Kita- und Schulöffnung in Sachsen – „gesittet“, aber nicht ohne Kritik

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DRESDEN. Nach wochenlanger Corona-Zwangspause haben Kitas und Grundschulen in Sachsen am Montag, 18. Mai, wieder ihre Türen geöffnet. Mit bunten Schildern wie „Willkommen zurück“ und „Schön, dass ihr wieder da seid!“ wurden die Mädchen und Jungen vielerorts begrüßt. Einen Alltag wie zuvor gibt es aber nicht – und: die weitreichenden Kita- und Schulöffnungen stehen weiter in der Kritik.

An einigen Grundschulen in Sachsen müssen die Kinder im Schulhaus einen Mundschutz tragen. Foto: Shutterstock

Vor der Regenbogenschule in Dresden bildete sich am Montagmorgen um kurz vor 8 Uhr eine längere Schlange – viele Eltern wollten ihre Kinder am ersten Schultag nach rund zwei Monaten selbst zur Schule bringen. Ein gelb-blaues „Kiss and go“-Schild (Küssen und gehen) machte allerdings deutlich, dass die Eltern das Schulgelände nicht betreten durften.

„Wir sind froh, dass es wieder losgeht. Die Kinder brauchen soziale Kontakte“, sagte die Mutter eines Drittklässlers. Die Mädchen und Jungen begrüßten freudig ihre Freunde, die meisten trugen Mundschutz. Der ist zwar nicht generell Pflicht an den Schulen, „aber wir haben festgelegt, dass bei uns die Schüler einen Mundschutz im Schulhaus tragen müssen“, sagte Schulleiterin Constanze Hänsel. Insgesamt sei der Start „ganz gesittet“ gelaufen. Die Schulkinder hätten umfassende Belehrungen zu den neuen Hygieneregeln erhalten – vom Händewaschen bis hin zu gestaffelten Hofpausen und Essenszeiten. Hänsel zeigte sich zuversichtlich, dass sich in den nächsten Tagen der neue Schulalltag einspielen werde.

Vorerst keine Schulbesuchspflicht

Von den rund 400 Kindern sind am ersten Schultag nach der Corona-Zwangspause etwa ein Dutzend Mädchen und Jungen dem Unterricht ferngeblieben. Denn bis zum 5. Juni können Eltern selbst entscheiden, ob ihre Kinder in der Schule oder zu Hause lernen. Das Kultusministerium hat die Schulbesuchspflicht nach einem Gerichtsbeschluss für Grundschüler vorerst ausgesetzt (wir berichteten). Eltern eines Siebenjährigen hatten in einem Eilverfahren geklagt, weil der Mindestabstand von 1,5 Metern nicht eingehalten wird.

Statt auf Mindestabstand und kleine Gruppen setzt das Kultusministerium bei der Wiedereröffnung von Grundschulen und Kitas auf strenge Hygieneregeln und strikt voneinander getrennte Gruppen. Verbände und Gewerkschaften hatten die Kita- und Schulöffnung im Vorfeld als zu früh kritisiert, zudem fürchten sie Mehrbelastung für die Lehrkräfte sowie Erzieherinnen und Erzieher (wir berichteten).

Piwarz verteidigt Kita- und Schulöffnung

Kultusminister Christian Piwarz (CDU) hingegen verteidigte seinen Entschluss. Die vorherige Notbetreuung habe einen Großteil der Kinder ausgeschlossen. „Wenn ich das vor dem Recht der Kinder auf Bildung betrachte, ist das für mich kein hinnehmbarer Zustand“, sagte der Minister der „Sächsischen Zeitung“. Nach Angaben seines Ministeriums ist das Gesundheitsministerium gebeten worden, Rechtsmittel einzulegen. Denn der Gerichtsentscheid richte sich gegen die Allgemeinverfügung, die das Gesundheitsministerium erlassen hat.

Nach ersten Rückmeldungen von Schulen und Kitas sei der Neustart positiv verlaufen. Zahlen, wie viele Eltern ihre Grundschulkinder vorerst zu Hause lernen lassen, liegen dem Ministerium zufolge bisher aber nicht vor.

Elternvertreter begrüßten die vorübergehende Aussetzung der Schulbesuchspflicht. Landeselternrat und Kreiselternräte hätten das bereits mehrfach angesprochen, hieß es. Nach Einschätzung der Elternvertreter ist die derzeitige Situation an den Schulen nicht tragbar. Sie warfen dem Kultusministerium mangelnde Kommunikation, nicht stimmige Maßnahmen und Vorgaben sowie fehlende längerfristige Konzepte vor.

Eltern müssen mit Einschränkungen rechnen

Auch die Kitas in Sachsen haben seit Montag, dem 18. Mai, im eingeschränkten Regelbetrieb wieder geöffnet. Eltern müssen unter anderem beim Bringen und Holen einen Mundschutz tragen, viele Einrichtungen haben zudem ihre Öffnungszeiten verkürzt, um die neuen Auflagen mit dem vorhandenen Personal stemmen zu können. Außenbereichen wurden teils durch weiß-rotes Absperrband in mehrere Bereiche unterteilt.

Eine Betreuung und Erziehung der Kinder in der gewohnten Qualität sei nicht möglich, so Sachsens Diakonie-Chef Dietrich Bauer. Die Diakonie betreibt in Sachsen 258 Kitas. Die Politik habe es versäumt, den Eltern klarzumachen, dass der Kita-Alltag unter den aktuellen Bedingungen ein ganz anderer sein werde.

In den letzten Tagen gab es laut Diakonie viele Rückmeldungen von Trägern und Einrichtungen, dass die personellen, räumlichen und finanziellen Ressourcen durch die geforderten Hygieneregeln „extrem überdehnt“ werden. Zudem gab es vereinzelt auch Kritik am Konzept der strikt voneinander getrennten Gruppen: „Wie sollen Kinder verstehen, dass wir sie im Zusammenspiel mit Freunden in der Kita trennen müssen und sie sich dann nachmittags auf dem Spielplatz oder im Park oder zu Hause dennoch treffen?“, hieß es in einer Kita. (dpa)

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