Kulturvertreter warnen vor eskalierender Fremdenfeindlichkeit in Sachsen – Tumulte vor Grundschule

8

DRESDEN. Pegida wächst. Bürger blockieren geplante Flüchtlingsunterkünfte. Vor einer Schule, in der Flüchtlinge untergebracht werden sollen, kommt es zu Tumulten. Der Kultursenat warnt vor einer Radikalisierung von Teilen der Bevölkerung – und stellt fest: „Sachsen hat ein Problem.“ Doch es gibt auch Zeichen der Menschlichkeit dort.

Gegen Einwanderer - und für geschiedene Väter: Pegida ist offenbar eine Demo für alles und jeden (hier ein Foto aus Dresden im Januar). Foto: Metropolico.org / flickr (CC BY-SA 2.0)
Gegen Einwanderer – und für geschiedene Väter: Pegida ist offenbar eine Demo für alles und jeden (hier ein Foto aus Dresden im Januar). Foto: Metropolico.org / flickr (CC BY-SA 2.0)

Die Dresdner CDU und der Landeselternrat haben die geplante Flüchtlingsunterbringung im Nebengebäude einer Grundschule in Dresden kritisiert. «Daran festzuhalten, Grundschüler und Asylbewerber auf einem gemeinsamen Schulgelände unterzubringen, ist verantwortungslos», erklärte die bildungspolitische Sprecherin Heike Ahnert am Dienstag. Bereits am Freitag hatte Dresden angekündigt, eine leerstehende Schule im Stadtteil Prohlis als Notunterkunft für rund 150 Flüchtlinge zu nutzen. Nebenan werden noch bis Februar Kinder unterrichtet. Der Schulhof soll durch einen Bauzaun getrennt werden.

Auch der Landeselternrat (LER) steht den Plänen kritisch gegenüber. «Die Verantwortlichen sind sich der Tragweite nicht bewusst», sagte LER-Vorsitzender Peter Lorenz. Die Eltern hätten angesichts möglicher Konflikte und Ausschreitungen Angst. Nach Angaben der Polizei kam es am Montagabend während einer Infoveranstaltung in der Schule vor dem Gebäude zu Tumulten. Rund 60 teils stark betrunkenen Personen musste der Zutritt verwehrt werden, hieß es. Böller wurden gezündet, Flaschen flogen, eine Polizistin wurde leicht verletzt.

Angesichts des wachsenden Zulaufs zu Pegida hat der Sächsische Kultursenat eindringlich vor einer Radikalisierung und Eskalation der Fremdenfeindlichkeit gewarnt. Die Linke forderte zudem von der Regierung, Blockaden von geplanten Unterkünften für Flüchtlinge zu unterbinden. «Es kann und darf nicht sein, dass mit rassistischen Aufmärschen der Bezug von Asylunterkünften be- oder sogar verhindert wird und der Staat untätig zusieht», sagte die Linke-Politikerin Juliane Nagel. In Heidenau dagegen setzten Stadt und Künstler ein Zeichen für Toleranz.

Die Diffamierung und Hetze gegen Menschen, die aus verschiedenen Gründen in Deutschland Hilfe und Schutz suchen, offenbaren sich dem Kultursenat zufolge in bisher unbekanntem Ausmaß. «Sachsen hat ein Problem. Flüchtlinge und Asylbewerber wurden offen attackiert. Ebenso wurden Politiker und Polizisten und Andersdenkende angegriffen», hieß es in einem Offenen Brief an die Bürger. Im Kultursenat sitzen Kulturschaffende und auch Politiker. Dass auch viele Menschen konkrete Hilfe leisteten, bezeichneten sie als ermutigend.

Anzeige

«Wir als Sachsen wollten eine andere Botschaft senden als die der Gewalt», erklärte auch Unternehmer Jens Jähnig. Er sammelte bei Firmen aus ganz Deutschland Geld für eine Skulptur, die am Montag in Heidenau aufgestellt wurde. Das Wort «Miteinander» steht nun als riesiges Kunstwerk aus Stahl im Zentrum der sächsischen Stadt.

Die fremdenfeindliche Pegida-Bewegung hatte am Montag in Dresden erneut Tausende Anhänger mobilisiert. Nach einer ersten Auszählung von Studenten der TU Dresden kamen bis zu 9000 Menschen zusammen. Die sächsische AfD stellte am Dienstag klar, dass sie keinen Schulterschluss mit Pegida suche und weiter in eigener Regie gegen die Asylpolitik demonstrieren wolle. Der Publizist Götz Kubitschek, der als Vordenker der Neuen Rechten gilt, hatte auf der Pegida-Versammlung offen zum Rechtsbruch aufgerufen. Er fragte, ob man nicht auch als Bürger Grenzübergänge sperren und geplante Flüchtlingsunterkünfte blockieren solle.

