DÜSSELDORF. Wie viel Veränderung ist im deutschen Schulsystem überhaupt möglich – und wo sollte man beginnen? Im zweiten Teil des News4teachers-Interviews spricht Bildungsforscher Kai Maaz vom DIPF | Leibniz-Institut für Bildungsforschung und Bildungsinformation über den Streit um Noten, Hausaufgaben und individuelle Lernzeiten – und erklärt, warum Reformen nur funktionieren, wenn Schulen, Politik und Wissenschaft gemeinsam handeln.
Hier geht es zu Teil 1 des Interviews.

News4teachers: Eine Empfehlung des Bürgerrats Bildung und Lernen lautet ja, Ziffernnoten erst ab Klasse 9 zu vergeben und davor auf individuelle Feedbackgespräche zu setzen. Viele Mitglieder haben dieser Idee zugestimmt. Halten Sie diesen Vorschlag für umsetzbar?
Maaz: Ich sehe das eher skeptisch, weil es dafür aktuell keinen gesellschaftlichen Konsens gibt. Man müsste sich zum Beispiel fragen: Wenn wir Noten erst ab Klasse 9 einführen – was ist dann mit denjenigen, die nach Klasse 9 mit dem ersten Schulabschluss abgehen? Für sie wäre das erste Mal, dass sie benotet werden, gleichzeitig das letzte Mal.
Deshalb spricht aus meiner Sicht nichts dagegen, schon früher Noten zu vergeben – solange die gesellschaftliche Notwendigkeit dafür gesehen wird. Wichtig ist nur, dass Noten immer flankiert werden durch andere Formen des Feedbacks: digitale, datengestützte oder persönliche Rückmeldungen. Daraus lernen Kinder in der Regel viel mehr als aus einer reinen Ziffernnote.
Darum glaube ich: Ein vollständiges Abschaffen von Noten ist genauso unrealistisch wie die Vorstellung, das Gymnasium abzuschaffen und eine Einheitsschule für alle einzuführen – auch wenn man es aus pädagogischer Perspektive für sinnvoll halten könnte.
Man muss außerdem ehrlich sagen: Wenn man Noten abschafft, braucht man sehr gute Konzepte, wie Leistungen und Entwicklungen dokumentiert werden können. Und das ist deutlich aufwendiger als eine Ziffernnote. Dann muss man Lernen und Prüfen konsequent zusammendenken: Welche Rahmenbedingungen brauchen Lehrkräfte? Welche Qualifizierungen sind notwendig?
Gerade in Grundschulen sieht man ja oft: Offiziell gibt es in Klasse 1 und 2 keine Noten, aber stattdessen Smileys – von „lacht“ bis „traurig“. Im Kern ist das auch nichts anderes als eine visuelle Ziffernnote. Deshalb muss man hier tiefer einsteigen.
Für Eltern ist die einfache Rückmeldung oft attraktiv: eine 1 ist sehr gut, eine 2 gut, eine 3 na ja. Ein sprachliches, individuelles Feedback ist viel differenzierter, erfordert aber auch die Fähigkeit, zwischen den Zeilen zu lesen. Und was ich auf keinen Fall sinnvoll fände, wäre, wenn solche Rückmeldungen irgendwann so verschlüsselt wären wie Arbeitszeugnisse, wo man Codes entschlüsseln muss, um die eigentliche Botschaft zu verstehen. Darauf sollten wir keine Energie verwenden.
„Hausaufgaben sind nicht immer zielführend.“
News4teachers: Eine weitere Forderung des Bürgerrats lautet, Hausaufgaben abzuschaffen und stattdessen Vertiefungsstunden in der Schule einzuführen – also Lernen vollständig in die Schule zu verlagern. Das Ziel dahinter: die Chancengerechtigkeit zu verbessern. Haben Sie über solche Ansätze in Ihrer Expert*innengruppen ebenfalls diskutiert, oder spielte das Thema keine Rolle?
Maaz: Wir haben das Thema Hausaufgaben zwar nicht explizit behandelt, aber es gibt natürlich eine breite Forschungslage dazu. Und die zeigt: Hausaufgaben sind nicht immer zielführend. Wenn man genau hinschaut, ist auch nicht immer eindeutig, wer sie tatsächlich erledigt hat – oft sind das eben nicht die Kinder selbst.
