Kein Ende beim „Akademisierungswahn“ in Sicht: Bis 2050 hält der Ansturm auf die Hochschulen mindestens an

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BERLIN. Manche sprechen von einem „Akademisierungswahn“, auch wenn die Gründe durchaus nachvollziehbar erscheinen: Immer mehr junge Menschen drängen an die Universitäten. Ein Ende des Trends ist jedoch nicht absehbar. Experten fordern die Politik daher zu einer anderen Finanzierung der Hochschulen auf.

Die Hörsäle bleiben voll. Foto: Neo_II / flickr  (CC BY 2.0)
Die Hörsäle bleiben voll. Foto: Neo_II / flickr (CC BY 2.0)

Die Zahl der Studienanfänger bleibt einer neuen Studie zufolge bis zum Jahr 2050 mit mehr als 425.000 pro Jahr auf konstant hohem Niveau. Das geht aus einer der Deutschen Presse-Agentur vorliegenden Erhebung des CHE Centrums für Hochschulentwicklung hervor. Die Zahl der Studienanfänger pro Jahr in Deutschland bewegt sich bereits seit 2011 pro Jahr um eine halbe Million. Im Jahr 2005 hatten nur 350.000 Menschen ein Studium begonnen. Bis zum Jahr 2050 sagen die Studienautoren einen Rückgang der Zahl der Erstsemester voraus, der nach einer Wellenbewegung eintrete. Unter die Marke von 425.000 werde die Zahl aber nicht sinken.

Die Studie basiert auf Modellrechnungen, die auf Annahmen über die demografische Entwicklung und die Zahl ausländischer Studenten beruhen. Selbst wenn man keine Zunahme der Studienneigung annähme, zeige sich, «dass ein Ende des Hochplateaus der Studiennachfrage in Deutschland nicht in Sicht ist», so die Erhebung.

Dabei werde die Studiennachfrage in allen westdeutschen Flächenländern und Stadtstaaten, mit Ausnahme von Rheinland-Pfalz, bis 2050 teilweise erheblich über den jeweiligen Studienanfängerzahlen des Jahres 2005 bleiben.

„Normalfall Hochschulbildung“

CHE-Geschäftsführer Jörg Dräger sagte: «Hochschulbildung wird zum Normalfall und zur langfristigen gesellschaftlichen Realität.» Die Finanzierung der hohen Studierendenzahlen sei eine gesamtstaatliche Aufgabe. Mit einem zeitlich begrenzten Hochschulpakt sei er nicht zu bewältigen. «Für ein Studienhoch, das sich über mehr als 40 Jahre erstreckt, kann man nicht alle paar Jahre die Finanzierung neu verhandeln.» Nötig sei eine dauerhafte, verlässliche Finanzierung.

Bund und Länder hatten zwischen 2011 und 2015 gut 13 Milliarden Euro für neue Studienplätze bereitgestellt. Mit der zweiten Programmphase des «Hochschulpakts 2020» konnten laut ihrer Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz über 720.000 mehr Erstsemester ein Studium aufnehmen, als dies ohne das Programm möglich gewesen wäre. Über die Gesamtlaufzeit des Hochschulpakts von 2007 bis 2023 will der Bund 20,2 Milliarden Euro bereitstellen, die Länder 18,3 Milliarden Euro. Derzeit studieren in Deutschland rund 2,8 Millionen Menschen.

Tatsächlich macht sich akademische Bildung bezahlt – im Schnitt mit geringerer Arbeitslosigkeit und höheren Einkommen. Dies zeigte unlängst eine Studie auf, die Lebenseinkünfte verglichen hat. N4t / mit Material der dpa

Das könnte den “Akademisierungswahn” erklären: Je höher die Bildung, desto höher das Einkommen – im Schnitt jedenfalls

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Conny
6 Jahre zuvor

„Tatsächlich macht sich akademische Bildung bezahlt – im Schnitt mit geringerer Arbeitslosigkeit und höheren Einkommen.“ (vgl oben)

Ist eigentlich klar, dass sich hinter dieser Aussage alle möglichen Szenarien verbergen können.

Angenommen, in einer Gesellschaft entspricht die Zahl der Akademiker der Zahl der herausgehobenen gut bezahlten Positionen (also ca. 30 Prozent), dann stimmt sie wohl.

