HEPPENHEIM. Die krisengeschüttelte Odenwaldschule hat sich dem Druck der Aufsichtsbehörden gebeugt und einen organisatorischen Umbau beschlossen. Sie entschied am Freitagabend bei einer außerordentlichen Sitzung in Heppenheim, ihre Rechtsform zügig zu ändern und nicht mehr ein eingetragener Verein zu sein. Gegründet werden soll eine gemeinnützige Betriebs-GmbH, wie der Vorsitzende des Schul-Trägervereins, Gerhard Herbert, mitteilte. Ihr alleiniger Gesellschafter wird eine ebenfalls neue Stiftung. Der Trägerverein wird zu einem Förderverein.
Bei rund 30 Stimmen habe es kein Gegenvotum und nur eine Enthaltung gegeben, sagte Herbert. «Die Diskussion war sehr konstruktiv.» Die Sprecherin der Odenwaldschule bezeichnete den Beschluss in einer Mitteilung als «wichtige Weichenstellung für die Zukunft». Die Stiftung soll Geldgeber gewinnen. Die Schule will in finanziell ruhigeres Wasser kommen. Nach einem Missbrauchsskandal ist die Schülerzahl des einstigen Vorzeige-Internats der Reformpädagogik auf etwas über 140 deutlich zurückgegangen. Die Aufsichtsbehörden müssen dem Umbau noch zustimmen. Die Schule setzte zum Schulbeginn vor wenigen Wochen bereits ein neues Internatskonzept um.
Das hessische Sozialministerium geht davon aus, dass das Organisationskonzept noch in diesem Jahr bis zum 1. Dezember zur Genehmigung vorgelegt wird. Wegen finanzieller Probleme der Schule wird eine Befristung auf dieses Schuljahr aber nicht ausgeschlossen. «Wir haben immer gesagt, dass wir einen neuen Träger für sehr sinnvoll erachten», erklärte eine Sprecherin am Samstag. «Den Antrag werden wir dann sorgfältig prüfen.»
Die Aufsichtsbehörde hatte bereits vor zwei Monaten angekündigt, die Betriebsgenehmigung solle begrenzt werden. Da die Odenwaldschule sich mit dem Wechsel der Rechtsform beeilte, soll nun mit einer Entscheidung noch abgewartet werden, bis diese neue Struktur zur Genehmigung vorliegt. Der organisatorische Umbau spielt damit eine entscheidende Bedeutung für den Fortbestand des Privatinternats.
In der Odenwaldschule war 2010 ein lange vertuschter sexueller Missbrauch von Schülern bekanntgeworden. Laut einem Bericht gab es mindestens 132 Opfer, Opfer-Vertreter gehen von wesentlich mehr aus. Es folgten Streit, Entlassungen und Geldprobleme.
Die vor mehr als 100 Jahren gegründete Odenwaldschule zählte früher zu den begehrtesten Reformschulen in Deutschland. Viele Schüler wurden später bekannte Persönlichkeiten, so etwa der Schriftsteller Klaus Mann und der Grünen-Politiker Daniel Cohn-Bendit. Der frühere Bundespräsident Richard von Weizsäcker schickte einen seiner Söhne auf das Internat. dpa
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