Ich würde unterscheiden: Lernen für die Schule in bestimmten Bereichen ist wichtig, das will niemand ausschalten. Aber dieses dröge Abarbeiten von einheitlichen Hausaufgaben für 25 Kinder, die sich über das gesamte Leistungsspektrum verteilen, ergibt wenig Sinn.
Wenn dagegen ein gutes Ganztagsangebot vorhanden ist, sind sogenannte Vertiefungsmomente viel zielführender. Dort kann das Kind an der Leistungsspitze gezielt weiterarbeiten, während andere, die noch Schwierigkeiten haben, an den Grundlagen üben. So bekommt jedes Kind die Förderung, die es braucht.
Das setzt allerdings voraus, dass sich auch der Unterricht verändert. Er kann sich dann nicht mehr am „Durchschnitt“ der Klasse orientieren, sondern muss bewusst auf Differenzierung im gesamten Leistungsspektrum ausgerichtet sein.
News4teachers: Aus meiner Sicht besteht die größte Gemeinsamkeit zwischen den Empfehlungen Ihrer Expert*innengruppe und denen des Bürgerrats Bildung und Lernen darin, den Bildungsprozess stärker zu individualisieren – weg vom Gleichschritt hin zu mehr Eigenverantwortung im Lernen. Haben Sie das auch so wahrgenommen? Wo sehen Sie die größten Überschneidungen?
Maaz: Ja, ich würde schon sagen, dass das ein Thema mit sehr großen Schnittmengen ist. Individualisierung heißt für mich dabei aber nicht, dass jedes Kind ausschließlich für sich allein arbeitet. Vielmehr braucht es eine Mischung: Phasen, in denen die Kinder individuell arbeiten, Phasen, in denen sie mit anderen zusammenarbeiten, und Phasen, in denen gemeinschaftlich und instruktiv gelernt wird. Die Balance zwischen diesen Elementen zu finden, ist entscheidend – und darin liegt eine große Chance.
Gleichzeitig gilt: Wer Freiheit über das eigene Lernen erhält, braucht auch bestimmte Voraussetzungen. Studien zeigen: Projektorientiertes oder fächerübergreifendes Lernen ist wunderbar – aber gerade leistungsschwächere Kinder oder Kinder aus benachteiligten Familien können dabei leichter zurückfallen. Deshalb müssen solche offenen Lernformate gut vorbereitet, eng begleitet und klar abgeschlossen werden.
Das zeigt sich auch beim Übergang von der Grundschule auf weiterführende Schulen. Kinder, die schon in den ersten vier bis sechs Jahren Erfahrungen mit selbstgesteuertem Lernen gemacht haben, kommen in offenen Selbstlernphasen sehr gut zurecht – egal, ob am Gymnasium oder an einer Gesamtschule. Kinder hingegen, die diese Erfahrung nicht gemacht haben, sind schnell überfordert.
Wenn wir also mehr Freiheit und Eigenverantwortung im Lernen ermöglichen wollen, müssen wir die hohen Anforderungen, die damit verbunden sind, immer mitdenken. Sonst riskieren wir, dass viele Kinder scheitern.
„So merken Schulen und Lehrkräfte auch: Wir sind nicht allein, sondern Teil eines größeren Prozesses.“
News4teachers: Eine dazu passende Forderung findet sich auch wieder in den Empfehlungen des Bürgerrats mit dem Titel „Freiheit erlernen – Schritt für Schritt“. Woran liegt es, dass, wenn Bürger*innen und Expert*innen unabhängig voneinander nach Möglichkeiten suchen, das Bildungssystem zu verbessern, sie zu ähnlichen Ergebnissen kommen?
Maaz: Weil die unterschiedlichen Gruppen letztlich das gleiche Ziel verfolgen. Insofern finde ich es sehr positiv, dass wir große Schnittmengen haben. Wichtig wäre nun, diese einzelnen Punkte noch stärker in den gegenseitigen Austausch zu bringen.
News4teachers: Wie müsste es jetzt also weitergehen, damit sich tatsächlich etwas verändert?
Maaz: Mit dem kleinen Video, das ich am Anfang erwähnt hatte, haben wir in dieser Richtung aus meiner Sicht schon einiges erreicht: Die Schule, in der wir den kleinen Film gedreht und deren neue Lern- und Prüfungskonzepte wir vorgestellt haben, wurde regelrecht mit Hospitationsanfragen überhäuft. Das zeigt, dass wahrgenommen wird, wie man auch unter den gegebenen Bedingungen Dinge anders machen kann.