Angenommen, in einer Gesellschaft studieren 90 Prozent und hinter den verbliebenen 10 Prozent verbirgt sich dann eine von der Gesellschaft ausgelesene „Unterschicht“, – ja, dann stimmt sie auch.
Es wird dann aber auch eine Spreizung der Verdienste in diesem 90-Prozent-Anteil geben, der mit einer Zweiteilung Akademiker – Nichtakademiker nichts mehr zu tun hat. Schon jetzt verdienen Höherqualifizierte im Bereich der beruflichen Bildung (Meister) im Durchschnitt deutlich mehr (Lebens- wie auch Monatseinkommen), als Akademiker, die ein sozialwissenschaftliches oder sprachliches Studium abgeschlossen haben. Gleichzeitig landen 50 Prozent der Absolventen eines Architekturstudiums heute in Berufsfeldern, die zuvor mit schlechter bezahlten Bauzeichnern besetzt waren.

Kurzum, die Aussagen von Herrn Dräger sind dringend hinterfragungsbedürftig. Es gibt ein Interesse von stimmten Personen und gesellschaftlichen Kräften an einer Ausweitung des Angebots an Hochschulabsolventen, was aber nichts, aber rein gar nichts damit zu tun hat, dass diese Kräfte wollen, dass möglichst viele Menschen besser bezahlt werden. Im Gegenteil. Überangebot ermöglicht Auswahl, bewirkt geringere Löhne. Es wurde hundertmal schon darauf verwiesen, dass die Organisation, die maßgeblich Vollakademisierung mittels Studien zu steuern versucht, die OECD ist,- eine Organisation, hinter der Wirtschaftsinteressen, nicht Bildungs- oder Menschenbeglückungsinteressen stecken.

Bernd
6 Jahre zuvor
Antwortet  Conny

Die OECD ist eine Vereinigung demokratisch regierter Industrieländer, der auch Deutschland angehört, kein Verschwörerclub. Ziel der OECD ist laut Satzung „die wissensbasierte Beratung der Regierungen zur Erreichung von Wachstum, Wohlstand und Armutsbekämpfung“ – und dazu gehört auch die Bildung, weshalb die OECD Bildungsstudien wie PISA herausgibt.

Wirtschaft, Conny, ist nichts statisches. Wenn der Handwerksmeister vor 50 Jahren wirtschaftlich erfolgreich war, dann heißt das nicht, dass er’s auch in Zukunft ist. Globalisierung, Automatisierung und Digitalisierung sorgen dafür, dass einfache Tatigkeiten immer weniger in Deutschland benötigt werden – Maschinen übernehmen die. Andersherum steigt der Bedarf an qualifizierten Kräften, die ihren Beitrag dazu leisten können, eine hochtechnisierte Ökonomie wie Deutschland im weltweiten Wettbewerb zu behaupten. Der Elektrikermeister kann das eher nicht. Schon deshalb brauchen wir immer mehr Akademiker.

Und Wirtschaftsinteressen, Conny, haben wir alle – es sei denn, Sie leben von Luft und Liebe.

GriasDi
6 Jahre zuvor
Antwortet  Bernd

Zitat:
Der Elektrikermeister kann das eher nicht. Schon deshalb brauchen wir immer mehr Akademiker.

Wenn es „die richtigen“ Akademiker sind.
Außerdem sind Elektrikermeister sicher fähiger als E-Technik-Bachelors.

Bernd
6 Jahre zuvor
Antwortet  GriasDi

Wir leben aber nicht in einem planwirtschaftlichen Zwangssystem – was ein „richtiges“ Studium ist, entscheidet letztlich der Markt. Und so viele „falsche“ scheint es ja nicht zu geben angesichts einer Akademikerarbeitslosigkeit von nahe null.

GriasDi
6 Jahre zuvor
Antwortet  Bernd

Zitat:
Ziel der OECD: “die wissensbasierte Beratung der Regierungen zur Erreichung von Wachstum, Wohlstand und Armutsbekämpfung”

wie ist es dann in Finnland oder Spanien mit sehr hohen Akademikerquoten aber großer Jugendarabeitslosikgeit? Was rät die OECD hier?

Bernd
6 Jahre zuvor
Antwortet  GriasDi

Die OECD hat zweifellos den guten Berufseinstieg durch die Duale Ausbildung in Deutschland unterschätzt. Das Problem bei der Dualen Ausbildung ist die Perspektive – sie ist einfach häufig zu eng auf den Bedarf des ausbildenden Betriebs ausgelegt.

Künftig gilt es, beides, die berufliche und die akademische Ausbildung, stärker miteinander zu verzahnen. Duales Studium und ähnliche Modelle gibt es ja auch schon – und werden stark nachgefragt.

