Prozess um Amok-Alarm: 14-jährigem Schüler drohen zehn Jahre Haft

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MEMMINGEN. Mit Waffen seines Vaters hat ein 14-Jähriger vor acht Monaten einen Amok-Alarm an einer Schule im bayerischen Memmingen ausgelöst. Jetzt muss sich der jugendliche Schütze vor Gericht verantworten. Der Vorwurf lautet unter anderem auf zwölffachen versuchten Totschlags.

Die Lindenschule in Memmingen ist eine Grund- und Hauptschule. Foto: TV Memmingen
Die Lindenschule in Memmingen ist eine Grund- und Hauptschule. Foto: TV Memmingen

Der Vorfall hielt die Menschen in Memmingen einen Tag lang in Atem: Am 22. Mai 2012 gab ein Achtklässler in der Lindenschule einen Schuss ab und löste einen Amokalarm aus. Später schoss er mit scharfen Waffen seines Vaters auf einem Sportplatz mehrmals um sich. Auf den Tag genau acht Monate nach den Ereignissen muss sich der heute 15-Jährige vom kommenden Dienstag (22. Januar) an vor dem Landgericht Memmingen verantworten. Dort erwartet ihn eine umfangreiche Beweisaufnahme. Die Staatsanwaltschaft hat nach Angaben des Gerichts fünf Sachverständige und 80 Zeugen benannt. Die nicht öffentliche Verhandlung vor der Jugendkammer ist auf fünf Tage angesetzt.

Dem jugendlichen Schützen werden unter anderem zwölffacher versuchter Totschlag, unerlaubter Waffenbesitz und Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte vorgeworfen. Zwar wurde durch seine Taten niemand verletzt. Als Polizisten ihn am Sportplatz festnehmen wollten, soll er aber teilweise gezielte Schüsse in ihre Richtung abgegeben haben. Mehr als 70 Patronenhülsen waren sichergestellt worden. Mehrere Polizeiautos wurden von Kugeln getroffen.

Vorwurf: Versuchter Totschlag

Ein Schwerpunkt des Verfahrens wird nach Angaben der Memminger Staatsanwaltschaft die Klärung der Frage sein, wie gezielt der Schüler auf die Beamten geschossen hat. «Der versuchte Totschlag ist der schwerste Vorwurf», sagt Oberstaatsanwalt Johann Kreuzpointner. Neben einem ballistischen Gutachten sollen die Zeugenaussagen mehrerer Beamten darüber Aufschluss geben.

Es waren dramatische Stunden, die sich an jenem Tag in Memmingen abspielten. Kurz nach Mittag betrat der damals 14-Jährige mit scharfen Waffen die Mensa der Mittelschule, bedrohte mehrere Menschen und gab einen Schuss ab. Die etwa 280 Schüler verschanzten sich mit den Lehrern in ihren Klassenzimmern. Mit mehrmaligen Lautsprecherdurchsagen wurden sie aufgefordert, die Räume nicht zu verlassen. «In meiner Klasse haben alle geweint, wir hatten alle Angst», erzählte der zwölfjährige Mehmet aus der fünften Klasse später.

Ein Spezialeinsatzkommando durchsuchte die Schule mehrmals. Doch der Schütze war bereits geflüchtet. Ein Großaufgebot von Polizisten mit Hunden und Hubschraubern entdeckte ihn auf einem Sportplatz in einem Memminger Stadtteil. Trotz der ausweglosen Lage gab der Junge nicht auf. Er verschanzte sich in einer Hütte und hielt die Polizei mit zahlreichen Schüssen auf Distanz. Erst nach mehrstündigen Verhandlungen konnten ihn Spezialkräfte zur Aufgabe bewegen.

Nach seiner Festnahme war der Schüler zunächst in einer psychiatrischen Klinik untergebracht. Seit Herbst befindet er sich in Untersuchungshaft. Ein Gutachter hat ihn für voll schuldfähig erklärt. Bei einer Verurteilung drohen ihm bis zu zehn Jahre Jugendstrafe.

Motiv: wahrscheinlich Liebeskummer

Warum er zu den Waffen gegriffen und mehrere Menschen bedroht hat, ist bislang unklar. Nach Kreuzpointners Angaben hat sich der Schüler bis zur Anklageerhebung weder zur Tat noch zum Motiv abschließend geäußert. Er bestreite jedoch einen Tötungsvorsatz. Die Staatsanwaltschaft vermutet Liebeskummer. «Seine Freundin hat einen Tag vorher Schluss gemacht. Wir gehen davon aus, dass das der Auslöser war», erklärt Kreuzpointner. Die Anwältin des Jungen kündigte an, dass er sich bei der Verhandlung äußern werde.

Auch gegen den Vater des 15-Jährigen wird ermittelt. Dem Sportschützen gehörten die Waffen, mit denen der Schüler um sich schoss. Eine Woche nach dem Amokalarm hatte die Polizei im Haus der Familie 37 Waffen sichergestellt. Sie waren in einem Raum gelagert, der durch eine Stahltür mit Sicherheitsschloss gesichert war. Der Schlüssel zu dieser Tür wurde in einem Tresor mit elektronischem Zahlenschloss aufbewahrt. Die Ermittler gehen davon aus, dass der Sohn das Zahlenschloss so manipuliert hat, dass er an den Schlüssel für den Waffenraum gelangen konnte. dpa

(18.1.2013)

Zum Bericht: „Amok-Alarm in Memmingen: Schüler entschuldigt sich“

 

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