Heterogenität auch an der Uni: Zahl der Studenten ohne Abitur auf Rekordniveau

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BERLIN. Nicht nur die Schülerschaft, auch die Gruppe der Studierenden wird immer bunter und vielfältiger: Studenten haben heute nicht mehr unbedingt Abi. Und viele wollen in Teilzeit zur Uni gehen, um ihre Kinder zu betreuen oder im Beruf fit zu bleiben.

Zunehmend heterogene Studentenschaft: Fassade der Berliner Humboldt-Universität. Foto: Rolf Handke / pixelio.de
Zunehmend heterogene Studentenschaft: Fassade der Berliner Humboldt-Universität. Foto: Rolf Handke / pixelio.de

Gut 50.000 der 2,7 Millionen Studierenden in Deutschland haben kein Abitur. Diese «Schallmauer» wurde nach aktuellen Berechnungen im vorigen Jahr durchbrochen, nachdem sich die Zahl der Studenten ohne allgemeine Hochschul- oder Fachhochschulreife zwischen 2010 und 2014 schon auf 49.800 verdoppelt hatte. Wie das Centrum für Hochschulentwicklung (CHE) am Dienstag weiter mitteilte, steigt die Nachfrage nach einem Studium ohne Abi seit zwei Jahrzehnten kontinuierlich.
Voraussetzung für die Bewerbung um einen Studienplatz ohne Hochschul- oder Fachhochschulreife ist zumindest eine abgeschlossene Berufsausbildung sowie der Nachweis entsprechender Berufserfahrung. Interessierten stehen bundesweit knapp 7000 Studienangebote offen.

Die Zahl der Erstsemester ohne Hochschulzugangsberechtigung erreichte 2014 mit 14.000 ebenfalls einen neuen Rekordwert. Nach Angaben des bei der Bertelsmann-Stiftung angesiedelten CHE entsprach dies einem Gesamtanteil an den Studienanfängern von 2,8 Prozent.

Einen Boom gab es bei der Zahl der beruflich Qualifizierten, die ein Studium erfolgreich abschlossen – sie kletterte im Vergleich zu 2013 um rund 1000 auf 5300 (plus 22 Prozent). «Vor allem Fachhochschulen haben sich für berufliche Qualifizierte geöffnet», sagte CHE-Expertin Sigrun Nickel. Bei der Fächerwahl entschied sich jeder zweite Erstsemester ohne Abi für einen Studienplatz im Bereich Rechts-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften.

Neben Menschen ohne Abi drängen nach CHE-Daten «Teilzeit-Studenten» in die Hörsäle. Doch wer – etwa aus familiären Gründen oder beruflichen Verpflichtungen – eine Alternative zum Vollzeit-Studium sucht, hat nur begrenzte Auswahl: Aktuell können bundesweit 10,6 Prozent aller Studiengänge in Teilzeit studiert werden. Die rund 170.000 Teilzeit-Studierenden zieht es vor allem an private Hochschulen.

Die Angebote unterscheiden sich laut CHE-Analyse erheblich: Den höchsten Anteil an Teilzeit-Studiengängen im Wintersemester 2015/16 gibt es im Saarland mit 64 Prozent. Dahinter liegen Hamburg mit 42,6 Prozent und Brandenburg, wo jeder dritte Studiengang in Teilzeit studiert werden kann. Neun Länder haben eine Quote unter 10 Prozent.

CHE-Geschäftsführer Frank Ziegele sagte: «Die aktuellen Zahlen zeigen, dass die Gruppe der Studierenden nicht nur größer wird, sondern auch heterogener. So anspruchsvoll es für die Hochschulen auch klingen mag: Studierende brauchen Angebote, die auf ihre individuelle Bildungsbiografie und Lebenssituation abgestimmt sind.» Das könne ein zusätzliches Betreuungsangebot sein, «aber auch das Seminar nach 18 Uhr oder am Wochenende».

Einen deutlichen Zuwachs gab es zuletzt auch bei Studenten, die über Auslandsprogramme der Europäischen Union (Erasmus+) gefördert wurden. Wie die Nationale Agentur für EU-Hochschulzusammenarbeit im Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD) am Dienstag berichtete, waren es 2014/2015 mehr als 42 000 Studierende und Hochschulangehörige aus Deutschland – eine Steigerung von fast 5 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Neben Studienaufenthalten fördert Erasmus+ auch Auslandspraktika: Fast 7500 deutsche Studierende machten von dieser Möglichkeit Gebrauch – ein Plus von rund 18 Prozent. Von Werner Herpell, dpa

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