Conny
6 Jahre zuvor
Antwortet  Bernd

Ach ja, und weil in Deutschland nur mehr Akademiker benötigt werden, haben wir im Gastgewerbebereich inzwischen eine Quote von über 50 Prozent ausländische Arbeitskräfte, beim Pflegekräften über 60 und im Bereich der Abfallwirtschaft über 80 Prozent. In meinem Heimatlandkreis haben sie mal eben 50 rumänsiche Auszubildende für das Metzgerhandwerk importiert. Dass auf die OECD-Logik heute auch viele abfahren, die früher mal an einer gerechteren besseren Welt interessiert waren, erstaunt mich.
Wer glaubt, dass hinter dem Abitur für alle die neue klassenlose Gesellschaft und der Wohlstand für alle auftauchen wird, der wird sich noch böse wundern.

Bernd
6 Jahre zuvor
Antwortet  Conny

Welcher Deutsche arbeitet denn im Gastgewerbe meist unter Mindestlohn? Sie?

Und mit Metzermeistern wird die Exportnation Deutschland auch nicht im weltweiten Wettbewerb bestehen.

Irritierend sind allerdings solche weltfremden Aussagen wie „Dass auf die OECD-Logik heute auch viele abfahren, die früher mal an einer gerechteren besseren Welt interessiert waren“. Glauben Sie ernsthaft, wirtschaftliche Entwicklung und eine bessere Welt wären ein Widerspruch? Wovon, glauben Sie, leben die Menschen?

Wenn’s nach Ihrer Logik ginge, müssten wir uns heute schon böse wundern – tun wir aber nicht. Deutschland steht ökonomisch blendend da, auch gerade dank der Bildungsexpansion. Irgendwer in den Unternehmen scheint da ja was richtig zu machen.

Conny
6 Jahre zuvor
Antwortet  Bernd

Bernd: „Die OECD ist eine Vereinigung demokratisch regierter Industrieländer“

Der Witz ist ja gerade, dass die OECD für ihr Engagement im Bildungsbereich und ihre Einmischung in die Kompetenzen der dafür zuständigen Bundesländer keinerlei demokratische Legitimation hat.

Conny
6 Jahre zuvor
Antwortet  Conny

Nochbesser gefiele mir übrigens der Satz: „Die NATO ist eine Vereinigung demokratisch regierter Industrieländer“, vor allem, wenn ich an Erdogan und Trump denke.

Bernd
6 Jahre zuvor
Antwortet  Conny

Die OECD mischt sich nicht ein – sie erstellt Studien. Und zwar im Auftrag der Staaten. Die Kultusministerkonferenz hat die OECD beauftragt, die PISA-Studie regelmäßig in Deutschland durchzuführen. So viel zur Legitimation.

Noch ’ne Verschwörungstheorie auf Lager?

Und was hat das jetzt mit der Nato zu tun – und mit Trump, der durchaus ein gewählter Poltiker ist? Jetzt wird’s wirr hier und ich verabschiede mich.

Conny
6 Jahre zuvor
Antwortet  Bernd

„Die OECD mischt sich nicht ein“. Selten so gelacht.

OMG
6 Jahre zuvor
Antwortet  Bernd

Die reinen Daten und die Auswertungen bzw. Erklärungen, wie man diese denn nun zu verstehen hat, nennt man Studien.
Und eine Studie nimmt auch immer eine Interpretation vor.
Und dadurch mischt sich die OECD sehr wohl ein.

Cavalieri
6 Jahre zuvor
Antwortet  Bernd

„… und dazu gehört auch die Bildung, weshalb die OECD Bildungsstudien wie PISA herausgibt.“

Aber PISA hat nicht viel mit Bildung und schon gar nichts mit Akademikern zu tun. Was dort getestet wird, ist die sehr elementare sog. „Literacy“, oft mit „Grundbildung“ übersetzt. Das geht kaum über das hinaus, was man früher mal von der Hauptschule erwartete.
Das mit der Zahl der Akademiker ist so, dass die in verschiedenen Ländern ja unterschiedlich gezählt werden. Eine Universität in D ist nicht dasselbe wie eine Universität in einem fernen OECD-Land. Die Ansprüche sind sehr unterschiedlich. Eine Vereinheitlichung würde die Ansprüche nach unten nivellieren. Kritiker argwöhnen, dass genau das beabsichtigt ist. Warum eigentlich geht es die OECD was an, wieviele Akademiker wir in D haben? Hat die OECD sich schon mal gesorgt, wieviele Ärzte oder Lehrer wir haben?

Bernd
6 Jahre zuvor
Antwortet  Cavalieri

Es geht bei PISA, genaugenommen, um Bildungsvoraussetzungen. Wer nicht sinnerfassend lesen kann, kann auch den Faust nicht verstehen.

Und ja, die OECD erfasst auch die Lehrer in Deutschland (und in den anderen Mitgliedsstaaten) – im jährlich erscheinenden Bericht „Education at a Glance“.