Derzeit belagern Bürger tatsächlich ein früheres Ferienlager im Chemnitzer Stadtteil Einsiedel und eine Turnhalle in Dresden-Übigau, um den Einzug von Asylsuchenden zu verhindern. Die Linke im Landtag verlangte von der Regierung, solche Blockaden zu verhindern. Nagel warf Innenminister Markus Ulbig (CDU) vor, dass er den rassistischen Manifestationen nicht die Stirn biete und Grund- und Menschenrechte nicht verteidige.

Das Kabinett beschloss unterdessen, leerstehende Wohnungen für Asylsuchende mit guter Bleibeperspektive zu nutzen und mehr Lehrer für Deutsch als Zweitsprache (DaZ) auszubilden. Die Zahl der Lehrerstellen, die für den Unterricht von Flüchtlingskindern bereit stehen, wächst von 332 im vorigen Schuljahr auf 632 im laufenden. dpa

Zum Bericht: Modellkita für Flüchtlingskinder – ausgerechnet in der braunen Hochburg Hoyerswerda

Anzeige


Info bei neuen Kommentaren
Benachrichtige mich bei

8 Kommentare
Älteste
Neuste Oft bewertet
Inline Feedbacks
View all comments
dixo
8 Jahre zuvor

Gibt es für desillusionierte Bürger, die mit Sorge beobachten, wie täglich immer weitere Flüchtlingsströme nach Deutschland kommen, eine Möglichkeit, ihren Unmut zu äußern, ohne als Rassisten oder Fremdenhasser diffamiert zu werden?
In einer Demokratie soll doch jeder Bürger mündig sein und auch Missfallen äußern, wenn seiner Meinung nach etwas falsch ist. Ist das nicht die Lehre, die die Deutschen unbedingt aus der meinungsdiktatorischen Nazi-Zeit ziehen sollen?
Wie verträgt sich dann die Beschimpfung und soziale Bedrohung von Menschen, die anderer Meinung als die der gegenwärtigen Propaganda sind und deswegen protestieren? Ist Meinungsvorschrift (Faschismus) mal richtig und mal falsch?

Luk
8 Jahre zuvor
Antwortet  dixo

Sie sprechen ein Faschismus-Phänomen an, das mir auch schon seit Längerem zu schaffen macht.

Georg
8 Jahre zuvor

Nun, wenn ich mir die Äußerungen der PEGIDA Jünger und Björn Höcke anhöre anhöre, dann frage ich mich wirklich, wer ihnen den Mund verbietet. Sie können quasi überall und jederzeit auf die Straße gehen, dürfen ihre „Wahrheit“ kund tun, auf Facbook und in Foren posten, was das Zeug hält. Niemand prügelt sie von der Straße, niemand sperrt sie ein, auch wenn noch so krudes Zeug gebrüllt und geschrieben wird.

Aber wenn sich jemand äußert, muss er oder sie aber auch mit Widerspruch rechnen und dann nicht bockig sein, wenn jemand anderer Meinung ist. Das gleiche Recht fordern doch die PEGIDisten doch für sich auch ein, oder?

Und PEGIDA radikalisiert sich, das es mir die Beine schlackern lässt. Das lässt sich wunderbar an den O-Tönen der Demonstraten, ihren Plakaten und z. B. den Äußerungen von Björn Höcke (AfD Thüringen) zeigen. Da geht es mittlerweile um Widerstand, Umsturz, Kriegsrhetorik („Invasion“, „Krieg“), demokratische Verfahren und „abendländische Werte“ zählen nicht mehr, die Argumentationen sind völkisch, die Feinde werden kollektiviert, das Individuum nicht mehr gesehen, die Andersdenkenden sind Gutmenschen und Linksfaschisten.

Und by the way: Ich finde es wirklich merkwürdig, den Faschismusvorwurf ausgerechnet denjenigen zu machen, die den PEGIDA Leuten widersprechen. Genau andersrum wird ein Schuh draus. Vergleichen sie mal die Aussagen von Höcke und die Brüllereien der Leute mit dem völkischen Nationalismus vergangener Tage.

