Zentralratspräsident Schuster: Antisemitismus noch immer in Schulbüchern präsent

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BERLIN. Werden in deutschen Schulbüchern antijüdische Vorurteile geschürt? Zentralratspräsident Schuster sieht trotz Besserung noch viel Nachholbedarf. Ein Experte sieht «Licht und Schatten».

„Schulbücher, die an den ‚Stürmer‘ erinnern“: Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland. Foto: Freud / Wikimedia Commons (CC BY 3.0)

Deutsche Schulbücher mit antisemitischen Vorurteilen bleiben nach den Worten von Zentralratspräsident Josef Schuster trotz Korrektur der entsprechenden Texte noch lange im Umlauf. «Selbst wenn inzwischen neue und verbesserte Auflagen produziert wurden, finden sich die alten Schulbücher oft noch viele Jahre in den Schulen und werden weiter benutzt», erklärte Schuster am Montag.

In einem Interview mit der Deutschen Presse-Agentur hatte Schuster diese Schulbücher heftig kritisiert. «Es gibt dort zuweilen Bilder, die von antisemitischen Stereotypen geprägt sind und damit eher an den „Stürmer“ erinnern, als dass sie eine sachliche Darstellung bieten würden.» Der «Stürmer» war ein judenfeindliches Nazi-Propagandablatt.

Seine Kritik beruhe auf wissenschaftlichen Untersuchungen, etwa des Georg-Eckert-Instituts für Schulbuchforschung in Braunschweig. Die Wissenschaftler dort seien zu dem Ergebnis gekommen, dass in vielen Schulbüchern beim Thema Nationalsozialismus und Schoa (dem nationalsozialistischen Völkermord an den Juden Europas) die Sicht der Täter eingenommen werde. Antisemitische Darstellungen der NS-Propaganda würden zum Teil kaum eingeordnet. Schuster verwies auf eine Materialsammlung, die der Zentralrat zusammen mit der Kultusministerkonferenz erarbeitet hatte.

Die Qualität der Schulbücher bei der Darstellung der Juden schwanke sehr, sagte David Sadowski vom Eckert-Institut. «Es gibt Licht und Schatten.» Tatsächlich werde beim Thema Holocaust oft viel zu sehr die Täterperspektive eingenommen, etwa durch Zitate von Kommandanten der Vernichtungslager, sagte der Wissenschaftler, Mitautor einer Studie zur Darstellung des Holocaust in Schulbüchern und Lehrplänen. Die Zeugnisse der Opfer kämen viel zu kurz und seien eher einfältig.

Der Wissenschaftler kritisierte auch die Verwendung von NS-Propagandaplakaten als Anschauungsmaterial. Dabei kämen Erklärungen der Hintergründe solcher Hetzbilder zu kurz. «Der Eindruck ist stark, die Kontextualisierung schwach», sagte Sadowski. Auch die Geschichte des Judentums werde immer wieder vor allem als Opfergeschichte nacherzählt, sagte der Historiker, der auch die Arbeit der Deutsch-Israelischen Schulbuchkommission koordiniert. Bei Schulbuchverlagen sehe er indes große Bereitschaft, bisherige Darstellungsformen bei dem Thema Israel und der Geschichte der Juden zu verändern. dpa

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