Cavalieri
6 Jahre zuvor
Antwortet  Bernd

„Sinnerfassend lesen“ lernt man eigentlich in der Grundschule. IGLU testet das ja auch. Also die 15-Jährigen brauchen nur sinnerfassend lesen zu können, und schon sind wir zufrieden, weil die OECD zufrieden ist? Die Physikaufgaben kann man dann auch gleich mit „sinnerfassendem Lesen“ lösen, weil die Antworten auf die Fragen schon im gegebenen Text stehen. So weit haben wir unsere Bildungsansprüche runtergeschraubt, auch am Gymnasium? Und wird diese Art von „Bildung“ nun durch Ökonomie dominiert oder nicht?

xxx
6 Jahre zuvor
Antwortet  Bernd

@ cavalieri
Leider. In NRW kommt der Physik-Grundkurs (politisch gewollt) weitgehend ohne Rechnen und fachliche Systematik aus. Mit sinnerfassendem Lesen und gesundem Menschenverstand kommt man schon sehr weit. In diesem Sinne hat sich die Physik leider den Teilbereichen Ökologie und Evolution in der Biologie angenähert.

(Ich erinnere an das Experiment mit der Abiturklausur Biologie aus dem Zentralabitur, die ein Lehrer mal Neuntklässlern gegeben hatte. Die meisten Schüler haben bestanden.)

Cavalieri
6 Jahre zuvor
Antwortet  Bernd

So bescheiden ist man bei PISA, es geht um die Bedienung eines Fahrscheinautomaten:

http://www.spiegel.de/fotostrecke/pisa-studie-zum-probleme-loesen-deutschland-landet-im-oecd-mittelfeld-fotostrecke-112885.html

Und damit werden auch Gymnasiasten getestet. Mit Bildung im eigentlichen Sinn hat das nichts mehr zu tun. Der Mensch soll funktionieren, weil die Fahrscheinautomaten immer komplizierter werden. Aber nie wird gefragt, wie man wohl einen solchen Automaten im Ausland bedient — in einer fremden Sprache.

xxx
6 Jahre zuvor
Antwortet  Bernd

Vielleicht werden die Automaten auch so kompliziert, damit die Leute auf die App ausweichen mit der Folge, dass auch die Automaten wegrationalisiert werden können. Also Ziel erreicht.

Bernd
6 Jahre zuvor
Antwortet  Bernd

Es geht bei PISA nicht um „zufrieden“ – haben Sie schon mal jemals in die Studie hineingeschaut? Es geht um Kompetenzstufen, die die Schüler im Umgang mit Sprache, mit Mathematik und den Naturwissenschaften erreichen. Oder eben nicht. Deutschland ist hier im Schnitt besseres Mittelmaß. Und übrigens nicht mal in der Leistungsspitze besonders gut aufgestellt, obwohl hier die deutschen Gymnasiasten mit den Gesamtschülern andernorts konkurrieren – und nicht besonders gut abschneiden, obwohl sie doch so schön vorsortiert wurden. Natürlich können die tollen Lateinkenntnisse, die bei PISA nicht gecheckt werden, das locker aufwiegen – klaro.

Aber das sind natürlich alles unbequeme Wahrheiten, die man nicht so gerne hört, wenn man sich auf seine Herkunft aus dem „Land der Dichter und Denker“ etwas einbildet.

Cavalieri
6 Jahre zuvor
Antwortet  Cavalieri

Bernd: Ich glaube eher, Sie haben noch nicht in die PISA-Berichte hineingeschaut. In dem für PISA 2015 steht auf S. 236, dass in Mathematik die deutschen Gymnasiasten 573 Punkte erreicht haben, die Nicht-Gymnasiasten nur 476 (alles Durchschnitts-werte). Kein Land hat im Durchschnitt aller Teilnehmer 573 Punkte, nicht einmal die Chinesen. Finnland kommt auf 511 Punkte. So sehen „unbequeme Wahrheiten“ aus.

Bernd
6 Jahre zuvor
Antwortet  Cavalieri

Sie vergleichen Äpfel mit Birnen – natürlich liegen die deutschen Gymnasiasten über dem (Gesamt-)Schnitt anderer Länder, alles andere wäre ja aberwitzig. Da müsste man die Gymnasien sofort abschaffen.

Deutschland bringt aber weniger Spitzenschüler hervor, als es erfolgreiche Gesamtschulsysteme tun – trotz des eifrigen Sortierens hierzulande. Sie haben’s in Ihrem Post unten ja richtig dargestellt: „Die wirkliche empirische Bildungswissenschaft sagt dagegen, dass die Gliederung in Schulformen gar kein entscheidender Faktor ist.“ Da haben Sie vpllig recht.

