Schüler fordern: Druck rausnehmen! Klassenarbeiten erst einmal absagen!

8

HANNOVER. Schülerinnen und Schüler aus der Region Hannover haben Niedersachsens Kultusminister Grant Hendrik Tonne in einem offenen Brief aufgerufen, auf Klausuren und Klassenarbeiten zunächst zu verzichten. Statt auf der Leistungsüberprüfung solle der Fokus zur Zeit auf der Vermittlung von Wissen und dem gemeinsamen Lernen liegen, heißt es in dem Brief. Abwegig ist das keineswegs: Die Forderung entspricht dem, was der bayerische Kultusminister Piazolo vergangene Woche für den Freistaat entschieden hat.

Die Schüler fordern: Druck rausnehmen. Foto: Shutterstock

Deshalb plädierten die Schüler dafür, den entsprechenden Erlass zu ändern – und Klassenarbeiten sowie Klausuren in diesem Schulhalbjahr für die Jahrgänge 5 bis 11, mit Ausnahme der Abschlussklassen, auszusetzen. Der Landesschülerrat unterstützt den Vorstoß zur Absage von Klassenarbeiten.

Der SPD-Politiker Tonne hatte zuvor ebenfalls eine Übergangsphase angemahnt und dazu aufgerufen, die Schüler nach ihrer Rückkehr nicht sofort mit Tests und Klausuren zu überhäufen. «Die Schule soll nicht mit Druck starten», sagte er. Der verpasste Stoff könne auch in den nächsten Schuljahren aufgeholt werden. Das Land hatte die regionale Inzidenz-Grenze für den Distanzunterricht von 100 auf 165 geschoben. Unterhalb des Werts greift das Wechselmodell mit geteilten Klassen.

«Was wir nun brauchen, ist eine ruhige Ankunft in der Schule – und keine Klassenarbeiten»

«Das monatelange Distanzlernen war eine enorme Belastung. Was wir nun brauchen, ist eine ruhige Ankunft in der Schule – und keine Klassenarbeiten», betonte Florian Reetz, der Vorsitzende des Landesschülerrates. «Die psychischen Belastungen sollten mit dem Übergang ins Wechselmodell abgebaut werden. Wenn einige Schulen meinen, die zusätzlichen Präsenztage für mehr Leistungsdruck zu nutzen, dann ist das eindeutig der falsche Ansatz.»

Anlass für den offenen Brief war den Angaben zufolge, dass Lehrkräfte angekündigt hätten, mit der Rückkehr in den Präsenzunterricht schnell Klausuren und Klassenarbeiten anzusetzen. Die Schülerinnen und Schüler begrüßten es, wieder zur Schule gehen zu können, heißt es in dem Brief. Aber: Monatelange Isolation, gepaart mit «teils enormen Anforderungen durch Hausaufgaben, Videokonferenzen und Ersatzleistungen» hätten viele Schüler «sehr stark belastet. Viele sind am Rande ihrer Kräfte angelangt und befinden sich in einer schlechten psychischen Verfassung».

Schon in den vergangenen Wochen habe sich eine deutliche Zunahme an Onlineklausuren abgezeichnet – eine zusätzliche Belastung. Noten sollten sich aus den Leistungen im ersten Halbjahr, der Beteiligung im Homeschooling und der folgenden Präsenzzeit zusammensetzen.

«Unsere Schülerinnen und Schüler müssen sich erst wieder einfinden» – meint auch Bayerns Kultusminister

Die Schülerinnen und Schüler sollten ohne Druck durch Klausuren wieder einsteigen können – meint auch Bayerns Kultusminister Michael Piazolo (Freie Wähler). Er sagt: «Der Fokus wird hier in den kommenden Wochen ganz klar auf der Sicherung von Basiswissen und grundlegenden Kompetenzen liegen. Unsere Schülerinnen und Schüler müssen sich erst wieder einfinden.» Zeitdruck und übermäßigen Leistungsdruck sollten dabei vermieden werden.

«Wir wollen auch heuer am Schuljahresende ein aussagekräftiges Feedback zum Leistungsstand – aber keinen übermäßigen Druck durch zu viele Leistungsnachweise», sagte Piazolo. «Selbst wenn nur noch eine Schulaufgabe pro Fach geschrieben würde, käme es vielfach zu einer Ballung – und die wollen wir verhindern.» Klassenarbeiten wurden deshalb weitgehend ausgesetzt. Sogenannte kleine Leistungsnachweise könne es aber überall noch geben, schriftlich und mündlich, «freilich auch hier mit Augenmaß». News4teachers / mit Material der dpa

Lehrerverbandschef zeigt sich genervt von Kultusminister Tonne („Was denkt der…?“)

Anzeige


Info bei neuen Kommentaren
Benachrichtige mich bei

8 Kommentare
Älteste
Neuste Oft bewertet
Inline Feedbacks
View all comments
Carsten60
3 Jahre zuvor

“Der verpasste Stoff könne auch in den nächsten Jahren aufgeholt werden.”
Aber wie soll das gehen, wenn jede Art von Leistungsdruck als schlecht gilt? Aufholen ginge ja nur, wenn später das Tempo irgendwie gesteigert würde. Genau dagegen wird sich dann vermutlich wieder Protest erheben.