Wir hatten zudem einen Fachtag mit guter Beteiligung – auch von bildungspolitischer Seite. Ich glaube, es geht jetzt weniger darum, ständig neue Empfehlungen zu formulieren, sondern vielmehr darum, an den Umsetzungsstrategien zu arbeiten. Wichtig ist dabei auch, diese Strategien transparent zu machen: Was funktioniert an einem Standort? Was funktioniert an einem anderen nicht? So müssen wir – ähnlich wie im föderalen System – nicht jeden Fehler immer wieder neu machen. Oft sind die Herausforderungen in verschiedenen Bildungsregionen ähnlich, egal ob im Norden, Süden, Osten oder Westen. Dieses Wissen verfügbar und vergleichbar zu machen, halte ich für entscheidend.
So merken Schulen und Lehrkräfte auch: Wir sind nicht allein, sondern Teil eines größeren Prozesses, in dem viele gemeinsam versuchen, das System von innen heraus zu verändern und zu verbessern. Gleichzeitig braucht es aber auch von Seiten der Bildungspolitik und -administration eine klare Idee: Wo soll das System in den nächsten zehn bis fünfzehn Jahren eigentlich hin? Dafür müssen Weichen gestellt werden – weg vom reaktiven Handeln, hin zum proaktiven Gestalten.
Das gelingt nur, wenn man sich zusammensetzt und die unterschiedlichen Akteursgruppen einbindet. Es reicht nicht, wenn allein die Wissenschaft die Politik berät – so wichtig dieser Input ist. Wir brauchen eine breite Basis der Verständigung über die nächsten Schritte. News4teachers / Laura Millmann, Agentur für Bildungsjournalismus, führte das Interview.
Hier geht es zurück zu Teil eins des Interviews.
Bürgerrat-Talk über Schulnoten: Gerechter bewerten – oder bewährtes System behalten?









“Ich glaube, es geht jetzt weniger darum, ständig neue Empfehlungen zu formulieren, sondern vielmehr darum, an den Umsetzungsstrategien zu arbeiten.”
Und was hören wir ständig von allen möglichen Parteien, Verbänden, Gewerkschaften und Interessengruppen? Neue Empfehlungen für Schulreformen, mit denen dann alles gut werden soll. Dazu passt der letzte IQB-Bildungstrend wie die Faust aufs Auge. 🙂
Welche “Umsetzungsstrategie” gibt es denn, die Zahl der “Risikoschüler” zu verringern? Ich lese nur, dass Geld bewilligt wird, aber wie genau soll dieses Geld wirken?
Es wäre vielleicht eine Hilfe, wenn Parteien sich deutlicher für eine wissenschaftliche Basis ihrer Entscheidungen aussprechen würden, anstatt sich durch diese “profilieren” zu glauben.
Allerdings hängt sich dies ja bereits beim Lehrkräftemangel auf, der ja allmählich von der Aufgabenliste zu verschwinden droht 🙁
Wir brauchen dringend Reformen und müssen die Digitalisierung ernst nehmen.
4 Tage Woche und der Ausbau von online Unterricht sind hilfreich!
Könnten Sie das differenziert begründen? Inwiefern nehmen wir die Digitalisierung nicht ernst? Inwiefern hilft bei unseren Bildungsproblemen eine 4-Tage-Woche? Warum ist Online Unterricht hilfreich – für wen? Die Erfahrungen aus der Coronazeit zeigen doch das genaue Gegenteil.
Mit online Unterricht lässt sich viel Geld sparen. Wir haben dadurch ca. 50 Prozent unserer Belegschaft nach Indien ausgelagert. Wenn einmal diese Tür offen ist, gibt es kein Zurück.
Meine Schüler brauchen vor allem meine Zuwendung. In den Klassen 8 bis 10 kannst du die Kinder suchen, die psychisch gesund sind. Die sollnoch Zuhause lassen, damit sie sich dort dann fröhlich in Social Media gegenseitig in den Suizid treiben können?
Wieso 4-Tage-Woche? Dann hätte ich 6-8h Unterricht pro Tag. Das ist Wahnsinn. Der freie Tag reicht dann kaum zum Vorbereiten, und vermutlich liegen dann da noch Konfis drauf.
Besser: Arbeitsplatz und Büro in der Schule, Stechuhr, Ganztag
Nein, Petra will ja eben nur 4 Tage in der Woche arbeiten.