Schon für diese Erkenntnis, die 30 Jahre ideologischen Streit in Deutschland (fast) beendet hat, muss man PISA dankbar sein.

Cavalieri
6 Jahre zuvor
Antwortet  Cavalieri

„weniger Spitzenschüler“. Auch das stimmt so nicht, siehe Seite 5 hier:

http://www.oecd.org/berlin/themen/PISA-2012-Zusammenfassung.pdf

Das ist jetzt PISA 2012. Da steht, dass der Anteil der Leistungsstärksten bei der Mathematik in Europa nur in Holland, Belgien, Schweiz höher ist als in D (17,5 %). Finnland hat nur 15,3 %, GB nur 11,8 %, Schweden nur 8 %. Zitieren Sie mal präziser, woher Sie Ihre Weisheiten haben. Aus dem GEW-Blättchen?

Und außerdem: Heißt es nicht immer, in D würde der Übergang auf Gymnasium nicht nach Leistung, sondern nach dem Geldbeutel der Eltern erfolgen?

Bernd
6 Jahre zuvor
Antwortet  Cavalieri

Nur mal so auf die Schnelle – der „Tagesspiegel“ zu PISA 2015:

„Und so verfehlt Deutschland in allen drei Bereichen das von den Kultusministern im Jahr 2012 gesetzte Ziel, dass jeweils 20 Prozent der Schüler zu den leistungsstärksten gehören sollen. In zwei Bereichen gibt es sogar einen Rückschlag: In Mathe gehören nur noch 12,9 Prozent zu den Besten, gut vier Prozent weniger als 2012. In den Naturwissenschaften erzielten vor drei Jahren zwölf Prozent der deutschen Schüler Bestleistungen, jetzt sind es 10,6 Prozent. „Das Bröckeln der Spitzengruppe bereitet Sorge“, sagte die deutsche Studienleiterin Reiss. Gegenteilig ist nur die Entwicklung der starken Leser. Hier setzt sich der kontinuierliche Anstieg fort: von neun auf 11,7 Prozent.

In allen internationalen Bildungsstudien wird moniert, dass in Deutschland nicht nur die Gruppe der Leistungsstarken zu klein ist – sondern auch die der leistungsschwachen Schüler zu groß.“

Quelle: http://www.tagesspiegel.de/wissen/neue-pisa-studie-der-deutsche-pisa-aufstieg-ist-gestoppt-warum/14942606.html

xxx
6 Jahre zuvor
Antwortet  Cavalieri

Das Bröckeln der Spitzengruppe liegt auch daran, dass in Mathematik die Anforderungen drastisch reduziert wurden, die wirklich Guten also garnicht gefordert werden.

Bernd
6 Jahre zuvor
Antwortet  Cavalieri

Das Bröckeln bezieht sich auf ein nur kurzes Zwischenhoch. Schon bei PISA 2000 waren die Spitzenleistungen in Deutschland rar gesät.

Cavalieri
6 Jahre zuvor
Antwortet  Cavalieri

Bernd: Jeder Test geht anders aus. Es ist lächerlich, Testergebnisse mit „Fünfjahresplänen“ der KMK zu vergleichen. Man müsste eher mit den „Erfolgen“ der Nachbarn mit ihren Gesamtschul-systemen vergleichen, also GB, F, S, E, I, Benelux usw.
Die Tabelle auf S. 233 im Bericht zeigt, dass Deutschland mit 12,9 % der „Besten“ besser dasteht als Finnland mit nur 11,7 % und auch besser als etliche andere. Besser sind in Europa nur Benelux. Slowenien und die Schweiz. Was also soll das nun besagen?

Conny
6 Jahre zuvor

Es geht ja nicht um die reinen PISA-Studien, sondern die schönen Interpretationen, die Herr Schleicher immer bei den Pressekonferenzen mitliefert

g. h.
6 Jahre zuvor
Antwortet  Conny

Stimmt, die eigenwilligen Pisa-Interpretationen des Herrn Schleicher stören mich auch immer wieder. Sie haben mit neutraler Betrachtung und Nichteinmischung in die Bildungspolitik unserer Bundesländer nichts mehr zu tun.

Dass Bernd die bildungsideologischen Einlassungen des Herrn Schleicher entgegenkommen und gefallen, liegt auf der Hand. Und dass er Meinungsgegner immer wieder gern einer „Verschwörungstheorie“ bezichtigt, ist genauso zu erwarten wie der Griff zu weiteren stereotypen Vorwürfen.

