Landesgesundheitsamt empfiehlt Maskenpflicht auch im Unterricht – Kultusministerium: „Hochgradig unseriös“

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STUTTGART. Unmittelbar nach Beginn des neuen Schuljahres in Baden-Württemberg ist zwischen Landesgesundheitsamt und Kultusministerium ein Streit um die Maskenpflicht im Unterricht entbrannt. Ein Referatsleiter der Gesundheitsbehörde hat an einer Studie mitgearbeitet, in der empfohlen wird, auch im Klassenzimmer Nasen-Mund-Schutz zu tragen. Einem Bericht des SWR zufolge ist Kultusministerin Eisenmann (CDU) darüber empört. Ihre Sprecherin äußerte sich dem Sender zufolge deutlich: „Dass das Landesgesundheitsamt nun ausgerechnet am ersten Schultag über die Medien bereits lange vereinbarte Regeln in Frage stellt, ist hochgradig unseriös“. Das entspreche nicht einer vertrauenerweckenden Corona-Politik.

Hält nichts von Masken im Unterricht – obwohl Virologen darauf drängen: Baden-Württembergs Kultusministerin Susanne Eisenmann. Foto: Kultusminsterium Baden-Württemberg

Dem zehnköpfigen Wissenschaftlerteam, das die Studie erstellt hat, gehört Stefan Brockmann, Referatsleiter im Landesgesundheitsamt in Stuttgart an. In dem Papier geht es eigentlich um Corona-Infektionen bei Schul- und Kitabesuchen in Baden-Württemberg zwischen der Wiedereröffnung der Einrichtungen im Mai und den Sommerferien. Die Autoren führen aus, dass in diesem Zeitraum nur wenige Übertragungen in den Bildungseinrichtungen des Landes nachgewiesen werden konnten. Das ist nicht überraschend: In diesem Zeitraum fand dort lediglich ein „eingeschränkter Regelbetrieb“ statt.

Obwohl kein Regelbetrieb in Schulen und Kitas stattfand, gab es dort Infektionen

Gleichwohl hat es Ansteckungen gegeben. Immerhin 137 mit dem Coronavirus infizierte Schüler und Kindergartenkinder wurden gezählt. Sie haben dem Bericht der Forscher zufolge in ihren Einrichtungen elf Mal jemanden angesteckt. Zu solchen Infektionen sei es aber landesweit nur in sechs Einrichtungen gekommen. Die Wissenschaftler schließen daraus, dass die Infektionsschutzmaßnahmen – darunter die Abstandsregel – im Großen und Ganzen gewirkt haben.

Im Fazit des Papiers geben sie mit Blick auf das neue Schuljahr und den nun ohne Abstandsregel erfolgenden Unterricht allerdings die Empfehlungen, dass Lehrer und Schüler auch im Klassenzimmer Schutzmasken tragen sollten. Zudem reiche ein Lüften vor und nach dem Unterricht nicht aus; auch zwischendurch müssten die Fenster weit geöffnet werden.

Pikant: Beides widerspricht den Regelungen in Baden-Württemberg. Anders als das Nachbarland Bayern, das zumindest für die ersten zwei Wochen nach Schuljahresbeginn eine Maskenpflicht ohne Ausnahme zumindest in weiterführenden Schulen erlassen hat, entschied sich Baden-Württemberg gegen eine solche Regelung. Im Unterricht muss also keine Mund-Nasen-Bedeckung (MNB) oder Mund-Nasen-Schutz (MNS) getragen werden. „Im Unterricht ist das Tragen einer MNB oder eines MNS nicht erforderlich, gleichwohl aber zulässig“, so heißt es im Hygieneplan des Kultusministeriums für die Schulen.

Zum Thema Lüften steht darin zwar: „Besonders wichtig ist das regelmäßige und richtige Lüften aller Räume, da dadurch die Innenraumluft ausgetauscht wird.“ Die Vorgabe lautet allerdings nur: „Mehrmals täglich, mindestens alle 45 Minuten, ist eine Querlüftung bzw. Stoßlüftung bei vollständig geöffneten Fenstern, ggf. auch Türe über mehrere Minuten vorzunehmen.“

Die Entscheidung gegen die Maskenpflicht im Unterricht ist „letztlich eine politische“

Aus wissenschaftlicher Sicht seien Masken auch im Unterricht sinnvoll, erklärte Brockmann gegenüber dem SWR. Die Entscheidung darüber sei aber letztendlich eine politische. Das Landesgesundheitsamt sei darüber hinaus der Ansicht, dass Unterrichtsräume nicht nur zwischen den Unterrichtsstunden, sondern auch jeweils zur Hälfte der Stunden gelüftet werden sollten.

