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Kultusminister wollen Schulen nach Weihnachtsferien schnell wieder in Regelbetrieb nehmen – droht dann bald die dritte Welle?

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BERLIN. An Schulen, so stellt das Robert-Koch-Institut aktuell fest, gab es in den vergangenen Tagen und Wochen verstärkt Corona-Ausbrüche unter Schülern und Lehrern. Zu einem Umdenken mancher Kultusminister, die nach wie vor behaupten, Schulen seien keine Pandemie-Treiber, hat das nicht geführt. Im Gegenteil: Der Schulbetrieb ist noch nicht eingestellt, da kommen bereits Ankündigungen, ihn nach den Weihnachtsferien schnell wieder hochfahren zu wollen – von einem verstärkten Infektionsschutz für Schüler und Lehrer ist dabei keine Rede.

Reicht es nicht langsam mit dem ungeschützten Regelbetrieb an Schulen? Illustration: Shutterstock

Das Robert-Koch-Institut vermeldet vermehrt Ausbrüche in Schulen, die ersten Schritte in den Lockdown an Kitas und Schulen verlaufen chaotisch und die Infektionszahlen steigen weiter – aber Kanzleramtschef Helge Braun (CDU) hat bereits zugesagt, dass Schulen und Kitas nach einem Ende des Lockdowns als Erstes wieder geöffnet werden. „Das haben wir immer gesagt. Das ist das Letzte, was wir schließen und das Erste, was wir öffnen“, sagte der CDU-Politiker in der Sendung „Frühstart” von RTL/n-tv. „Bildung hat Priorität, und dabei bleibt es auch.“

Ähnliches hatte zuvor auch schon die KMK-Präsidentin und rheinland-pfälzische Bildungsministerin Stefanie Hubig (SPD) geäußert. Wenn es schon zu Schließungen kommen müsse, sei es wichtig, die Schulen „schnell wieder in den Regelbetrieb zu bekommen“, so sagte sie schon am Freitag nach Abschluss der jüngsten Sitzung der Kultusministerkonferenz.

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Die war ausdrücklich ohne Beschluss zu Ende gegangen – lediglich die üblichen Beteuerungen, dass Schulen keine Treiber der Pandemie seien, waren zu hören. So erklärte Hessens Kultusminister Alexander Lorz (CDU): Niemand solle glauben, dass eine Schließung von Schulen „die entscheidende Stellschraube“ für die Eindämmung der Corona-Pandemie wäre. Heißt offenbar: Der Schulbetrieb soll nach Weihnachten wieder ungebremst anlaufen. VBE-Bundesvorsitzender Udo Beckmann zeigte sich konsterniert. „Die KMK wird ihrer Verantwortung nicht gerecht“, sagte er.

Denn: Was ist mit dem Gesundheitsschutz? Davon, nach dem Lockdown die seit Anfang Oktober vorliegenden Empfehlungen des Robert-Koch-Instituts (RKI) für die Schulen annehmen zu wollen, ist bei der KMK nach wie vor keine Rede.

Das RKI sieht ab einem Inzidenzwert von 50 Neuansteckungen auf 100.000 Einwohner in einer Woche die Einführung der Abstandsregel im Klassenraum – in der Konsequenz: Wechselunterricht mit kleineren Lerngruppen – und eine Maskenpflicht im Unterricht für alle Jahrgänge vor. Bislang haben die Bundesländer die Empfehlungen ignoriert. Mittlerweile nennt die Bundesbehörde für den Seuchenschutz Schulen auch ausdrücklich als Orte, in denen verstärkt Ausbrüche zu verzeichnen sind. Wörtlich heißt es im aktuellen Lagebericht (vom 14. Dezember): „In den meisten Kreisen handelt es sich zumeist um ein diffuses Geschehen, mit zahlreichen Häufungen in Haushalten und Alten- und Pflegeheimen, aber auch in Gemeinschaftseinrichtungen insb. in Schulen.“

VDR-Chef Böhm: Es darf nicht länger unterschätzt werden, dass auch Kinder und Jugendliche zur Verbreitung von Corona beitragen

Der Deutsche Realschullehrerverband (VDR) fordert die Kultusminister auf, sich endlich Gedanken darüber zu machen, wie das Infektionsgeschehen an Schulen eingedämmt werden kann „Die vergangenen Wochen haben gezeigt, dass auch an den Schulen viele Infektionen stattgefunden haben, die jedoch häufig nicht erkannt werden, weil Kinder oft weniger Symptome zeigen“, sagt Bundesvorsitzender Jürgen Böhm. Es dürfe nicht länger unterschätzt werden, dass auch Kinder und Jugendliche zur Verbreitung von Corona beitragen. Deshalb sei für die Zeit nach dem 10. Januar – dann enden nach einem Beschluss des jüngsten Bund-Länder-Gipfels die Weihnachtsferien bundesweit – wichtig, dass Inzidenz- und Grenzwerte für weitere Schutzmaßnahmen gesetzt und auch eingehalten würden.