Und wenn die Leute „Orban, Orban“ oder „Putin, Putin“ jubeln, ohne sich drum zu scheren, wofür ihr beiden Helden in ihren Ländern verantwortlich sind, dann jubeln die auch anderen zu, die sich um Demokratie, Rechte des Individuums und Pressefreiheit wenig scheren.

http://www.ardmediathek.de/tv/Panorama/Besorgte-B%C3%BCrger-radikalieren-sich/Das-Erste/Video?documentId=30995474&bcastId=310918

https://www.youtube.com/watch?v=_kspogoPhOE

http://www.sehnsuchtsort.de/herbst-in-dresden-pegida-im-spiegel-ihrer-sprache/

Bernd
8 Jahre zuvor

Das ist perfide. Sie versuchen hier, Intoleranz- und Fremdenfeindlichkeitsbewegungen wie Pegida zu Opferveranstaltungen hochzustilisieren. Sie behaupten eine angebliche Meindungsdiktatur, ja sogar einen Meinungs-„Faschismus“ – den es in Deutschland nicht gibt. Kein Mensch wird dafür eingesperrt oder bestraft, dass er Vorurteile und krude Ideen verbreitet. Jeder kann, das zeigen die soziialen Netzwerke, jeden Quatsch ungeprüft veröffentlichen. Dabei erzeugt die rechtspopulistische Hetze ein Klima, in dem Gewalt gedeiht – siehe Anschläge auf Asylbewerberheime. Wer sich dann mit Unschuldsmiene hinstellt und behauptet, damit habe er aber nichts zu tun, er wolle ja nur mal seine Meinung sagen, der ist entweder nicht ganz dicht oder er sagt bewusst (!) die Unwahrheit. Leute wie Sie spielen mit dem Feuer!

Georg
8 Jahre zuvor
Antwortet  Bernd

Bernd, danke!

Christian Möller
8 Jahre zuvor

@Bernd und Georg
Vielleicht lesen Sie mal eine Geschichte aus dem täglichen Leben, die exemplarischer kaum sein kann, bevor Sie behaupten, die Meinungsherrschaft im Lande läge bei den sog. Rechten.
Tatsache ist, dass sich viele Menschen täglich verbiegen und kaum trauen, ihre ehrliche Meinung zu äußern, weil sie als „rechts“ diffamiert werden könnten, wenn diese nicht eindeutig linksgrün ist und möglichst noch angereichert mit der Schmähung Andersdenkender.

http://ef-magazin.de/2015/10/06/7662-diskussion-ueber-politik-das-taegliche-verbiegen

Rouven Schmidt
8 Jahre zuvor

Ich verstehe nicht, wie irgendjemand diese Untätigkeit des Staats und die damit verbundene Verunsicherung der Bürger nicht besorgniserregend finden kann. Fakt ist, dass eine nicht steuerbare Zahl von Menschen, die wirtschaftliche Vorteile sehen, unerlaubt in unser Land strömen. Tatsächliche Flüchtlinge? Nur in geringem Umfang. Asylberechtigt? Einzelfälle. In der Hauptsache junge gesunde Männer, die sich aus dem Staub gemacht haben und die eine gefahrlose Vollversorgung anstreben. Wer sich wirklich auf der Flucht befindet, ist dankbar für ein Dach und Essen. Diese Leute kommen zu uns, weil hier umfangreiche Sozialleistungen ohne Gegenleistung gewährt werden. Hinzu kommt, dass diese Leute aus dem islamischen Kulturkreis kommen und hiermit ihre christen-, juden – und frauenfeindliche Erziehung importieren. Hetze? Definitiv nicht, sonst leider die Wahrheit. Integrierbar? Wer an dieses Märchen glaubt, sollte sich abends durch einschlägige Strassenzüge unserer Hauptstadt aufmachen und wird dort eines Besseren belehrt,. Natürlich wird bei einigen Lesern nun der Kamm schwellen und sie werden die üblichen Beschimpfungen (Pack, Rassist etc.) ausstoßen. Das kümmert mich nicht. Auch diese Bürger haben Wohnungen, Besitz sowie Frau und Kind. Sobald dieses ihnen genommen wird, werden auch diese aufwachen.

Cavalieri
5 Jahre zuvor

Hier steht, wie das Volk in Russland in Sachen „Fremdenfeindlichkeit“ denkt:
https://www.tagesschau.de/ausland/lewada-institut-101.html
„Russland den Russen“ steht da, 19 % sehen das so. Das analoge „Deutschland den Deutschen“ ist bei uns verpönt, es gilt als rechtsradikal und Pegida-verdächtig. Ich will das auch gar nicht propagieren, stelle aber fest, die anderen sind auch nicht vorbildlich in dieser Beziehung. Sinti und Roma will man schon gar nicht in Russland. Aber kritisiert jemand die Russen dafür als „rassistisch“? Nein, die dürfen das. Die dürfen auch Bomben auf Syrien werfen, und wir sollen die Flüchtlinge aufnehmen. Russland braucht das nicht. Den Wiederaufbau sollen auch die westlichen Länder organisieren. Russland braucht das nicht.