Eisenmann tobt. Die Aussagen entsprächen nicht einer vertrauenerweckenden Corona-Politik, so ließ die Ministerin mitteilen. „Dieses Vorgehen verunsichert die Eltern, Schulen und Lehrerinnen und Lehrer im Land massiv. Wir fordern das Sozialministerium auf, Stellung zu beziehen und mäßigend auf das Landesgesundheitsamt einzuwirken.“ Ein Sprecher des (vom Grünen-Politiker Manne Lucha geführten) Gesundheitsministeriums erklärte einem Bericht des „Schwäbischen Tageblatts“ zufolge, die baden-württembergischen Regeln der Corona-Verordnung blieben in Kraft. Gleichwohl dürften sich Wissenschaftler äußern.

Der Philologenverband sieht sich laut SWR in seiner Sorge bestätigt. „Niemand weiß die Lage wirklich exakt einzuschätzen und ein Unterricht in vollen Klassen ohne Abstandsgebot und ohne Maske ist natürlich einfach auch ein zusätzliches Risiko“, sagt der Landesvorsitzende Ralf Scholl. Im Gegensatz zu der Zeit vor den Ferien habe man jetzt keinen Abstand in den Klassenräumen mehr – und deutlich höhere Infektionszahlen. News4teachers

Der Beitrag wird auch auf der Facebook-Seite von News4teachers diskutiert.

Kinderärzte-Präsident behauptet: Infektionen in Schulen gehen von Lehrern aus – er fordert (nur) für sie Maskenpflicht im Unterricht

 

 

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22 Kommentare
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omg
3 Jahre zuvor

„Dieses Vorgehen verunsichert die Eltern, Schulen und Lehrerinnen und Lehrer im Land massiv.“
Na ja, eigentlich wäre eine fachlich und sachlich vernünftige Vorbereitung des Kultusministeriums noch vertrauenserweckender gewesen.
Da jault also der Hund , weil er…..
Na ja, is ja bald Karneval.

Palim
3 Jahre zuvor

Wenn in vielen Bundesländern wortgleiche Empfehlungen ausgegeben werden, dann zeugt es doch eher davon, dass man sich miteinander darauf verständigt hat oder voneinander abschreibt.
Da man aber die Länderhoheit wahren will, muss jedes Bundesland selbst ein Konzept ausgeben… unter Verwendung der vorliegenden Textbausteine.

An diesen haben aber offenbar die Landesgesundheitsämter weniger Anteil und können in manchen Bundesländern eigene Texte schreiben.

Warum Maskenpflicht für 14 Tage helfen soll, danach aber entbehrlich erscheint, weil Masken gar nicht schützen, ist einer der Widersprüche.
Unklare oder nicht durchgesetzte Lüftungsempfehlungen, Äußerungen nach dem „nur wenn es möglich ist“-Prinzip, mangelnde Kontrollen hinsichtlich tatsächlich zu öffnenden Fenstern in den Klassenräumen und Turnhallen oder vorhandenen Waschgelegenheiten sowie wechselnde Grenzwerte und Ausflüchte eröffnen viele Möglichkeiten, die Schulen ohne Umsetzung des nötigsten Schutzes geöffnet zu halten … und ebenso Möglichkeiten, die Verbreitung des Virus zu fördern.

Wo der Landesdatenschutzbeauftragte den mangelnden Datenschutz moniert, frage ich mich, wann ein Landesarbeitsschutzbeauftragter den mangelnden Arbeitsschutz anprangern wird.

OMG
3 Jahre zuvor
Antwortet  Palim

Die Textbausteine stammen aus einer AG der KMK unter Federführung von RLP

T.
3 Jahre zuvor

Unglaublich! Es sind doch die Kultusminister/ -innen, die derzeit alles andere als eine vertrauenserweckende Politik betreiben, indem sie versuchen, die tatsächlichen Zahlen der Coronafälle an Schulen zu verschleiern. Dass Frau Eisenmann das Fazit einer wissenschaftlichen Studie als „unseriös“ bezeichnet, da es nicht ihren Vorgaben entspricht, unterstreicht diese Politik nur.