Also kämen an den 4 Tagen zusätzlich zu den Unterrichtsstunden noch hinzu:
Aufsichten, Vorbereitung von Unterricht inklusive Experimenten, Erstellen von Klausuren und deren Korrektur, Gespräche mit Schülern und Eltern, Absprachen mit Kollegen, Schulentwicklung, Fach- und Jahrgangsdienstbesprechungen, Lehrkräftekonferenzen, pädagogische und Ordnungsmaßnahmen-Konferenzen, Fortbildungen usw.
Ich hatte mal einen sehr verdichteten Stundenplan mit sehr viel Oberstufenunterricht und 8 Stunden montags und 6 Stunden dienstags. In den Pausen bin ich nur am Rotieren gewesen, Experimente abbauen, neue Materialien rausstellen, dazu lagen fast jeden Dienstag irgendwelche LKKs, DBs usw. Mittwochs war ich am Nachmittag regelmäßig platt.
Eine 4-Tage-Woche ohne Stundenreduktion verdichtet eben nur die Belastung und hilft nicht.
Ich sehe es wie Sie: Lasst uns eher richtige Arbeitsplätze in der Schule haben und was in den 40+x Stunden nicht geschafft wird, das muss eben liegen bleiben.
Dann dauern Korrekturen eben länger, dann wird eben in Hoch-Zeiten mit vielen Korrekturen nur Unterricht aus dem Buch gemacht und nicht zig Projekte geplant, sondern dann muss man ressourcenschonend planen.
Ich wiederhole meinen Vorschlag aus Teil 1 des Interviews:
Bitte all das in den Grundkursen der Mittelstufe einer Gelsenkirchener Gesamtschule testen, wobei der Lehrstuhl des Forschers sämtlichen Mehraufwand übernimmt. Wenn die Ergebnisse signifikant positiv sind, auf andere Schulen und Schulformen in NRW ausweiten. Bei immer noch signifikant positiven Ergebnissen und gleichzeitig ohne signifikanten Mehraufwand für die Lehrer gerne etablieren.
Und ich bin bei diesem Vorschlag inhaltlich immer noch zu 100% bei dir!
Warum diese Betonung, wie wichtig weitere Formen des Feedbacks neben Noten sind? Muss man das betonen, findet das nicht dauernd statt? Es gibt Zwischennoten, mit Schwerpunkt auf persönlichem Feedback statt der einfachen Zahl, es gibt bei jeder Gruppen- oder Einzelarbeit eine Lehrkraft, die während der Aufgabe herumgeht, berät und verbessert. Jede Klassen- oder Kursarbeit bekommt ein Feedback, wenn das nicht klar genug ist, gibt es in der nächsten Pause Gelegenheit, das zu klären. Noten sind subjektiv, richtig, aber bei dieser Diskussion geht es wohl kaum darum, das zu ändern. Es geht um noch mehr scheinbar objektive Daten, darum, aus der persönlichen Verantwortung und Abwägung bei der Bewertung eine Beschreibung zu machen, gestützt auf eine Datenreihe.. Rechtssicher, dokumentierbar und in jede Richtung interpretierbar. Noten sind eine Zusammenfassung, sicherlich nicht perfekt, aber darin steckt neben dieser Beschreibung auch ein Urteil, in welchem Maß bestimmte (von außen vorgegebene) Ziele erreicht wurden. Zeugnisse für Förderschüler dürfen keine Formulierungen enthalten, die auf eine Note schließen lassen, es gibt keine ‘befriedigende’ oder ‘gute’ Entwicklung. Es werden auch keine Defizite als solche benannt. Am Ende fragen Eltern, warum ihr Kind keinen MSA bekommt, denn im Zeugnis war doch alles immer super. Keine Bewertung, keine Einordnung, nur eine Beschreibung und am Ende ratlose Eltern. Könnten die anderen Eltern mehr damit anfangen? Die Eltern, die meist viel weniger über die Entwicklung ihres Kindes nachdenken (müssen)?
Wer sagt, es fehle an Konzepten zur Leistungs- und Entwicklungsdokumentation, um Noten abschaffen zu können, meint eigentlich: wir glauben euch Lehrern nicht, dass ihr das heute schon berücksichtigt, dass ihr Leistungen und Entwicklung dokumentiert und berücksichtigt.
Jepp, that’s it …. und vor allem:
Sie – also unsere “außerschulischen Impulsgeber” – müssen es ja nicht machen!!
