Gutachten: Umstrittene Privatschulverordnung ist rechtswidrig

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SCHWERIN. Die neue Privatschulfinanzierung im Nordosten droht vielen Einrichtungen die Luft abzuschnüren, sagen Repräsentanten der Branche. Ein Rechtsgutachten scheint ihre Positionen jetzt zu stärken.

Die umstrittene Privatschulverordnung in Mecklenburg-Vorpommern ist einem juristischen Gutachten zufolge rechtswidrig. Sie bewegt sich nicht im Rahmen des geltenden Schulgesetzes, wie der Gutachter Wolfgang März in Schwerin sagte. Dort stellte der Rostocker Jura-Professor am Donnerstag das 59 Seiten umfassende Papier vor, das von der Grünen-Landtagsfraktion in Auftrag gegeben worden war.

So sei im Gesetz festgelegt, dass die allgemeinbildenden und Berufsschulen in freier Trägerschaft vom Land bis zu 85 Prozent der Personalkosten staatlicher Schulen erhalten. Die im August 2013 in Kraft getretene Verordnung besage hingegen: Wenn die Personalkosten einer Privatschule niedriger sind als im Schnitt der staatlichen Schulen, dann gibt es nur 85 Prozent der wirklich anfallenden Kosten. Nach Schätzung der Grünen-Fraktion im Landtag spart das Land damit sechs Millionen Euro allein in diesem Jahr und zehn Millionen Euro im kommenden Jahr, weil an den Privatschulen (noch) viele junge Lehrkräfte arbeiten. Sie verdienen weniger als ältere.

Bereits in diesem Schuljahr wurden die Zuschuss-Zahlungen an die Schulen in freier Trägerschaft gekürzt, wie der Sprecher der Landesarbeitsgemeinschaft Freier Schulen in Mecklenburg-Vorpommern, Thomas Weßler sagte. Wie viel weniger als zuvor jede einzelne Schule bekommt, werde wohl genau erst nach Ablauf des Schuljahres bekannt sein. Nach Ansicht der Arbeitsgemeinschaft ist die neue Verordnung für freie Schulen existenzbedrohend.

Durch das Rechtsgutachten von Professor März sieht sich die Arbeitsgemeinschaft in ihrer Position gestärkt, dass die neue Verordnung rechtswidrig ist. «Wir erwarten vom Bildungsminister die Rücknahme», sagte Weßler. «Wir sehen uns bestätigt.» Die Arbeitsgemeinschaft arbeitet schon seit einiger Zeit an einer Normenkontrollklage für das Oberverwaltungsgericht in Greifswald. Diese werde aber nur eingereicht, falls es nicht in Gesprächen gelingt, zu einer befriedigenden und rechtlich sauberen Lösung zu kommen.

Gerichtsgebäude
Privatschulen müssen sich offenbar nicht mit den geringeren Zuschüssen begnügen. Foto: Michael Grabscheit / pixelio.de

Das Bildungsministerium reagierte zurückhaltend auf die Vorlage des Gutachtens. «Die Juristen des Bildungsministeriums gehen davon aus, dass alle Verordnungen rechtskonform sind», sagte Sprecher Henning Lipski. Das Gutachten, das von der Landtagsfraktion der Grünen in Auftrag gegeben worden war, werde gründlich geprüft. Danach werde man sich im Ministerium eine Meinung bilden.

Die Grünen wollen den Landtag schon nächste Woche feststellen lassen, dass die Privatschulverordnung dem Schulgesetz widerspricht. Die Landesregierung soll aufgefordert werden, die Verordnung aufzuheben und den Schulen in freier Trägerschaft die finanziellen Einbußen zu erstatten.

Vielleicht finden sie dafür sogar eine Mehrheit im Parlament, denn auch die Linken und die CDU halten die Privatschulen in Mecklenburg-Vorpommern für unterfinanziert. Das Rechtsgutachten nähre aus seiner Sicht die Zweifel an der Rechtskonformität der Verordnung, sagte der bildungspolitische Sprecher der CDU, Torsten Renz, am Dienstag. «Es sollte unverzüglich daran gearbeitet werden, dass eine neue Privatschulverordnung erlassen wird, die die Existenz der Schulen in freier Trägerschaft nicht gefährdet, sondern langfristig sichert.» Auch eine Änderung des Schulgesetzes könne in dem Zusammenhang ein sinnvoller Weg sein. Die SPD sprach hingegen mit Blick auf das Gutachten von «altem Wein in neuen Schläuchen».

Die Bildungspolitikerin der Linken, Simone Oldenburg, sprach sich für eine Gesetzesänderung aus. So bekämen Berufsschulen in freier Trägerschaft teilweise nur Finanzhilfen in Höhe von 50 Prozent der Kosten staatlicher Schulen. «Dies ist inakzeptabel, da sich das Land gerade bei der Ausbildung im Gesundheits- und Pflegebereich aus der Verantwortung gestohlen hat und diese heute vorrangig an privaten Berufsschulen stattfindet», sagte Oldenburg. Iris Leithold/dpa

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