Urheberrecht: Kontrollen von Lehrern auch ohne „Schultrojaner“

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ERFURT/HANNOVER. Nach dem vorläufigen Scheitern des „Schultrojaners“ gängeln Kultusministerien die Schulen, um Verstößen gegen das Urheberrecht auf die Spur zu kommen. In Thüringen werden Lehrer verpflichtet, Kopierlisten zu führen. In Niedersachsen sollen nun offenbar die Schulleiter die Schul-Computer durchforsten.

Schöne neue Datenwelt: Mehr als 400 Schul-Computer sollten jährlich ausgespäht werden. Illustration: Gerd Altmann / pixelio.de
Schöne neue Datenwelt: Mehr als 400 Schul-Computer sollten jährlich ausgespäht werden. Illustration: Gerd Altmann / pixelio.de

Ursprünglich sollte ein Spähprogramm stichprobenartig auf Schulcomputern nach urheberrechtlich geschützten Werken suchen – was zu großer Empörung bei den Lehrerverbänden sorgte. Sogar Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) schaltete sich ein und nannte es ein „Ärgernis“, dass „die Schulgemeinschaft unter Generalverdacht“ gestellt werde. Tatsächlich knickten die Kultusministerkonferenz und die Schulbuchverlage, die sich zum Schutz des Urheberrechts auf die Maßnahme verständigt hatten, unter dem Druck ein und kündigten an, den sogenannten Schultrojaner „bis auf weiteres, jedenfalls nicht im Jahr 2012“ einsetzen zu wollen. Doch was nun? Der bereits im Dezember 2010 geschlossene Vertrag sieht vor, dass die Bundesländer gegen mögliche Verletzungen des Urheberrechts – insbesondere das verbotene Digitalisieren von geschützten Inhalten – vorgehen. Thüringen und Niedersachsen preschen jetzt offenbar vor.

In einer Dienstanweisung des Thüringer Kultusministeriums heißt es:

  • „Die Schulleiterin/der Schulleiter überprüft in regelmäßigen Abständen die Einhaltung der Bestimmungen des Gesamtvertrages an der Schule. Dazu ist von jeder Lehrkraft eine Übersicht zu führen, in der fortlaufend eingetragen wird, was, wann, aus welcher Quelle in welcher Anzahl kopiert wurde. Diese Übersichten sind von der Schulleitung regelmäßig zu prüfen.“
  • „Für Überprüfungen durch die Aufsichtsbehörde sind die entsprechenden Unterlagen an der Schule aufzubewahren.“
  • „Im Schuljahr 2011/2012 hat jede Schule zu einem noch zu benennenden Stichtag eine Bestätigung zu erbringen, dass sich auf den von den Schulen genutzten lokalen und externen Rechnern und Speichersystemen, ob eigen- oder fremdbetrieben, keine Digitalisate von für den Unterrichtsgebrauch an Schulen bestimmten Werken befinden.“

Für den Thüringer Lehrerverband (TLV) ist die Anweisung aus dem Haus von Kultusminister Christoph Matschie (SPD) ein Unding – er fordert die Rücknahme des Erlasses. „Solche umfangreichen und bürokratischen Verfahren zur Umsetzung des Vertrages zum Urheberrecht in Schulen sind dem TLV aus keinem anderen Bundesland bekannt“, heißt es in einer Pressemitteilung des Verbandes. „Darüber hinaus stellt das Führen und Kontrollieren dieser Listen eine weitere Mehrbelastung der Thüringer Schulen dar. Statt endlich für Entlastung und ausreichend Mittel für die Beschaffung von modernen Lehr- und Lernmitteln zu sorgen, werden durch das Ministerium den Schulen immer neue Aufgaben aufgedrückt, ohne dass irgendetwas weggelassen werden darf.“

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„Schulleitungen als Hilfspolizisten“

Auch in Niedersachsen gibt es Ärger, nachdem die Landesschulbehörde die Schulleitungen aller öffentlichen Schulen im Land aufgefordert hat, „zu überprüfen, ob sich auf den von den Schulen genutzten lokalen und externen Rechnern und Speichersystemen, ob eigen- oder fremdbetrieben, keine Digitalisate von für den Unterrichtsgebrauch an Schulen bestimmten Werken befinden“. Dies soll dann der Landesschulbehörde in einer schriftlichen Erklärung bestätigt werden. Kultusminister Bernd Althusmann (CDU) mache damit die Schulleitungen zu „Hilfspolizisten“, schimpft die schulpolitische Sprecherin der Grünen-Landtagsfraktion, Ina Korter. Sie will vom Kultusministerium in einer parlamentarischen Kleinen Anfrage wissen, wie denn die Kontrolle zu erfolgen habe und welche Konsequenzen Schulleitern drohten, wenn sich dann doch noch geschützte Werke auf irgendeinem Schulrechner befänden. Korters letzte Frage ist wohl eher rhetorisch gemeint: „Welche Auswirkungen auf das Schulklima sind nach Auffassung der Landesregierung zu befürchten, wenn sich die Schulleitungen als Kontrolleure aller von den Schulen genutzten lokalen und externen Rechner und Speichersysteme betätigen?“ NINA BRAUN

(5.2.2012)

Zum Bericht: „‚Schultrojaner‘ steht vor dem Aus“

 

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