Wichtig ist nur, dass Noten immer flankiert werden durch andere Formen des Feedbacks: digitale, datengestützte oder persönliche Rückmeldungen. Daraus lernen Kinder in der Regel viel mehr als aus einer reinen Ziffernnote.
Wenn man mal ehrlich ist, sind genauere Formen des Feedbacks meist nur Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen für Lehrkräfte, zumindest an Gesamtschulen.
Gerade letzte Woche wieder erlebt: Eine Schülerin kommt mit der Klassenarbeit zu mir und fragt, warum sie für eine Aufgabe nur zwei von fünft Punkten bekommen hätte.
In einer Klassenarbeit sollten fünf Aspekte zu etwas genannt werden, die Schülerin hatte nur zwei Aspekte genannt. Daneben mein (zweifarbiger) Kommentar, dass sie zwei Aspekte genannt hätte, drei weitere aber fehlten. – Was soll man da noch erklären?
Oder man lässt nach einer Klassenarbeit in Jg-9 die Schüler eine Reflexion schreiben. 30 Zettel zum Lesen und Auswerten. Über 70% der Schüler schreiben, sie hätten vielleicht mal lernen sollen. – Grandiose Erkenntnis.
Wie viel Arbeit soll die Lehrkraft da in ein ganz ausführliches Feedback stecken, wenn die Kinder weder für Arbeiten lernen noch die Kommentare lesen?
Genau das ist es. Man schreibt an die Arbeit Kommentare, Notizen was fehlt, lobt was gut war und wen interessiert das?
Ich würde mal grob sage, so etwa 5 von 30 lesen sich die Bemerkungen durch. Der Rest schaut auf die Note, liest nur mal drüber, wenn die Hoffnung gehegt wird noch Punktet herauszudiskutieren. Ansonsten wird die Arbeit zugeklappt und das wars. In der nächsten Arbeit dann ähnliche Fehler.
Ich überlege mittlerweile gut, wieviel ich noch dran schreibe, wenn es doch eh kaum jemanden wirklich interessiert.
Sepp, ich erklärt dir das mal, die wollte nichts inhaltlichs wissen oder lernen. Die wollte mehr Punkte und eine bessere Note. SuS wollen gute Schulenoten, weil man dann ein/e gute Schüler/in ist.
Ziffernnoten erst ab Klasse 9 zu vergeben und davor auf individuelle Feedbackgespräche zu setzen.
Ich bin für Opt-Out durch die Eltern was Noten angeht. Feedback nur wenn es ausdrücklich von den SuS gewünscht ist.
Die Schüler sind ja so erzogen, nur auf die Noten zu schauen. Wissen selbst spielt keine Rolle, wie auch, wenn sie dazu gebracht werden, jede Woche neuen Stoff schnell aufzusaugen, nächste Stunde vielleicht eine Abfrage, vielleicht eine Ex und dann schon das nächste Thema. Wiederholt wird das Ganze nicht.
Die Note hat oberste Priorität, by design, und genau so lernen die Schüler meistens auch. Viele können sich schon am nächsten Tag nicht mehr daran erinnern, was sie gelernt oder gestern beantwortet haben, aber die Noten stimmen, also weiter wird es nicht mehr geschaut.
Unzählige Fächer, ein überladener Stoff, den die Schüler oft gar nicht mehr richtig aufnehmen können, der Tag ist einfach zu kurz dafür. Nachdenken, recherchieren oder sich einmal tiefer mit einem Thema zu beschäftigen, ist kaum möglich, wenn man pro Woche über 16 Fächer hat, ständig mit neuen, oft völlig zusammenhanglosen Themen. Ha ha, ein Witz. Der Tag hat nun mal nur 24 Stunden.
Die Lehrer wissen oft selbst nicht mehr, wie sie diese Stoffmengen in ihren Unterricht pressen sollen. Also wird in drei Sätzen schnell durch zehn Seiten gehetzt, und viele Themen werden gar nicht zu Ende gebracht, klar, drei oder vier Themen in zwei Schulstunden sind einfach zu viel.
Und dann heißt es: „So, Kinder, seht zu, wie ihr das nach acht Stunden Schule zu Hause nochmal acht Stunden lang alleine aufarbeitet.“
Kein Wunder, dass die Schüler nur noch für die Note lernen und danach alles schnell wieder vergessen. Das Gehirn kann solche Mengen an komplett unterschiedlichen Informationen Tag für Tag schlicht nicht behalten, es ist schließlich immer noch ein biologisches Organ.