Dass Herr Schleicher der SPD nahesteht und bildungspolitisch links denkt, ist bekannt und legitim. Dass er aber seine hochrangige OECD-Position benutzt, um den Pisa-Testergebnissen unstatthafte bildungs- und gesellschaftspolitische Aussagen in seinem Sinn beizumischen, ist mehr als ärgerlich.

Cavalieri
6 Jahre zuvor
Antwortet  g. h.

Böse Zungen sagen, dass Schleicher sich dafür rächen will, dass er von seiner Grundschule mal keine Gymnasial-empfehlung bekam. Deshalb möchte er am liebsten das Gymnasium abgeschafft sehen. Die wirkliche empirische Bildungswissenschaft sagt dagegen, dass die Gliederung in Schulformen gar kein entscheidender Faktor ist.

Papa 51
6 Jahre zuvor
Antwortet  Cavalieri

Ich halte sie aber für einen wichtigen Faktor, der allerdings Leuten mit seltsamen Gerechtigkeitspostulaten gegen die Glaubensinhalte geht.

Cavalieri
6 Jahre zuvor
Antwortet  Papa 51

Ja, PISA wird auch politisch missbraucht. Nach PISA 2000 haben viele (z.B. die GEW) gesagt, Schweden liegt vor Deutschland, also müssten wir unser Schulsystem dem schwedischen anpassen. Bei PISA 2012 war es umgekehrt (besonders bei der Mathematik), aber niemand hat gesagt, Schweden müsste nun sein Schulsystem dem deutschen anpassen.

xxx
6 Jahre zuvor

Der Ansturm wird sich ab 2050 wohl nur aufgrund des allgemeinen Geburtenrückgangs abnehmen.

Er ließe sich aber ganz einfach kontrollieren, wenn die Bildungspolitiker sich auf ein erheblich anspruchsvolleres Abitur einigen könnten, was gleichzeitig die deutsche duale Ausbildung stärken würde.

Bevor die Einheitsfanaten wieder anfangen zu meckern, bitte ich zu berücksichtigen, dass eine Gesellschaft zu Wohlstand kommt, wenn sie intern einem andauernden Diskurs unterliegt, und Einheitsschulen gerade das Gegenteil von Diskurs sind.

Literatur: Robert Pfaller: Erwachsenensprache. Über ihr Verschwinden aus Politik und Kultur. Fischer Verlag.

Oder als Video: https://www.youtube.com/watch?v=w1PdptQi_7E
(Man muss es allerdings mit dem bildungspolitischen Auge betrachten. Klappt übrigens auch wunderbar bei der Inklusionsproblematik.)

Milch der frommen Denkungsart
6 Jahre zuvor

@Bernd:

Dass am deutschen Gymnasium (endlich) wieder aussortiert würde, wäre ja wünschenswert, wird aber doch von eifernden Bildungsstalinisten unter Zeter und Mordio über ach so ungerecht-altständisches Elitedenken als Sozialdarwi- nismus diffamiert und jede Forderung nach Niveauhebung mit dem Kainszei- chen der Desintegration gebrandmarkt.
Es gab einmal sonnige Tage, an denen es der Linken tatsächlich um Fortschritt zu tun war !

Cavalieri
6 Jahre zuvor

Selbst beim PISA-Sieger Finnland gibt es plötzlich Schulen mit Ergebnissen unter OECD-Durchschnitt, und man spricht in diesem Zusammenhang sogar schon von sozialer Segregation. „Es geht um Gegenden, die unter sozialer Segregation leiden, in denen es viel Arbeitslosigkeit und Migranten gibt.“ Es ist sogar vom „verstecktem Rassismus“ die Rede. Quelle:

http://www.tagesspiegel.de/wissen/finnische-schulen-in-not-der-pisa-riese-strauchelt/9822492-all.html

Wie mag das kommen, wo man doch angeblich das beste Schulsystem der Welt mit der vorbildlichen Chancengleichheit hat?

Bernd
6 Jahre zuvor

Das ist lustig, Milch – da setzen Sie jetzt das Messer an Ihrer eigenen Klientel an. Sind es nicht die bemitleidenswerten Arzt- und Anwaltssöhnchen, die (trotz erwiesener Nicht-Eignung) aufs Gymnasium, dann in die Latein-Kurse und in die Dauernachhilfe gezerrt werden, weil sich das für Bürgerkinder gefälligst so gehört?

Eine Auswahl nach Leistungspotenzial wäre strenggenommen eine Auswahl nach IQ. Da möchte ich mal den Aufstand des Bürgertums erleben, das ja schon bei G8 seine Felle davonschwimmen sah.

xxx
6 Jahre zuvor
Antwortet  Bernd

Bei einer Auswahl nach IQ wäre so ziemlich alles ab 100-105 auf dem Gymnasium. Gut für das Gymnasium ist das nicht, für die anderen Schulformen ist das noch viel schlechter.

