Schummeln im digitalen Zeitalter: Spickzettel hat noch längst nicht ausgedient

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POTSDAM. Schüler nutzen bei Prüfungen hin und wieder eine «Erinnerungshilfe». Oft spielt das Smartphone beim Schummeln eine Rolle, ersetzt aber die klassischen Methoden nicht. Gerade in Klausuren sind Handys oft generell verboten. Für Schülervertreter ist die Not zu schummeln auch strukturell bedingt.

Schummeln gehört bei Leistungskontrollen Schulen zum Alltag. Wie eine Umfrage in Brandenburg ergab, laufen technische Geräte wie das Smartphone herkömmlichen Hilfsmitteln oder dem schlichten Abgucken beim Nachbarn aber längst noch nicht den Rang ab. «Die Klassiker sind nach wie vor der Spickzettel oder Notizen auf leeren Blättern», sagt der Sprecher des Landesschülerrats, Maurice Heilmann. Die Ausrede dazu sei häufig, dass die Zettel als Lernkarten gedient hätten. Ab und an würden die Notizen auch mit dem Smartphone abfotografiert und als Hintergrundbild verwendet.

Wenn man schon betrügen will, sprechen trotz Smartphones auch heute noch praktische Aspekte für den Spickzettel. Foto: Hariadhi / Wikimedia Commons (CC BY 2.5)
Wenn man schon betrügen will, sprechen trotz Smartphones auch heute noch praktische Aspekte für den Spickzettel. Foto: Hariadhi / Wikimedia Commons (CC BY 2.5)

«In großen Klausuren ist das Schummeln mit Smartphones aber nahezu unmöglich», erläutert Heilmann. Denn die Geräte würden vor der Prüfung häufig vom Lehrer eingesammelt. Zudem sei der Blick auf den leuchtenden Bildschirm oft auffälliger als der auf Hefter oder Spickzettel.

Der Landesvorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), Günther Fuchs, hat in seiner Lehrertätigkeit schon einige Schummelversuche erlebt. «Man muss klare Regeln dafür treffen, in welcher Form das Smartphone im Unterricht zum Zuge kommen darf», sagt er. Das sei in erster Linie in der Hausordnung der jeweiligen Schule festzuhalten. Besser noch wäre es aus Sicht des GEW-Landesvorsitzenden, wenn das Land einen Leitfaden dazu erarbeiten würde. Denn das Einziehen von Smartphones sei ohne solche Regelungen manchmal rechtlich schwierig.

Dass technische Geräte wie Smartphones oder Notebooks im Unterricht zum Einsatz kommen sollten, befürwortet Fuchs aber grundsätzlich. «Sie haben ihre Berechtigung und können den Lernprozess positiv verändern», gibt er zu. Der Ansicht ist auch Maurice Heilmann. Zwar seien die klassischen Lehrmethoden immer abrufbar und verlässlich. «Das Buch stößt aber in Sachen Aktualität und Zusatzwissen an seine Grenzen», sagt er.

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Darüber hinaus fordert der Landesschülerrat eine Abkehr vom «Bulimielernen», wie Heilmann stures Einpauken bis zur Erschöpfung nennt. Stattdessen müsse es hin zur anwendungsorientierten Wissensaneignung gehen. «Im späteren Leben reicht auch zu wissen, wo etwas steht», sagt Heilmann. Mancher Stoff jedoch müsse nach wie vor auswendig gelernt werden, um die Basis für Experimente oder Aufsätze zu schaffen. «Der Einsatz von Technik darf nicht zulasten des Erwerbs von Grundkenntnissen gehen», betont Fuchs in dem Zusammenhang.

Dass Schüler – wie manchmal behauptet – bei einer Leistungskontrolle schummeln müssen, weil sie das Stoffpensum etwa wegen langer Fahrtwege zur Schule nicht schaffen konnten, dafür hat Fuchs kein Verständnis. «Lehrer haben sich bei der Schwere der Aufgaben am mittleren Durchschnitt der Klasse zu orientieren», erklärt er. Aber auch nach seiner Ansicht muss über die teils zu hohe Unterrichtsbelastung von Schülern geredet werden.

Nicht nur an Schulen gibt es Betrugsversuche. Auch Studenten an Brandenburgs Hochschulen benötigen manchmal «Erinnerungshilfen» in Klausuren. «Wir haben klare Regelungen zum Umgang mit Täuschungen», sagt die Sprecherin der Universität Potsdam, Silke Engel. Laut Studien- und Prüfungsordnung hat ein Täuschungsversuch, sofern er denn auffällt, in jedem Fall die Folge, dass die Leistung mit «nicht ausreichend» bewertet wird.

Das gilt der Sprecherin zufolge auch für Plagiatsvorfälle in wissenschaftlichen Arbeiten. Wobei Betrugsversuche in diesem Fall schon nicht mehr als «Schummeln» bezeichnet werden könnten, sondern strafrechtliche Relevanz hätten. «Die Humanwissenschaftliche Fakultät ist in Besitz einer Lizenz zur Plagiatsprüfung von wissenschaftlichen Abschlussarbeiten und Seminararbeiten», sagt Engel. Die Software stehe allen Lehrenden kostenlos zur Verfügung. (Christian Bark, dpa)

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