DÜSSELDORF. Die Gemeinsamkeiten des Schuldienstes mit der Arbeit für einen Geheimdienst sind überschaubar – auf den ersten Blick jedenfalls. Und doch geht es hier wie da vor allem um eines: menschliche Beziehungen. Wie kann Kommunikation in der Schule gelingen, beispielsweise auf dem mitunter schwierigen Feld der Elternarbeit? Leo Martin hat tatsächlich lange für einen großen Geheimdienst gearbeitet. Heute schreibt der Experte in Sachen Miteinander Bücher. Darüber hinaus gibt er Kurse und hält Vorträge. Als News4teachers-Kolumnist gibt er Einblicke in das schwierige Metier der (beruflichen) Beziehungsarbeit, mitunter augenzwinkernd – und doch von höchstem praktischen Nutzen gerade für Lehrkräfte. In der heutigen Folge geht es darum, Ihre persönliche Widerstandskraft zu stärken. Überaus wichtig, wenn mal wieder ein schwieriges Elterngespräch ansteht.
Der 007-Plan zur Stärkung Ihrer persönlichen Widerstandskraft
Es wird immer Menschen geben, mit deren Verhalten wir nicht klarkommen, die wir vielleicht auch nicht mögen. Daran wird sich nichts ändern, das gehört zum Gesamtpaket Mensch. Diese 007-Formel kann Ihnen helfen, mit Gefühlsterroristen, Nervenkillern und anderen Querulanten besser klarzukommen:
001. Lassen Sie Ihre negativen Gefühle zu!
Wann immer Ihnen jemand richtig auf die Nerven geht, kotzen Sie sich aus! Lassen Sie Ihren negativen Gefühlen freien Lauf. Aber, und das ist die einzige Bedingung: Nicht in Gesellschaft. Nur Sie und der Wald, in den Sie schreien. Sie und der Eimer, in den Sie sich auskotzen. Sie und der Boxsack. Sie und die Dartscheibe auf der das Foto klebt, das Sie mit Pfeilen durchlöchern. Seien Sie nicht politisch korrekt. Nutzen Sie die übelsten Kraftausdrücke, die Sie kennen: „Dieser verdammte Idiot, wenn ich den …“. Schreien Sie gern auch die Wand an. Ein kurzer Ausbruch wirkt wie ein Gewitterregen auf staubige Luft. Er reinigt Sie innerlich, dient Ihrer psychischen Hygiene und ist die notwendige Vorstufe für den nächsten Schritt. Nur wer keine Wut, keinen Groll oder Ärger mehr in sich trägt, wird die nötige Ruhe und Gelassenheit aufbringen um weiterzukommen.
002. Suchen Sie das Gute!
Niemand, absolut niemand, ist vollkommen unsympathisch. Niemand hat ausschließlich Seiten, die nerven. Nicht mal die größte Nervensäge. Jeder Mensch verfügt auch über positive Seiten. Man muss sie nur finden. Damit Sie auf der Suche nach dem Guten im Nervenkiller fündig werden, hilft es manchmal, einen kleinen Umweg zu gehen. Denken Sie zuerst an Menschen, die Sie sehr mögen, und überlegen Sie sich dann, welche Schwächen diese haben. Sie werden merken, dass Sie diesen Schwächen relativ tolerant begegnen können, weil es ein grundsätzliches Ja zu diesen Menschen gibt. Es wird also möglich sein, auch etwas Gutes an einer Nervensäge zu finden. Im beruflichen Kontext würde dies bedeuten, dass Sie zum Beispiel zuerst auf Ihre „Lieblinge“ schauen. Aus Gründen der Tarnung werden diese oft Leistungsträger genannt. Danach fragen Sie sich, welche Stärken der Gefühlsterrorist hat. Das führt in Ihrem Urteil zu mehr Ausgewogenheit, Objektivität und Neutralität.
003. Bleiben Sie immer locker und immer freundlich!
Wenn Sie in Anwesenheit anderer Menschen Ihrem ablehnenden Verhalten freien Lauf lassen, dann hat das noch nie mehr gebracht als Wunden, die schwer heilen. Das gilt auch für Querulanten, Nervenkiller und Gefühlsterroristen – für die einen mehr, für die anderen weniger. Deshalb können und dürfen Sie jederzeit ein „professionelles Pokerface“ aufsetzen. Damit Ihnen das gelingt, ist das Auskotzen im Eimer wichtig. Das Schreien im Wald. Das Boxen in den Sack und der Pfeil im Foto. Nur wenn Sie Groll, Wut und Ärger losgeworden sind, können Sie fair und gelassen sein. Schließlich fährt auch niemand mit vollem Magen Fünfer-Looping.