Palim
3 Jahre zuvor

In Niedersachsen soll genau 1 Klassenarbeit pro Fach geschrieben werden. Was bei Grundschullehrkräften, die seit Januar im Wechselunterricht sind, für Kopfschütteln sorgt, bedeutet an anderen Schulen, die eben erst wieder in Präsenz gewechselt sind, Klassenarbeiten im Akkord.
Da reicht es nicht, die Schulen zum Agieren mit Augenmaß aufzurufen, wenn man gleichzeitig genau Vorgaben setzt, die zu erfüllen sind.

Schülerin aus NDS (Will angeduzt werden)
3 Jahre zuvor

Wieso sollen wir Abschlussklassen immer Druck bekommen? OHNE Ausnahme der Abschlussklassen wenn dann.

Echt
3 Jahre zuvor

Die Schülerinnen und Schüler haben großartiges geleistet. Sie haben Verantwortung übernommen und auf wichtige Teile ihrer Kindheit und Jugend verzichten müssen. Dies war und ist eine enorme Belastung. Wie glücklich können wir Erwachsenen uns fühlen, dieses nicht erlebt haben zu müssen. Viele Kinder und Jugendliche erkennen sehr klar, wie ihr Wert als Mensch von den politisch Verantwortlichen bemessen wird. Sie erleben Druck und die Erwartungshaltung funktionieren zu müssen. Einige waren aus verschiedensten Gründen nicht in der Lage, selbstständig zu lernen und den Erwartungen zu entsprechen. Andere haben sich trotzdem sehr bemüht den Anforderungen des Homeschooling, ohne Ausgleich wie Freunde zu treffen oder Sport zu machen, zu entsprechen. Jetzt haben eben diese Schüler, welchen die Schulbildung wichtig ist, erneut die Sorge, im Homeschooling vielleicht doch nicht alles gut genug verstanden zu haben. Gerade in den Sprachen finde ich es beispielsweise sehr schwierig, sich weitgehend selbstständig eine neue Sprache und Regeln anzueignen. Statt jetzt auf die Bedürfnisse der Kinder nach Sicherheit, durch Einschätzung der Lehrer oder wertfreie Lernstandserhebungen, einzugehen, und auf Förderung und Defizitsausgleich zu setzten, steht die Notengebung zum Schuljahresende wieder im Vordergrund.
Da mag die Frage erlaubt sein: “Was sind die Kinder und Jugendlichen in dieser Pandemie?” Objekte, ohne Anspruch auf Empathie, die beizeiten lernen sollen, anpassungsfähig und formbar zu sein?

Die Schüler kehren nach Monaten in die Schule zurück. Als Scheinfürsorgehandlung, werden die Lehrer dazu angehalten 1-2Wochen keine Arbeiten zu schreiben. Gleichzeitig wird der Leistungsdruck für Schüler und Lehrer aufrechterhalten. Jetzt bangen auch einige gute Schüler. Wem dient das Ganze? Die Schüler sind seit fast 1,5Jahren in psychischer Anspannung.

Dieses Schulsystem (beziehe mich auch auf andere Bildungsbereiche, wie Kindergarten) zeigt gerade besonders, dass es (schon länger) mehr auf Schein als Sein setzt, wenn es um das Wohl der Kinder und Jugendlichen geht. Gute Lehrer und sonstige Pädagogen halten es noch einigermaßen zusammen und bekommen als Dank noch mehr Aufgaben aufgedrückt. Zeit für die Bedürfnisse einzelner Kinder gibt es durch die geteilten Klassen aktuell ein wenig mehr (was bald wieder anders sein wird). Doch im heimischen Büro wird dafür für Homeschooling, Abschlussarbeiten und die bald anstehenden Klassenarbeiten bis in den Abend und am Wochenende gearbeitet.

Den Lehrern wird alles abverlangt.
Den Schülern werden ein enormer Druck und große Unsicherheit hinsichtlich der Leistungsbewertung zugemutet. Ist es das wert? Die Unbeschwertheit, die den schulischen Druck sonst noch ein wenig abmildern konnte, ist ihnen doch auch genommen. Wäre es nicht vorrangig wichtig, Bildung zu ermöglichen und das Bemühen der Schüler positiv zu bestärken, statt weitere Ängste und Unsicherheit durch Klassenarbeiten zu forcieren.
Es sind Kinder, keine Maschinen.