Meine Kinder schauen in der Regel auch nur auf die Note und sind gedanklich bereits beim nächsten Thema. Haben wir doch alle früher so gemacht, oder?
Ja, und ich finde, genau das ist auch das Problem an Noten. Aber ich glaube nicht, dass das in Deutschland in nächster Ueit geändert wird. Für viele hängen Noten einfach unabänderlich mit Leistung zusammen.
Ich stimme da Monika zu: die SuS werden darauf konditioniert und das Ergebnis ist – nur die Note zählt.
Gefällt mir im Großen und Ganzen, was ich da lese. Kommt mir zumeist sehr realistisch vor. Danke!
Führen sie das alles auch selbst durch?
Ich finde, dass Ironie deutlich gekennzeichnet werden sollte.
Vorausgesetzt, das war Ironie.
“…warum Reformen nur funktionieren, wenn Schulen, Politik und Wissenschaft gemeinsam handeln.”
Das ist der Kern, warum die Reformen der letzten Jahre nicht funktionieren. Die Schulen (vor allem die Lehrer) werden nicht einbezogen. Aus der Wissenschaft kommen Luftschlösser, die Politik sieht Einsparmöglichkeiten und nur ausgewählte Dinge um, die Schulen werden nicht gefragt, sondern sollen sich über die Segnungen freuen.
Endlich mal sagt jemand, wie es wirklich ist.
“Man muss außerdem ehrlich sagen: Wenn man Noten abschafft, braucht man sehr gute Konzepte, wie Leistungen und Entwicklungen dokumentiert werden können. Und das ist deutlich aufwendiger als eine Ziffernnote. …
Gerade in Grundschulen sieht man ja oft: Offiziell gibt es in Klasse 1 und 2 keine Noten, aber stattdessen Smileys – von „lacht“ bis „traurig“. Im Kern ist das auch nichts anderes als eine visuelle Ziffernnote. …
Für Eltern ist die einfache Rückmeldung oft attraktiv: eine 1 ist sehr gut, eine 2 gut, eine 3 na ja. Ein sprachliches, individuelles Feedback ist viel differenzierter, erfordert aber auch die Fähigkeit, zwischen den Zeilen zu lesen. Und was ich auf keinen Fall sinnvoll fände, wäre, wenn solche Rückmeldungen irgendwann so verschlüsselt wären wie Arbeitszeugnisse, wo man Codes entschlüsseln muss, um die eigentliche Botschaft zu verstehen. Darauf sollten wir keine Energie verwenden.”
In Berlin ist das nun schon so. In den Klassen 1-3 gibt es diese bescheuerten Indikatorenzeugnisse und alle rechnen die Kreuzchen doch nur in Noten um bzw. fragen den Lehrer, was ist das denn nun in Noten?
Bei uns gibt es von der 5. Klasse bis zur 7. Klasse auch keine Noten.
Nur haben die Kinder in der Grundschule eben Ziffernnoten kennengelernt und wollen wissen, welche Noten sie haben. Inzwischen schreibe ich danher darunter, welcher Ziffernnote die Leistung entspricht.
“Vielmehr braucht es eine Mischung: Phasen, in denen die Kinder individuell arbeiten, Phasen, in denen sie mit anderen zusammenarbeiten, und Phasen, in denen gemeinschaftlich und instruktiv gelernt wird. Die Balance zwischen diesen Elementen zu finden, ist entscheidend – und darin liegt eine große Chance.”
“Wenn dagegen ein gutes Ganztagsangebot vorhanden ist, sind sogenannte Vertiefungsmomente viel zielführender. Dort kann das Kind an der Leistungsspitze gezielt weiterarbeiten, während andere, die noch Schwierigkeiten haben, an den Grundlagen üben. So bekommt jedes Kind die Förderung, die es braucht.”
Beides wird doch längst umgesetzt. In NRW haben so gut wie alle Gesamtschule Lernzeiten und bei Ganztagsschulen sind Hausaufgaben verboten. In diesen Lernzeiten wird schon längst aller Orten auf verschiedenen Niveaus geübt. Meistens in jeder Unterrichtsstd. und nicht nur in den Lernzeiten. Und was hat das gebracht? Während ich als Kind Gesamtschule NRW in der Schule ganztags gelernt und geübt UND Zuhause auch noch geübt habe mit Hausaufgaben an Kurztagen und über das Wochenende, lernen Schüler in NRW Gesamtschulen heute ausschließlich in der Schule. Viele Schüler nehmen generell kein Material mit nach Hause, maximal lernen manche Vokabeln Zuhause. Ich bin davon überzeugt, dass dies mit ein Grund für den Leistungsabfall ist. Lernen lebt von Wiederholung und das auch mal in Ruhe Zuhause und je öfter wiederholt desto besser. Zudem gibt es in Schule zu viel Ablenkung für viele, um konzentriert zu üben. Und außerdem müssen sich Schüler so Null vor ihren Eltern für irgendwas rechtfertigen, weil die Eltern das Material nicht mal sehen (zB die nicht eingebetteten Blätter…).