004. Trauen Sie sich ran – je enger, desto besser!
Manchmal ist es so. So komisch es klingen mag, je dichter Sie die unliebsame Nervensäge an sich heranholen, desto eher werden Sie in der Lage sein, Gemeinsamkeiten zu entdecken. Ihr Gegenüber hat dadurch mehr Gelegenheit, seine Meinung über Sie anzupassen. Das gilt natürlich umgekehrt genauso auch für Sie. Wenn Ihnen die Annäherung gelingt, können Sie dadurch souveräner mit der Situation umgehen. Dann ist viel gewonnen. Sie müssen ja nicht gleich heiraten.
005. Sehen Sie die Situation durch die Augen des anderen!
Was so einfach klingt, gehört zu den schwierigsten Übungen – das Wechseln der Perspektive. Aber sie ist es, die Sie zu den Motiven Ihres Gegenspielers führt. Sobald Sie diese durchschaut haben, bekommt sein Verhalten eine andere Bedeutung. Weil Sie jetzt wissen, warum er sich so verhält. Wenn Sie die Hintergründe seines Tuns durchschauen, beurteilen Sie die Taten anders. Und dann kann kein Gefühlsterrorist dieser Welt Sie mehr aus der Bahn werfen. Sie konzentrieren sich nicht auf sein Verhalten, sondern auf das, was dahintersteckt. Je leichter wir andere Perspektiven einnehmen können, umso weniger persönlich nehmen wir die Eigenarten unserer Mitmenschen. Und können entscheiden, ob wir eine Brücke bauen oder einreißen.
006. Erkennen Sie die positive Absicht!
Hinter jedem Verhalten eines Gefühlsterroristen steckt eine positive Absicht. Menschen treffen immer die beste ihnen persönlich zur Verfügung stehende Wahl. Negatives Verhalten wird erst aufgegeben, wenn etwas Besseres gefunden ist. Geht Ihnen ein Querulant so richtig auf die Nerven, zeigt dies, dass er sich in diesem Augenblick gerade nicht besser zu helfen weiß. Versuchen Sie die positive Absicht hinter dem Verhalten herauszufinden. Alles, was Menschen tun, ist immer auf ein Ziel ausgerichtet, ob sie das nun bewusst oder unbewusst erreichen wollen. Sobald Sie dieses Ziel kennen, wissen Sie auch über die Motive Bescheid, die dahinterstecken. Oft „schreit“ ein unerfüllter Wunsch nach Liebe, Zuneigung, Wertschätzung in den Menschen, die uns als Gefühlsterroristen, Nervenkiller und Nervensägen verzweifeln lassen oder gar zur Weißglut bringen. Wenn es uns gelingt zu verinnerlichen, dass andere also nicht aus böser Absicht handeln, sondern dass jedem Verhalten eine positive Absicht zugrunde liegt, fällt es leichter, sich nicht mehr so aufzuregen. Auch nicht über Neunmalkluge, Nörgler, Miesmacher, Hochnäsige und so weiter.
007. Malen Sie Ihr Gegenüber blau an!
Meine absolute Lieblingsmethode. Bevor eine Nervensäge zum Nervenkiller wird, gehe ich in die mentale Offensive: In Gedanken male ich mein Gegenüber blau an. Von oben bis unten, ganz langsam, Strich für Strich mit einem breiten Pinsel, mit dickflüssiger königsblauer Farbe. Wenn ich damit fertig bin, ist alles wieder einigermaßen in Ordnung. Der Trick an dieser Methode ist so simpel wie genial. Wenn ich diese Methode einsetze, treffe ich gleichzeitig eine Entscheidung. Die Entscheidung, dass es mir sofort besser geht, sobald ich mit dem Anstreichen fertig bin. Klingt bescheuert. Aber funktioniert wunderbar. Auch mit allen anderen Farben. Testen!
Leo Martin hat Kriminalwissenschaften studiert und war zehn Jahre lang für einen großen deutschen Geheimdienst im Einsatz. Während dieser Zeit deckte er brisante Fälle der organisierten Kriminalität auf. Sein Spezialauftrag war das Anwerben und Führen von Informanten. Als Experte für unterbewusst ablaufende Denk- und Handlungsmuster brachte er fremde Menschen dazu, ihm zu vertrauen, ihr geheimstes Insiderwissen preiszugeben und langfristig mit dem Dienst zusammenzuarbeiten. Er hat Bücher geschrieben, die es bis auf die Bestseller-Liste des Spiegel geschafft haben. Sein aktuelles: „Ich stopp dich!: Gefühlsterroristen erkennen und ausschalten – Ein Ex-Agent im Einsatz gegen Nervenkiller“ (Ariston-Verlag, 14,99 Euro). Darüber hinaus gibt er Kurse und hält Vorträge – etwa auf dem Deutschen Schulleiterkongress im vergangenen März und auf SchulVerwaltung.de.
Kontakt: www.leo-martin.de