Schülervertreter und Landesregierung streiten über 16.480 Stunden Unterrichtsausfall

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WIESBADEN. Um den Unterrichtsausfall ist in Hessen – mal wieder – Streit entbrannt. Es geht im Kern um die Frage, warum es keine offiziellen Daten gibt. Nun hat die Schülerschaft die Sache in die Hand genommen.

Unterrichtsausfall führt zu ziemlich unproduktiven Schultagen.                Foto: Universität Salzburg (PR) / flickr / CC BY 2.0

Der Aufruf ging von der Landesschülervertretung an alle hessischen Schulen: «Bitte schickt uns eine Kopie des Vertretungsplans!» Bei der Stichprobe ging es um Zahlen zum Unterrichtsausfall. Von offizieller Seite werden die Krankheitstage von Lehrern – und die ausgefallenen Stunden mit und ohne Vertretung – nicht erfasst. Die Momentaufnahme der Umfrage vom 11. April ist nach Aussage von Landesschulsprecher Fabian Pflume «erschlagend».

Knapp 100 Schülervertretungen hätten sich beteiligt und die Vertretungspläne geschickt – allein an diesen Schulen seien mehr als 1.600 Stunden ausgefallen, knapp 1.550 wurden vertreten. «Wir haben eine hohe Zahl erwartet, aber dieses Ergebnis ist jenseits jeder Erwartung», erklärt Pflume. Rechne man das Ergebnis auf alle weiterführenden Schulen Hessens hoch, käme man auf 16.480 ausgefallene Stunden.

Die Landesschülervertretung sieht «akuten Handlungsbedarf» und fordert unter anderem, mehr Lehrer auszubilden. Außerdem müsse die Landesregierung den Ausfall ernster nehmen. «Das Nicht-Erheben von Daten bringt nichts. Derartige Taschenspielertricks helfen niemandem», sagt Pflume.

Das Ministerium prüfe derzeit, ob die Krankheitstage von Lehrern künftig statistisch erfasst werden können, sagt der Sprecher Stefan Löwer. Es seien aber noch datenschutzrechtliche Fragen zu klären. Löwer betont, dass die vorgeschriebene Stundentafel in Hessen zu rund 105 Prozent mit Lehrern abgedeckt sei.

Mehr als peinlich

Dieser fünfprozentige Puffer diene jedoch nicht vorrangig dazu, dass kranke Kollegen vertreten werden. Die Stunden sollten für Zusatzangebote verwendet werden. In Hessen gibt es an rund 1.800 öffentlichen Schulen etwa 53.500 Lehrerstellen.

Die Umfrage der Schülervertretung sei «weder repräsentativ noch fundiert», da sie auf freiwilligen Rückmeldungen basiere, urteilt der Ministeriumssprecher. Schon gar nicht könnten diese gemeldete Unterrichtsausfälle auf alle Schulen in Hessen hochgerechnet werden.

Das sieht der schulpolitische Sprecher der FDP-Landtagsfraktion Wolfgang Greilich anders. Die Stichproben der Schülervertretung belegten, dass sich das Kultusministerium bewusst blind stelle. Es sei «mehr als peinlich» für Minister Alexander Lorz (CDU), dass er sich mit seinem riesigen Verwaltungsapparat von der Schülervertretung vorführen lassen müsse, erklärt Greilich.

Selbst wenn ein kranker Lehrer vertreten werde, dann finde in den wenigsten Fällen ein fachlicher Unterricht statt, kritisiert Schülersprecher Pflume. «Natürlich habe ich mich auch oft gefreut, wenn eine Stunde ausgefallen ist oder wir nur einen Vertretungslehrer hatten», sagt er. «Als ich mich auf das Abitur vorbereitet habe, da habe ich dann aber schmerzlich gemerkt, in welchen Fächern viel Unterricht ausgefallen war.» dpa

Lehrermangel? Holt endlich die Studierenden in die Schulen! Ein Gastbeitrag eines jungen Grundschullehrers

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sofawolf
5 Jahre zuvor

Sehr viel Unterricht fällt aus durch alle möglichen außerunterrichtlichen Veranstaltungen. Das ist oft schön für die Kinder, fehlt mir aber alles bei der Durchsetzung der Lehrplanziele. Spielen, meine ich, können die Kinder nachmittags. (Das spräche für die Ganztagsschule im Grundschulbereich.)

Gut einen Monat verlieren wir durch Unterrichtsstörungen. Gut einen weiteren Monat verlieren wir durch Krankheitsfälle und Außerunterrichtliches. Da haben wir im Schnitt zwei Monate weniger. Das bedenkt niemand bei all den Forderungen und Wünschen, was wir im Schuljahr machen und den beibringen sollen.

sofawolf
5 Jahre zuvor
Antwortet  sofawolf

Ein Schuljahr hat also nicht rund 40 Wochen, auf die sicherlich alles bezogen ist, sondern nur 32 Wochen (ohne Ferien). Eigentlich sogar noch weniger, siehe Berechnung unten.

https://www.walchdruck.de/files/Standardtemplate/Downloads/Schulwochen_2017.pdf

xxx
5 Jahre zuvor
Antwortet  sofawolf

interessant ist, dass Bremen trotz vier Wochen mehr Unterricht so signifikant schlechter abschneidet als Bayern. Ja, Großstadtklientel vs. Flächenland und ja, SPD vs. CSU …

omg
5 Jahre zuvor

Die Zahlen sind nur die Spitze des Eisbergs, denn in den Vertretungsplänen stehen ja nicht die Stunden, die die Schulen wegen fehlender Lehrer ohnehin nicht im Stundenplan eingetragen haben, obwohl sie diese geben müssten.
Mal wieder reagiert das HKM hochnäsig peinlich.