Übrigens braucht man für Arzt und Jura nicht so viel IQ. Man muss nur viel in kurzer Zeit auswendig lernen können.

Bernd
6 Jahre zuvor
Antwortet  xxx

Steile These. Erzählen Sie das den Eltern Ihrer Schüler auch so?

Milch der frommen Denkungsart
6 Jahre zuvor
Antwortet  Bernd

Sogar darin seh‘ ich mich beängstigenderweise genötigt, Ihnen beizupflichten.

Cavalieri
6 Jahre zuvor
Antwortet  xxx

Andere Leute (z.B. Elsbeth Stern) meinen, ein IQ von 115 müsste es schon sein. Dann gehen nur noch ca. 20 % aufs Gymnasium, so wie Praxis in der Schweiz. Und die Schweiz schneidet bei PISA immer sehr gut ab, aber nicht wegen der wenigen Gymnasiasten, sondern gerade wegen der vielen Nicht-Gymnasiasten.
Aber die Auswahl nach einem einzigen Test würde sofort den Test ins Kreuzfeuer der Kritik bringen. Es macht schon Sinn, Schüler 4 Jahre lang zu beobachten und dann eine Empfehlung auszusprechen. Optimal gerecht sind auch Tests nicht.

Axel von Lintig
6 Jahre zuvor
Antwortet  xxx

XXX
Beide Berufe der Art zu beschreiben und miteinander gleich machend zu beschreiben,zeugt nicht gerade von der Kenntnis über die unterschiedlichen Anforderungsprofile an diese beiden Berufe.
Sicherlich muss man in beiden Gebieten sehr belesen sein, um seine Tätigkeit gut ausfüllen zu können.
Allerdings benötigt man als Arzt sehr viel Faktenwissen, was man sich im Bereich der Notfallmedizin als Algorithmus im Langzeitgedächtnis, für das Abspulen von Arbeitsabläufen hinterlegen muss.Damit wird das Arbeiten in diesen Situationen angenehmer und ist mit weniger Stress verbunden.Andererseits braucht man für die Einordnung unterschiedlichster Symptome ein inneres Ordnungssystem, um diese spezifischen Krankheitsbildern zuordnen zu können.
Im Bereich Jura ist der schriftsprachliche Ausdruck sehr gefordert,anders als im Bereich der Medizin.
Hinzu kommt das Wissen darum, wo die jeweiligen Grundsatzurteile stehen, wo welche Entscheidungen gefällt wurden und wie neue Gesetze juristisch umgesetzt werden.Reines Auswendig lernen hilft in beiden Bereichen nicht weiter.
Ach ja. Im Bereich Medizin hilft sehr viel physiologisches und anatomisches Verständnis vom Menschen weiter, und das muss man sich selbst erarbeiten ,ohne das man auswendig lernt.

xxx
6 Jahre zuvor
Antwortet  Axel von Lintig

herr avl, wie stehen sie eigentlich zu den doktorarbeiten in meditin, die innerhalb eines semesters durch reine literaturrecherche geschrieben werden? in den naturwissenschaften würde das mit viel glück für einen bachelor reichen.

Axelvon Lintig
6 Jahre zuvor
Antwortet  Axel von Lintig

Das ich derartige Arbeiten ablehne können Sie sich doch denken.
Das ist aber nicht mein Problemfeld, um das ich mich kümmern muss.
Andererseits wäre ich bereit Unterstützung bei der Aufklärung von Arbeiten auf dem Niveau eines Herrn Guttenberg zu leisten. Ich habe einige Originalarbeiten, die voneinanderin den Formulierungen ganzer textpassagennicht voneinander abweichen.

