hat kein auffälliges Verhalten. Trotzdem kann das Kind nicht in die Schule kommen, wenn die Schulbegleitung krank ist und es keine Vertretung gibt, was leider die Regel ist. Und das liegt anscheinend alleine an meinem fehlenden Willen zur Inklusion? Denn ich schaffe es nicht, eine Klasse mit 27 Kindern, die einen sehr unterschiedlichen Leistungsstand haben, zu unterrichten und dann noch ein Kind zu wickeln, zu füttern und for die Pausen anzuziehen und mit dem Aufzug hin und herzufahren. Habe eine Aufsichtspflicht, die ich nicht erfüllen kann, wenn ich Windeln Wechsel. Oder soll ich die Windel inklusiv in der Klasse wechseln? Wäre unschön for das behinderten Kind, aber wahrscheinlich inklusiver, als zu Hause bleiben zu müssen, wenn der schulbegleiter krank ist? Sorry, die ganze Experten sollen mal mit ihren klugen Sprüchen einfach mal einen Tag meinen Job machen, mal sehen, ob dann immer noch alles so einfach ist.
“Viele Eltern wünschen sich eine inklusive Beschulung, sehen aber, dass viele Regelschulen dafür nicht gut aufgestellt sind.“ Weil Schulen sich auf den „Plan B“ Förderschule verlassen könnten, fehle der Druck, Unterricht tatsächlich inklusiv zu gestalten.”
Die “Regelschulen” sind schon längst mit INKLUSION beschäftigt.
Die Klassen laufen voll. Die Lehrkräfte werden allein gelassen.
Der “Druck” ist da!
Versprochen war
das 2 Pädagoginnen Prinzip
Kleine Klassen
Professionelle Unterstützung durch Fachkräfte und Schulbegleitungen.
De Fakto aber:
27 Kinder 2. Klasse, 3zügige Grundschule, davon
4 Kinder mit Förderbedarf Lernen, 2 davon bereits diagnostiziert, aber kein Platz in der Förderschule! Keine zusätzliche Hilfe!
1 Kinder mit Förderbedarf Verhalten, kein Platz an der Förderschule, keine zusätzliche Hilfe!
12 Kinder,
die kein korrektes Deutsch sprechen können, deren Eltern noch weniger!
3 anaphabetische Eltern
1 Kind das gar nicht sprechen will
Der Klassenteiler von 28 kann während des Schuljahres nicht berücksichtigt werden. Es könnte also noch mehr Kinder dazu kommen.
Wie soll Ihrer Meinung nach so INKLUSION sinnvoll umgesetzt werden?
Wo sind die versprochenen Ressourcen?
Erstens möchte ich wissen, wie man sich als Wissenschaftlerin hinstellen kann und über Probleme in deutschen Schulen mit Daten alleine als NRW reden kann. Und zweitens wüsste ich gerne, wo die Diagnosen Ressourcen generieren. Das haben sie meiner Erfahrung nach weder getan, als ich Förderlehrkraft war, noch tun sie es jetzt, wo ich wieder Regellehrkraft bin.
Die Kinder bleiben dabei auf der Strecke
„Eine Lehrkraft meldet ein Kind, das in Deutsch oder Mathematik nicht vorankommt oder sich „auffällig“ verhält, an das Schulamt.“ Da hat jemand mal so keine Ahnung vom Verfahren. Das Kind muss in mehreren Fächern einen Rückstand von 2 Jahren haben, in NRW muss es auch noch 3 Jahre in 1/2 gewesen sein. Da reicht „nicht vorankommen“ nicht, und wenn ich jeden „melden“ würde, der sich auffällig verhält, hätte ich nichts anderes mehr zu tun. Ich stelle in meinem Umfeld eher fest, dass die Kollegen erst gar keinen Antrag stellen. Man hat jede Menge Arbeit damit, aber Hilfe für das Kind gibt es letztendlich nicht. Keine Förderstunden, keine SoPä, keinerlei Entlastung.
Ich denke, der überwiegende Teil der Lehrer*innen wäre froh, nicht für etliche Kinder, halb- oder vierteljährlich Förderberichte schreiben zu müssen, deren Umsetzung dann aus Zeit-, Raum und PERSONALMANGEL ohnehin fraglich ist.
Bisher sind wir aber verpflichtet, die Kinder auf Unterstützungsbedarf zu untersuchen und diesen ggf. zu dokumentieren- ob die Förderung, die man dem Kind zukommen lassen möchte aber umgesetzt werden kann, ist fraglich (und wohl auch nicht beabsichtigt, in unserem System muss es anscheinend unbedingt “Loser” geben, damit die anderen sich besser fühlen…)
Nur bei einigen Formen von anerkanntem Unterstüzungsbedarf (z.B ASS oder schweren Formen von ADHS) bekommt das Kind überhaupt personelle Unterstützung, die dann auch regelmäßig wieder in Frage gestellt wird. Und manchmal ist ohne diese nicht nur für das betroffene Kind, sondern auch in der gesamte Klasse Unterricht nicht möglich, schon gar nicht, wenn 27 andere Kinder darin sind, von denen mindestens 10 andere Schwierigkeiten haben, die vom System teilweise gar nicht erfasst werden.
Der festgestellte Unterstützungs-oder Förderbedarf ist bisher die EINZIGE Möglichkeit, überhaupt Hilfe für das Kind zu bekommen.
Es ist/ war auch sehr naiv anzunehmen dass das herrschende “Inklusions-Programm” im dem Entstehen echter Inklusion und dienen sollte.
NEIN, es war und ist nur ein mehr oder weniger gut getarntes Sparprogramm: Förderschulen abbauen, die wenigen verbliebenen Sonderschulpädagog*innenen zu Nomaden machen, die pro Klasse (in GS)
2-4 Stunden zur Verfügung haben (im Idealfall) und die zu beurteilenden und zu fördernden Kinder kaum kennenlernen können. Und natürlich Lehrkräfte und Kinder im eigenen Saft köcheln lassen. Wenns nicht klappt, sind natürlich die Lehrkräfte schuld.
Wenn es ernst gemeint wäre, müsste man:
-überschüssige Bürokratie abschaffen (faule oder ausgebrannte Lehrkräfte bringt man auch mit Förderplänen nicht zum besseren Arbeiten und die anderen tun ohnehin schon was sie können -oder mehr)
-niedrigere Klassengrößen-Obergrenzen festlegen (GS höchstens 16, Sek 1 bis 20)
-mehr und bessere (Gruppen-und Fach-)Räume einrichten
-mindestens eine/n fest an der Schlue angestellte Sonderpädagogen/in und oder
Sozialpadagogen/in pro Zug anstellen
– eine/n Pädagogischen Mitarbeiter* in pro Klasse zur Verfügung einstellen
-Die Unterrichtstundenzahl auch für Grundschul-Lehrkräfte auf 23 (oder 24) absenken, damit mehr Zeit für echte Differenzierung, Förderung und Unterrichtsvorbereitung bleibt
Dann-vielleicht- könnte es klappen mit echter Inklusion.
Aber das kostet Geld.
Und das sind uns unsere Kinder nicht wert, auch wenn sie künftig nicht nur (am besten alle Geschlechter) Wehrdienst leisten, eine hochqualifiziette Ausbildung (auf eigene bzw. Elternkosten) absolvieren, für Nachwuchs sorgen, in Vollzeit bis 70+ arbeiten, unsere Renten absichern und noch für die eigene Altersvorsorge sparen sollen.