Jan
3 Jahre zuvor

Hmmm… die wissenschaftlich begründeten Aussagen entsprechen angeblich nicht einer vertrauenswürdigen Corona-Politik… aber „Augen zu und durch“ schon? Vertrauen schaffen durch Ignorieren der Erkenntnisse?

Christine Frick
3 Jahre zuvor

Hochgradig unseriös!
Hochgradig politisch motiviert!
Hochgradig erschreckend!

Ich bin 62,
ich bin Fachlehrerin an drei Schulen in acht Klassen.

Hochgradig wahrscheinlich, werde ich sicher in Kürze mit Sicherheit ein zweites Mal in Quarantäne geschickt!

Hochgradig unentspannt fühle ich mich!

D. W.
3 Jahre zuvor

Dieses Hin und her, ja und nein macht unseriös. Wenn es doch so hochgradig ansteckend ist, wieso gibt es aktuell wenige die daran angeblich sterben? Wieso gibt es angebliche hohe infektionzahlen binnen 24 Stunden, wenn die getesteten bis zu 48 Std auf das Ergebnis warten müssen? Ich glaube dem was gesagt wird kein Wort mehr, da es von Anfang an nur Panik macherei ist. Und wenn man Unruhen möchte, die sind in vollem gange. Die Gesellschaft spaltet sich so wie in den Anfangszeiten vor über 70 Jahren.
Viel Spaß bei der gewonnen Erkenntnis.

Idee
3 Jahre zuvor
Antwortet  D. W.

Was hat die Ansteckungsrate mit der Sterblichkeitsrate zu tun?
Ein Herpes ist sehr ansteckend. Daran sterben werde ich nicht…

Warum sollte man unnötig Panik machen?
Woran machen sie das fest? An den „Corona Updates“ die täglich bei den privaten Sendern zu sehen sind? Selbst schuld wer sich die reinzieht…

Wo spaltet sich die Gesellschaft?
Ich sehe nur Leute, die sich an Abstände und Maskenpflicht halten. Hilfs- und Unterstützungsangebote in den sozialen Medien… Ich sehe keine Spaltung sondern Zusammenarbeit.

Ihr Beitrag scheint eher ihrer dystopischen Fantasie zu entspringen. Entspannen Sie sich mal und kümmern Sie sich um sich und die Gesundheit ihrer Mitmenschen anstatt die Spaltung der Gesellschaft zu propagieren!

G.R.
3 Jahre zuvor
Antwortet  D. W.

D.W.-sehe ich genau so!
Könnten Sie alle mal bitte von positiven Tests sprechen und nicht von Infizierten?!
Das ist nämlich der Punkt.
Haben Sie sich mal die Mühe gemacht und selber recherchiert!?
Zum Beispiel kann man beim RKI nachsehen, dass es seit der16.KW keine einzige positive Probe in den Sentinalpraxen gibt!!
Es ist unheimlich traurig, was gerade in unserer Gesellschaft passiert und wie mit Angst das rationale Denken außer Kraft gesetzt werden kann.

Manuela Klatt
3 Jahre zuvor

Dass das Landesgesundheitsamt nun ausgerechnet am ersten Schultag über die Medien bereits lange vereinbarte Regeln in Frage stellt, ist hochgradig unseriös“.
Mit wem würden die Regeln vereinbart???
Etwa mit dem Coronavirus??? Und das ist jetzt so unverschämt sich nicht an die vereinbarten Regeln zu halten…
Unseriös finde ich das Verhalten der Schul- und BildungsministerInnen in unserem Land, die die Forschungen und Studienergebnisse von Experten und Fachleuten in Frage stellen und ignorieren, wenn sie ihnen nicht in das lange und schwer erarbeitete „Konzept“ passen.
DAS ist für mich nicht vertrauenerweckend!!!

Didi
3 Jahre zuvor
Antwortet  Manuela Klatt

Hören sie doch bitte mit Vernunft auf. Hier geht es um Potitik. Auf keinen Fall aber um die Gesundheit der Kinder.

