Ein Selbstversuch: Ein halbes Jahr ohne Internet

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KÖLN. Alex Rühle las auf der Bildungsmesse „didacta“ aus seinem Tagebuch „Ohne Netz – Mein halbes Jahr offline“. Von Dezember 2009 bis bis Mai 2010 hatte er freiwillig aufs Internet verzichtet.

Nein, Alex Rühle hat nichts von einem Schrat an sich. Wie er bei der „didacta“ in Köln vor das Publikum tritt – Jeans, Pullover, gepflegte Kurzhaarfrisur – könnte er ohne Weiteres nach der Lesung im Strom der Besucher untertauchen.

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Alex Rühle entsagte ein halbes Jahr dem Internet. Foto: Florian Schneider / pixelio.de

Auf der weltgrößten Bildungsmesse stellte er sein Tagebuch „Ohne Netz – Mein halbes Jahr offline“ vor, das in einer gekürzten Fassung als Lektüre für den Deutschunterricht der 9. Und 10. Klasse erschienen ist. Von Dezember 2009 bis Mai 2010 hatte der Feuilleton-Redakteur der Süddeutschen Zeitung freiwillig auf das Internet verzichtet. Zuvor sei der „Internet Junkie“, wie er sich selbst bezeichnete, nahezu 24 Stunden am Tag online gewesen – beruflich, wie privat.

Rühle beschreibt seine Erfahrungen in teilweise satirisch zugespitzten Anekdoten und berichtet, welchen Problemen er sich bei seinem Entzug gegenübersah. Besonders bei der Arbeit habe er auch Duck von außen erhalten. Im Privatleben dagegen habe er den Verzicht zum Teil wie eine Befreiung empfunden. Erstmal seit Langem habe er wieder ein Wochenende gehabt, sei die gläserne Wand zwischen Berufs- und Privatleben wieder geschlossen gewesen.

Die Reaktionen seiner Umwelt fasst er in drei Altersgruppen zusammen: Die Generation der über 65-jährigen („Na und – ich bin mein ganzes Leben lang offline“), die Reaktionen der Mitglieder seiner eigenen Alterskohorte, rund um das 40ste Lebensjahr, die ihn beinahe wie ein „Erleuchteten aus dem Urgrund des Seins“ betrachtet hätten und der rund 20-jährigen, die auf sein Experiment mit nahezu völligem Unverständnis reagiert hätten.

Und hier zeigt sich auch bei seinem Vortrag, das Rühle nicht einfach nur ein unterhaltsames Tagebuch geführt hat, sondern bewusst Stellung nimmt zu aktuellen Diskussionen, um Gefahren und Chancen des Internets. Und das auf künstlerische Weise, wenn er etwa Jugendliche in grimmelshausenscher Barocksprache zur Diskussion auffordert, ein Versuch, der allerdings in einer „Gewaltandrohung“ seinen erfolglosen Abschluss fand.

Rühles Tagebuch bietet mithin auch auf der sprachlichen Ebene einen Ansatz für den Deutsch-Unterricht, wie Rühles Mit-Referentin Kerstin Sonnenwald erläutert, die das Lehrerhandbuch zur Lektüre verfasst hat. Anschaulich zeigt sie, wie mit Hilfe der Lektüre Themen wie der Generationenkonflikt, die Geschichte der Technik oder auch Suchterscheinungen und Verzicht im Unterricht aufbereitet werden können.

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„Ohne Netz“ ermögliche dabei insbesondere auch eine Schüler-Lehrer-Diskussion auf Augenhöhe. Wenn Rühle beispielsweise die heutige vor Allem technologieskeptisch geführte Debatte um das Internet und seine Erscheinungsformen in Analogie setze, zur Debatte um die Eisenbahn im 19. Jahrhundert, dann sei dies durchaus eine Anregung, auch die eigene Haltung zu überdenken. (News4teachers)

(22.02.2013)

Die Lektüre und das Lehrerhandbuch sind erschienen in der Reihe „Zoom – näher dran!“

• Alex Rühle: Ohne Netz: Mein halbes Jahr offline, Ernst Klett Verlag, Stuttgart, 144 S., Euro 6,99, ISBN 978-3-12-666902-3 (3-12-666902-6)

• Kerstin Sonnenwald: Ohne Netz – Mein halbes Jahr offline – Lehrerhandbuch, Euro 12,99, ISBN 978-3-12-666901-6 (3-12-666901-8)

 Internetplattform „Ohne Netz“ (Klett Verlag)

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