Axel von Lintig
6 Jahre zuvor
Antwortet  Bernd

Bernd
Ich habe kein Problem mit G8.
Probleme haben alle die Schüler, die unsere Grundlagen der deutschen Rechtschreibung nicht beherrschen, nicht automatisiert lesen und schreiben können und denen eine Basis für ein gutes Allgemeinwissen fehlt.Unser Schulsystem gibt den Kindern aus der Unterschicht,im Gegensatz zur Zeit um 1970 bis 1990 , keine gleichwertigen Chancen mehr, in die selben gehobenen Positionen, wie damals zu kommen.Und je mehr das Niveau in den Schulen abgesenkt wird, um so negativer wirkt sich dieser Effekt auf die Chancengleichheit aus, weil wir voll dagegen steuern.Alles ist ein Produkt aus dem Versuch die Methoden für jeden immer einfacher zu gestalten.Darunter leidet aber letztendlich das gesamte System,inklusive der Bedeutung der Abschlüsse.Armselig ist die viel gepriesene Methodenvielfalt ohne jegliche wissenschaftliche Expertise.Derartiges wäre im Bereich der wissenschaftlich betriebenen Medizin undenkbar.
Es gibt noch sehr viel Arbeit ,um sich von den wenig effektiven Methoden zu trennen.
Wahrscheinlich läuft alles darauf hinaus, dass sich ältere Methoden, mit einem nachhaltigen Lernen durch Üben wieder durchsetzen werden und man wieder mehr auf eine direkte, menschliche Interaktion zwischen Schülern und Lehrern setzen wird.Bis dahin scheint es aber noch ein langer Weg zu sein.
Und abschließend lassen Sie es sich gesagt sein, dass der IQ eines Menschen sich 7ber die Jahre in beide Richtungen ändern kann, und dass die Tests aus den 60er und 70er Jahren stammen.
Mit einer ungeeigneten Methode lernt auch ein intelligenter Schülrr nicht automatisch fließendes Lesen und Schreiben..

Cavalieri
6 Jahre zuvor
Antwortet  Axel von Lintig

Das mit G8 war von Anfang an verlogen: Sogenannte Bildungswissenschaftler haben uns erzählt, überall in der Welt reichen 12 Schuljahre. Also hat man G8 eingeführt an Gymnasien. Und dann gab’s plötzlich Gesamtschulen mit einem Jahr mehr. Da waren es dann wieder 13 Jahre, obwohl doch überall in der Welt in den dortigen (angeblich ganz großartigen) Gesamtschulen 12 Jahre ausreichen. Den Widerspruch zu bemerken, waren die maßgeblichen Leute offenbar zu blöd. Und dann hat man auch noch immer mehr Schüler in die G8-Gymnasien geschickt, für die 13 Jahre besser gewesen wären. Als Gipfel der Verlogenheit wurde dann die „freiwillige Wiederholung“ eines Schuljahrs eingeführt (Sitzenbleiben war verpönt).
NB: Zu meiner Schulzeit haben viele ihr Abitur nach 14 Jahren erworben, weil sie sitzengeblieben waren. Davon ging die Welt auch nicht unter.

xxx
6 Jahre zuvor
Antwortet  Cavalieri

die guten gymnasiasten haben auch bei g8 wenig druck und sind auch nicht überlastet.

probleme hat das drittel gymnasiasten, das dort, trotz niveauverflachung eigentlich nichts verloren hat. diese eltern wettern aber am lautesten gegen g8.

Axelvon Lintig
6 Jahre zuvor
Antwortet  Cavalieri

Cavalieri

Da stimme ich XXX zu,dass bezogen auf den fehlenden Druck auf die guten Schüler der Gymnasien keine Probleme zu erwarten sind.
Richtig Druck haben jene Schüler, die sich die Grundlagen der Orthographie noch aneignen müssen, kryptische Schriftbilder aufbieten und nicht automatisiert lesen können.
Diese Schreibstrategien nach Gehör werden teilweise noch bis in die Oberstufe beibehalten. Auch hier irrten sich die „Reformpädagogen“ um Brügelmann samt seiner Gefolgsleute, das die Schüler bis zum Ende der neunten Klasse die Orthographie beherrschen würden.

Da die Schüler in den Gesamtschulen ein bis zwei Jahre in ihren Leistungen hinter denen in den Gymnasien und den Realschulen hinterherhinken, siehe DESI-Studie und andere, hat man diesen Schülern ein Jahr mehr gegeben, in den fehlenden „Kompetenzen“ aufzuschließen.
Außerdem scheint man damit die Konkurrenzfähigkeit gegenüber den Gymnasien steigern zu wollen und die Gesamtschulen in ihrer Attraktivität zu steigern.

Milch der frommen Denkungsart
6 Jahre zuvor

@Bernd:

Auch wenn Sie das vielleicht erschüttern wird – darin bin ich ausnahmsweise einmal bei Ihnen !

Bernd
6 Jahre zuvor

Huch.

Cavalieri
6 Jahre zuvor

Nochmal PISA: Bei PISA 2015 gab es in Mathematik 12,9 % der leistungsstärksten (Kompetenzstufe V -VI) in Deutschland und 10,4 % in Schweden. Bei den leistungsschwächsten (Kompetenzstufe I-II) waren es 17,2 % in Deutschland und 20,8 % in Schweden. In Frankreich waren es 11,4 % bei den besten und 23,5 % bei den schwächsten.
Was in aller Welt soll nun die Überlegenheit der Gesamtschulsysteme in F oder S begründen? Das ist reine GEW-Propaganda.