Und natürlich gibt es in Schule längst Phasen, wo gemeinsam instruiert wird, wo individuell geübt oder wo in Teams gearbeitet wird. Das gab es schon vor 30 Jahren. Das individuelle ist jetzt stärker betont, obwohl viele Schüler von mehr Instruktion profitieren. Je unmotivierter, je Bildungsferner, je männlicher desto mehr profitieren sie davon. Während des von mir geführten Unterrichts gibt es Gruppenarbeit, aber ich bestimme, wer in welcher Gruppe ist und welche Aufgabe vom Niveau her zu der Gruppe passt. Partnerarbeit gibt es sowieso täglich.
Ich bin immernoch für Doug Lemovs Methoden, weil ich denke, dass diese am besten für die Schüler sind. Bei Schulen mit seinem Konzept gibt es übrigens keine Hausaufgaben außer Vokabeln lernen, dafür ist der Unterricht sehr effektiv, weil die Schüler immer ihr Bestes geben.
Kann mir mal bitte jemand erklären, was genau „digitales“ bzw. „datengestütztes“ Feedback genau ist, welche Herr Professor Maaz als die Ziffernote flankierende Feedbackformen einfordert?
Ich tippe mal, dazu müsste man erstmal die SuS auch regelmäßig digital arbeiten lassen. Dann kann man sich in einem entsprechenden Tool am Ende Auswertungen ziehen, auf Basis dessen man dann ein Feedback schreiben kann. Ich gibt ja schon Systeme, die direkt nach gemachten Aufgaben Feedback und Lern-Tipps geben. Vielleicht sollten diese Tools zur Unterstützung der LuL mehr eingesetzt werden.
Sie wissen das also auch nicht?
Digitales Feedback bezieht sich auf die Form des Feedbacks, nicht auf die Form, in welcher der Schüler gearbeitet hat.
Liebe Redaktion, Sie haben doch das Interview geführt: was meint Herr Professor Maaz mit“digitalem“ bzw. „datengestütztem“ Feedback?
Offensichtlich Instrumente wie dieses hier: https://fobizz.com/de/digitales-feedback-im-unterricht/
Gibt aber auch andere Anbieter: https://www.kms-bildung.de/2022/02/27/digitale-feedbackmethoden/
Herzliche Grüße
Die Redaktion
Ich hab bereits mehrere Fortbildungen zu Feedback in digitalisierter Form absolviert – sei es individuelles Feedback einer Lehrkraft an einen Schüler oder Gruppenfeedback an einen Schüler/andere Gruppe.
Zu Ersterem:
Ja, da kann ich z.B. über ein Audio eine Leistung besprechen, und über nen QR-Code kann der Schüler sich das anhören. Was genau ist daran jetzt besser, als mit dem Schüler direkt zu sprechen?
Und warum ist das jetzt eine unbedingt notwendige Ergänzung zum direkten Gespräch?
Mentimeter und die im verlinkten Fobizz-Artikel benannten Tools passen nicht zum von Herrn Prof. Maaz benannten Feedback einer Lehrkraft an einen Schüler: das Tool setzt man ein, wenn eine Gruppe von Personen Feedback an eine Einzelperson/zu einem Vortrag/ eine andere Gruppe/… geben soll – macht keinen Sinn, wenn ein einzelner Lehrer Feedback an einen einzelnen Schüler gibt, das Gleiche bei Wortwolke und Co – das sind alles Umfragetools. Beim Feedback einer Einzelperson (Lehrkraft) an eine andere Einzelperson sind die sinnfrei.
Die Frage bleibt: welches „digitale Feedback“ meint Herr Maaz?
Und was zum Henker ist „datengestütztes Feedback“? Dass ich Feedback nicht auf Basis eines Bauchgefühls gebe, ist doch selbstverständlich.
Ich verstehe es einfach nicht….