Böhm: „Ausschlaggebend ist jetzt eine konsequente Umsetzung des Lockdowns und eine nachhaltige Regelung für die Zeit nach dem 10. Januar. Inzidenzwerte sind hier nur die wissenschaftliche Basis, die durch entsprechende pädagogische Maßnahmen wie Präsenz-, Hybrid- und Distanzunterricht umgesetzt und klar kommuniziert werden müssen.“

In die gleiche Kerbe schlägt GEW-Chefin Marlis Tepe. Auch sie fordert Pläne, wie es nach den Schließungen weitergeht. Es erscheine derzeit unwahrscheinlich, dass sich die Corona-Lage bis zum 10. Januar wesentlich entspannt. Kultusministerien und Schulämter müssten nun sofort gemeinsam mit Schulleitungen, Lehrkräften und Bildungsgewerkschaften Szenarien für die Zeit nach den Weihnachtsferien vorbereiten, fordert sie. „Die Schulen müssen Freiräume bekommen, weiter Konzepte für Wechsel- und Fernunterricht zu erarbeiten. Alle brauchen eine Perspektive über den 10. Januar hinaus.“

Es müsse sichergestellt werden, den Kontakt mit allen Schülerinnen und Schülern sowie den Eltern in den Kitas aufrecht zu erhalten und diesen insbesondere zu ohnehin benachteiligten Gruppen nicht zu verlieren. Die politischen Versäumnisse des Sommers und des Herbstes dürften Schulen, Lehrkräfte, Eltern sowie Kita-Kinder, Schülerinnen und Schüler nicht weiter belasten. „Wir bieten die Zusammenarbeit bei der Suche nach Lösungen an“, sagt Tepe.

Söder mit Blick auf Kitas und Schulen: „Ich kann mir nicht vorstellen, dass einfach alles wieder so normal weitergeht“

Die Leopoldina hat in ihrer Stellungnahme von vergangener Woche, die Grundlage für den jetzt beginnenden Lockdown war, den Kultusministern Hausaufgaben mitgegeben. So heißt es in dem Papier: “Für den Wiederbeginn des Unterrichts ab dem 10. Januar 2021 sollte in allen Bundesländern das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes im Unterricht für alle Jahrgangsstufen verpflichtend sein. Zudem sollten ländereinheitliche Regeln für den Wechselunterricht ab der Sekundarstufe erarbeitet werden, die ab einer bestimmten Inzidenz greifen. Erforderlich ist zudem eine langfristige politische Einigung auf ein klares, mehrstufiges und bundesweit einheitliches System von Regeln, die ab einer bestimmten Anzahl von Fällen pro 100.000 Einwohner greifen. Durch ein einheitliches und nachvollziehbares Vorgehen werden die Maßnahmen für Bürgerinnen und Bürger und Unternehmen transparent, verständlich und planbar.”

Immerhin: Ein Ministerpräsident, Bayerns Regierungschef Markus Söder (CSU), hat erkennen lassen, dass er sich ein „Weiter so!“ im Schulbetrieb nach dem 10. Januar nicht vorstellen kann. „Ich sage ausdrücklich: solange es dauert”, betonte er mit Blick auf ein Ende des Lockdowns. An einen Normalbetrieb etwa in Schulen und Kitas ist nach Worten Söders dann wohl noch nicht zu denken. „Auch danach kann ich mir nicht vorstellen, dass einfach alles wieder so normal weitergeht.“

Eisenmann: „Man kann nicht sagen, dass die Schulen Hort des Infektionsgeschehens sind“

Die Kultusminister offenbar schon. Man könne nicht sagen, „dass die Schulen Hort des Infektionsgeschehens sind”, behauptete die baden-württembergische Kultusministerin Susanne Eisenmann, Spitzenkandidatin der CDU bei der anstehenden Landtagswahl, noch am gestrigen Montag gegenüber dem SWR. Schule sei auch Begegnung. „Vor dem Hintergrund ist Präsenz im Schulgebäude durch nichts zu ersetzen.” Deshalb sei es die Zielsetzung, unter Pandemiebedingungen so bald wie möglich wieder zu einem Präsenzunterricht zurückzukehren. Eisenmann betonte: „Wir hoffen, durch diesen harten Lockdown die Zahlen natürlich bis zum 10. Januar deutlich nach unten drücken zu können. Unabhängig von den Inzidenzzahlen muss Schule dann wieder angeboten werden können.“ News4teachers

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Mehr Informationen dazu – gibt es hier.

Die Kultusminister haben gezockt – Schüler, Eltern und Lehrer haben verloren

 

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