KIEL. Ihr Traum war es, Lehrerin zu werden. Und diesen Traum setzte eine Frau aus Wismar mit gefälschten Zeugnissen jahrelang um. Mancher Schüler beschwerte sich über ihre Leistung, doch erst 2013 flog sie auf. Nun kam das Urteil. Aber auch die Behörden waren nicht ohne Fehler.
Vor mehr als 20 Jahren fing es an. Das Hochstapler-Leben. Mit dem Manipulation eines Lehrerdiploms für eine Anstellung in Wolgast (Mecklenburg-Vorpommern). Es folgten Stationen als Lehrerin in Brandenburg, Berlin, Schleswig-Holstein und wieder Mecklenburg-Vorpommern. Alle diese Stellen – und eine Verbeamtung – hat eine jetzt 50 Jahre alte Frau aus Wismar nach Ansicht des Kieler Amtsgerichts nur bekommen, weil sie mit hoher krimineller Energie immer wieder fälschte: diverse Zeugnisse und Urkunden wie Staatsexamen selbst herstellte.
Am Mittwoch wurde die kleine rundliche Frau mit den dunklen Locken nun wegen Urkundenfälschung und Betrugs zu zwei Jahren Haft auf Bewährung verurteilt. Verhandelt wurden die Fälle aus Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern aus den Jahren 2008 bis 2013. Auch Verteidigung und Staatsanwaltschaft hatten Bewährungsstrafen gefordert. Die Frau habe einen hohen Schaden angerichtet, aber sie werde nie wieder als Lehrerin arbeiten können, sagte der Staatsanwalt in seinem Plädoyer. «Sie ist bundesweit bekannt, als eine Frau, die keine Staatsexamina hat.»
Nur drei der vielen Zeugnisse der Angeklagten sind echt: das Abschlusszeugnis der Polytechnischen Oberschule in Wismar, ihr Ausbildungszeugnis als Krankenschwester und ein DDR-Diplom als Lehrerin für Deutsch und Staatsbürgerkunde mit der Note «befriedigend». Nach der Wende schönte die Frau, die nach eigenen Angaben schon als Kind Lehrerin werden wollte, aus Angst vor Arbeitslosigkeit ihre Vita. Aus dem Propagandafach Staatsbürgerkunde – das nach der Wende nicht mehr unterrichtet wurde – wurde Sozialkunde, aus dem «befriedigend» ein «sehr gut».
1991 begann die Frau in Wolgast mit ihrem manipulierten Diplom an einem Gymnasium zu unterrichten. Als dort Zweifel an ihrem Diplom auftauchten, wechselte sie 1995 nach Neuruppin, 2000 nach Berlin. Dort ließ sie sich im Zusammenhang mit einem Disziplinarverfahren entlassen. Das hinderte sie aber nicht, mit falschen Papieren ab 2008 an einem Gymnasium in Mölln als Studienrätin tätig zu werden. Als Diplomlehrerin hätte sie in Schleswig-Holstein nie den Beamtenstatus erhalten, höchstes angestellte Lehrerin werden können, wie die Richterin sagte. Aber nur mit dem Fach Deutsch wäre selbst das chancenlos gewesen.
In Mölln gab es bald Probleme. Schüler beschwerten sich, dass sie nichts lernten, der Unterricht zu einfach sei. «Das kommt sicherlich nicht häufig vor», sagte der Staatsanwalt. Die Richterin urteilte, die Angeklagte habe den Schülern qualifizierten Unterricht verwehrt, Klausuren verschwanden, die Angeklagte fehlte häufig unentschuldigt. «Glücklicherweise» habe sie keine Abschlussprüfungen abgenommen. Als gegen die 50-Jährige ein Disziplinarverfahren wegen Fehlzeiten eingeleitet wurde, wurden auch ihre Unterlagen genauer überprüft. Anfang 2013 wurde sie dann aus dem Beamtenverhältnis entlassen.
Das hinderte die Angeklagte, der die Richterin mit Bezug auf einen Gutachter narzisstische und asoziale Züge attestierte, aber nicht daran, sich an zwei Schulen bei Schwerin zu bewerben und Anstellungen zu bekommen. Die Schulleitung der ersten Schule bescheinigte der Frau gute Arbeit. An der zweiten Schule war sie nur einen Tag tätig, bis die alleinerziehende Mutter eines neunjährigen Jungens endgültig aufflog.
Auf die Behörden wirft das jahrelange Treiben der falschen Lehrerin nicht unbedingt ein gutes Licht: Die eingereichten Unterlagen wurden weder von den Ministerin noch Schulämtern gründlich geprüft: Die Datumsangaben, Rechtschreibfehler und auch das Layout manches Schriftstückes hätten Zweifel an der Echtheit wecken müssen, wie die Richterin sagte.
Das alte Leben der Angeklagten ist zusammengebrochen. Sie ist keine Studienrätin mehr, lebt von Hartz IV. Jetzt muss sie versuchen, ein neues, ein echtes Leben aufzubauen. Die Sozialprognose sei günstig, sagte die Richterin, die Chancen in ihrem erlernten Beruf als Krankenschwester einen Job zu finden, gut. Finanziell wird ihre Zukunft allerdings nicht sehr rosig aussehen: So muss sie in monatlichen Raten unter anderem 133 000 Euro an Schleswig-Holstein an fälschlicherweise gezahlten Gehälter zurückzahlen. Von Birgitta von Gyldenfeldt, dpa