Aber vielleicht fragen Sie ja noch mal bei Herrn Professor Maaz nach? Wenn’s so wichtig ist, wie er betont, würd ich schon gern wissen, worum es sich handelt.
In Abschnitt 1.4 der Experten-Empfehlungen steht:
“Und vor allem brauchen wir bei jedem Schritt ein bedingungslos auf gemeinsames Lernen und Entwicklung ausgerichtetes Mindset aller schulischen Akteure mit dem Ziel, allen Heranwachsenden bestmöglichen Lern- und Entwicklungserfolg zu gewähren.”
Wie will man denn bitte ein “bedingungslos ausgerichtetes Mindset aller Akteure” erreichen, kann man das einfach so “von oben” beschließen? Das klingt ja nach möglicher Gehirnwäsche bei all denen, die das mit dem gemeinsamen Lernen irgendwie anders sehen. Aber “wir brauchen das”, also ohne geht es nicht? Na dann kann man es doch gleich vergessen.
Lehrer sein ist genauso wie Bundestrainer. Jeder, wirklich jeder hat eine Meinung und alle können es besser.
Diese ganzen Empfehlungen können wir doch alle samt vergessen, weil 90% von Leuten kommen, vielleicht mal im Studium eine Wochen vor einer Klasse standen. Wirklich Schule, über mehrere Jahre mit Zeugnisschreiben und ständig neuen Lehrpläne, hat doch kaum ein Forscher kennengelernt. Wieso haben diese Forscher keine Unterrichtsverpflichtung von 12 Wochenstunden an einer normalen Schule? Das würde die Forschung und damit auch Schule verbessern.
Ha! Bei 12 Std gutem Unterricht hätten die gar keine Zeit mehr für Forschung!
So viele Länder, die auf Ziffernnoten verzichten gibt es auch gar nicht. Und dann auch nur teilweise.
Ich bespreche zweimal pro Halbjahr die Noten, gebe Individualfeedback, kontrolliere und korrigiere HA, lasse Tests und Klausuren schreiben, betreue Projekte und gebe dabei Rückmeldungen an die SuS, spreche natürlich auch anlassbezogen außer der Reihe mit SuS. Inzwischen fülle ich sogar Kompetenzraster aus, die niemanden interessieren, weil sie noch gröber sind als Noten.
Echt? NOCH mehr Feedback? Ich halte das langsam für too much.
Tja, die Lehrer tun eben einfach immer noch zu wenig 😉
Zitat:”Woran liegt es, dass, wenn Bürger*innen und Expert*innen unabhängig voneinander nach Möglichkeiten suchen, das Bildungssystem zu verbessern, sie zu ähnlichen Ergebnissen kommen?”
Ich würde gerne das Wort “verbessern” durch “verändern” austauschen, denn ob sich mit den vorgeschlagenen Maßnahmen wirklich Dinge verbessern, bezweifele ich, wenn ich mir die Ergebnisse von Gemeinschaftsschulen in BW anschaue, die diese Maßnahmen in Teilen bereits umsetzen.
Wer genau will denn immer Noten abschaffen? Richtig: Jene, die schlechte Noten erhalten. Alle anderen freuen sich über das positive Feedback, das attestiert, wie gut man in einem Bereich ist oder wo man eventuell privat nacharbeiten müsste. Paradox finde ich zudem, dass Hausaufgaben abgeschafft werden sollen, zeitgleich aber “flipped classrooms” als Innovation gesehen werden. Die sind nichts anderes als Hausaufgaben, die man jedoch vor anstatt nach dem Unterricht erledigt.
Ich seh das Problem darin, dass niemand zurück zu einem Schulsystem will, das wirklich nur die Bildung im Fokus hat. Man hat an allen Ecken und Enden der Schulsysteme herumgedoktert und erhält jetzt die entsprechenden Ergebnisse. Man möchte Schulen zu Therapiezentren mit Bildungsangeboten umbauen (Stichwort des Jahres: “multiprofessionelle Teams”), hat jedoch weder Konzept, noch das Personal dazu. Man schlägt halt mal Dinge vor, die man zuvor noch nicht vorgeschlagen hat: Noten abschaffen, individuelle Lehrpläne für jeden, Hausaufgaben abschaffen etc. – ohne überhaupt zu ahnen, ob dies wirklich die gewünschten Ergebnisse bringt. Da Schulen aber auch immer schon Experimentierräume für “Bildungsexperten” und Politiker waren, dürfen wir uns weiterhin auf spannende Ergebnisse freuen.