KIEL. Es ist ein Urteil mit Signalwirkung für zehntausende Lehrkräfte, Richter, Staatsanwälte und Beamtinnen und Beamte in Schleswig-Holstein – und womöglich andernorts: Das Verwaltungsgericht Schleswig hat entschieden, dass die Besoldung im Jahr 2022 nicht amtsangemessen war. Damit bestätigte das Gericht die Kritik von Gewerkschaften und Verbänden, wonach die damalige Reform der Landesregierung die gesetzlich vorgeschriebenen Mindestabstände zur Grundsicherung unterschritten habe. Der Fall geht nun zur Entscheidung an das Bundesverfassungsgericht.

Mehr als 80.000 Landes- und Kommunalbeamte seien 2022 nicht „ihrem Amt entsprechend angemessen bezahlt worden“, so das Verwaltungsgericht Schleswig laut einem Bericht des NDR. Grundlage war eine Klage von rund 300 Beamtinnen und Beamten verschiedener Besoldungsgruppen (A6 bis A16 sowie R1 bis R5).
Das Gericht bemängelte, dass die niedrigsten Besoldungsstufen deutlich weniger als 15 Prozent über dem Grundsicherungsniveau lagen – ein klarer Verstoß gegen das sogenannte Abstandsgebot. Zudem seien die Unterschiede zwischen den Besoldungsgruppen zu gering, was das Leistungsprinzip verletze und das gesamte Besoldungsgefüge infrage stelle.
Die Richterinnen und Richter verwiesen die Sache an das Bundesverfassungsgericht, da nur dieses beschlossene Gesetze außer Kraft setzen kann. Erst das Karlsruher Urteil wird klären, ob eine verfassungswidrige Unteralimentation vorliegt – und ob den Betroffenen Nachzahlungen zustehen.
DGB: “Verletzung des Abstandsgebots” – Musterverfahren mit Signalwirkung
Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) begrüßte das Urteil ausdrücklich. Das Verwaltungsgericht habe die Verletzung des Abstandsgebots zur Grundsicherung wie auch zwischen den Besoldungsgruppen klar benannt. Insbesondere die 2022 eingeführten „Familienergänzungszuschläge“ für die Besoldungsgruppen A6 bis A9 hätten zu einer unzulässigen Nivellierung geführt, heißt es in der DGB-Stellungnahme vom 12. November 2025.
Kurzfristig habe das Urteil allerdings keine unmittelbaren finanziellen Folgen. Erst wenn das Bundesverfassungsgericht den Beschluss bestätigt, entstünde gesetzgeberischer Handlungsbedarf. Rückwirkende Zahlungen könnten dann nur die Klägerinnen und Kläger der 300 anhängigen Verfahren beanspruchen – eine Gleichbehandlung aller Beamtinnen und Beamten besteht nur bis 2021. Für die Jahre danach seien individuelle Anträge und Klagen erforderlich, betont der DGB.
Zugleich verweist die Gewerkschaft auf weitere, noch anhängige Musterverfahren zur Kürzung von Sonderzahlungen in den Jahren 2007/2008. Eine Entscheidung dazu steht bislang ebenso aus wie das erwartete Urteil zur Berliner A-Besoldung, das als richtungsweisend gilt.
Philologenverband: „Licht am Ende des Unterbesoldungs-Tunnels“
Besonders deutlich reagierte der Philologenverband Schleswig-Holstein. Die Vorsitzende Kirsten Schmöckel sprach von einem „Licht am Ende des Unterbesoldungs-Tunnels“ für Lehrkräfte und Beamte im Land. Die Entscheidung des Gerichts bestätige, dass der Gesetzgeber seine Fürsorgepflicht über Jahre hinweg missachtet habe. „Die Zeit des Wegduckens ist für den Gesetzgeber vorbei. Nachdem er jahre- und jahrzehntelang seine Fürsorgepflicht gegenüber seinen Beamten, Richtern und Staatsanwälten nicht anerkannt hat, darf es nun keine Ausreden mehr geben“, so Schmöckel.
Der Verband fordert die Landesregierung auf, nun im Dialog mit den Beschäftigtenvertretungen „unverzüglich eine amtsangemessene Besoldungsreform“ auf den Weg zu bringen – und zwar rückwirkend bis 2022. Eine „billige Minimallösung“ dürfe es nicht geben.
Kritik an Jamaika-Koalition – Finanzministerin hält Reform für rechtmäßig
Die Opposition im Kieler Landtag sieht sich bestätigt. Beate Raudies, Sprecherin der SPD-Fraktion für den öffentlichen Dienst, erklärte: „Bereits 2022, als das Gesetz noch unter der Jamaika-Koalition beschlossen wurde, haben wir auf erhebliche Mängel hingewiesen. Das Gericht hat unsere Befürchtungen bestätigt.“ Die damalige Regierung unter Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) habe es versäumt, das Land als Arbeitgeber attraktiver zu machen. „Unsere Landesbeschäftigten haben ein Recht auf zeitgemäße und anständige Arbeitsbedingungen.“
Schleswig-Holsteins Finanzministerin Silke Schneider (Grüne) hält dagegen: Es gebe unterschiedliche Auffassungen zu den Berechnungsgrundlagen, aber „gute Gründe“ für die damalige Reform. Diese wolle man nun auch vor dem Bundesverfassungsgericht vertreten.
Sollte das Bundesverfassungsgericht die Entscheidung aus Schleswig bestätigen, hätte das weitreichende Konsequenzen – nicht nur für Schleswig-Holstein, sondern auch für andere Bundesländer. Denn die Grundsätze der „amtsangemessenen Alimentation“ gelten bundesweit. Schon in der Vergangenheit hatte Karlsruhe mehrfach zu niedrige Beamtenbesoldungen beanstandet – zuletzt für Richter und Staatsanwälte in Berlin. News4teachers
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