Richard Grünert
3 Jahre zuvor

„…obwohl Virologen darauf drängen“
Das Gegenteil ist der Fall! (Drosten, Streeck et al.). Und was meinen Sie mit „Bildungsmagazin“?

Andreas
3 Jahre zuvor

Naja, was will man erwarten. Frau Eisenmann hat anderes zu tun, nämlich Ministerpresidentin werden. Da hat sie halt keine Zeit für das ganze Schulzeug. Für mich zeigt es einfach deutlich, wie sie sich für jedes weitere Amt disqualifiziert.

Frau T.
3 Jahre zuvor

Wie arrogant ist das denn? Eine Ministerin, die Leuten, die mehr Ahnung von etwas haben als sie selbst (davon gehe ich mal aus), den Mund verbietet, weil sie eine Empfehlung geben, die nicht der propagierten Sachlage entspricht und diese Empfehlung als unseriös betiteln… DAS ist unseriös.

sunside
3 Jahre zuvor

Wie zynisch ist das denn, Frau Kultusministerin? Mein Mann und ich sind beide Risikopatienten, unser 15 jähriger Sohn besucht deshalb derzeit nicht den Präsenzunterricht, obwohl in einigen Monaten die Abschlussprüfung anstehen. Und er ist nicht der einzige in seiner Klasse. Hat Frau Eisenmann bei ihren Überlegungen zur Maskenpflicht auch mal an diese Betroffenen gedacht?
Zumal vom Kultus zwar Fernunterricht in Aussicht gestellt wird, jedoch bisher kein vernünftiges Konzept erarbeitet
wurde, wie dieser effektiv umgesetzt werden kann. Ein paar kopierte Blätter jeden Tagreichen bei Schülern in den Abschlussklassen eben nicht aus, Online-Stream während des Unterrichts wird von der Schulleitung nicht gewünscht…
Thema Datenschutz.
Welche Möglichkeit bleibt dann noch? Augen zu und durch, trotz der Gefahr für Leib und Leben.
Kind wieder zur Schule schicken und hoffen, dass nix passiert.
Wenigstens könnte man nachts wieder etwas besser schlafen, wenn es an den Schulen eine Maskenpflicht gäbe. In Bayern geht’s doch auch, und unsere Infektionszahlen sind nicht weit von den dortigen weg.
Hausaufgaben machen, Frau Ministerin, von unseren Kindern wird dies auch verlangt

Becker
3 Jahre zuvor

Unser Kultusministerin ziemlich arrogant tja so Leute bestimmen über unsere Kinder.

Christine Kulmus
3 Jahre zuvor

Frau Dr.Eisenmann scheint sich anTrump zu orientieren: Unliebsame Erkenntnisse einfach verbieten. So jemanden möchte ich nicht in für eine Demokratie wichtigen Ämtern wissen!

Bernd Winterbauer
3 Jahre zuvor

Keine Masken für Kinder.
Maskenlumpen machen krank!!!!

Leseratte
3 Jahre zuvor

Dann haben Sie sicher eine andere Idee für ein Minimum an Infektionsschutz an Schulen…

Müller
3 Jahre zuvor

Natürlich ist das Risiko größer, wenn im Unterricht keine Masken getragen werden. Aber die Maske unterbindet jegliche Mimik. Die aber ist besonders für jüngere und lernschwächere Kinder wichtig. Ebenso für das Hör-verstehen. Der soziale und emotionale Schaden dee Coronakrise ist sehr hoch und je länger diese Krise dauert, desto unsozialer werden die Menschen werden. Ich beneide keinen Politiker, denn jede Entscheidung ruft Protest und teilweise unangemessene Reaktionen hervor. Wir brauchen ein überlegtes und einheitliches Handeln von uns Allen.

KARIN
3 Jahre zuvor

Aber nicht nur auf Kosten der Gesundheit von Lehrern und Schülern! Entschieden ist schnell,wenn man nicht selbst betroffen ist und auf einem geschützten Arbeitsplatz sitzt.Wenn Sie von dieser Entscheidung selbst betroffen wären,würden Sie hier jetzt ganz anders schreiben!

Elvira
3 Jahre zuvor

Wer sich als Kultusministerin in der Öffentlichkeit mit “ Ich bin die Nanni“ vorstellt, ist für mich einfach raus… Was will man da erwarten?