MINT-Lehrer
3 Jahre zuvor
Antwortet  Echt

Ich sehe das genauso. Viele meiner Schülerinnen und Schüler haben sich große Mühe im Fernunterricht gegeben und etliche auch ziemlich erfolgreich. Trotzdem gibt es Unverstandenes und Lücken, was ja auch natürlich ist. Vor allem mache ich jetzt im Wechselunterricht die Erfahrung, dass die allermeisten gut mitarbeiten – auch ohne den Druck einer anstehenden Arbeit. (Bei uns in BW muss nur in den Hauptfächern noch eine KA geschrieben werden.) Ich finde, auch die könnte man streichen. Angst vor einer Arbeit ist derzeit kontraproduktiv. Als erfahrene Lehrkräfte dürfen wir uns in Nicht-Abschlussklassen durchaus auch mal eine Benotung ohne schriftliche Prüfung zutrauen.

Besorgte Mutter
3 Jahre zuvor

Herr Tonne hat ja so “nett geschrieben”, die Kinder sollten erst mal in der Schule ankommen, sich einleben.

Grosszuegig wurde dann mitgeteilt, das nur in den Hauptfaechern ein schriftlicher Nachweis ueber die Leistung vom Kultusministerium verlangt wird.

Die Nebenfaecher werden angeblich ausgesetzt.

Wenn ich nun in das Iserv meines Sohnes schaue, sehe ich in den allermeisten Faechern Ankuendigungen von Klassenarbeiten/Ersatzleistungen, nicht nur in den Hauptfaechern.

Die Aussage der Lehrerin zum Elternvertreter (sinngemaess) :”das Kultusministerium VERLANGT!!! einen schriftlichen Nachweis der Leistung in JEDEM Fach”

Nun frage ich mich als Mutter, wer vera… t uns da mal wieder???? Setzt unsere Kinder zusaetzlich unter Druck????

Nicht nur, das immer noch nicht ein Klassenraum zum Gesundheitsschutz ausgestattet ist, die KM weiter wertvolle Zeit verschwenden mit ihrer Traegheit,es ist ja “nur” die neue Mutante aus Indien bereits in NDS angekommen, nein, jetzt setzen DIE!!! unsere Kinder noch zusaetzlich unter Druck.

DIE!!!! versagen auf ganzer Linie, Hauptsache die Aktenfuehrung klappt hier in Deutschland!!!
Pfui, einfach nur Pfui!!!!

Es ist unglaublich, was diese Damen und Herren Kultusminister seit 1,5 Jahren fuer ihr Nichtstun bekommen.

Diese Herrschaften spielen mit ihrer Untaetigkeit taeglich mit tausenden von Menschenleben und es wird geduldet, als Lebensrisiko herunter gespielt.

In der freien Wirtschaft waere solche “Kapazitaeten” schon gefeuert worden!!!!

Fuer sich selbst nehmen sie jede kleine Praevention, z. B. Filteranlagen, Plexiglaswaende, Videokonferenzen ect. in Anspruch, aber die Kinder und Lehrkraefte, Mitarbeiter der Schulen werden taeglich der Infektion und somit dem Tod ausgesetzt, ganz zu schweigen davon, das die Infektion dann in die Familien getragen werden.

Mit welchem Recht duerfen diese “Persoenlichkeiten” mit unseren Steuergeldern zum Gesundheitsschutz ihre Ministerien ausruesten, ABER UNSERE KINDER MUESSEN AM VIRUS ERKRANKEN/VERSTERBEN?????

Dann noch dieser beschriebene Leistungsdruck.
Ich kann es echt nicht verstehen, angeblich sind diese “Herrschaften” doch studiert, oder nicht????
Merkt man in ihrem Handeln leider nicht wirklich….

Heinz
3 Jahre zuvor

Sind das die gleichen Schüler, deren Eltern mir eine email nach der anderen schreiben mit „auf welcher Grundlage soll die Note denn entstanden sein, es gab doch keinen Unterricht“, nachdem ich ein 3/4 Jahr lang in jeder Email erklärt habe, dass Distanzunterricht bewertet wird.

Ich würde auch ohne Arbeiten klar kommen, ich hätte genug Noten, ich darf es aber nun mal nicht, eventuell weil es einfach zu viele Schüler gibt, die einfach nichts gemacht haben in der Zeit. Und wie lange habe ich Zeit um die Arbeiten zu schreiben zu lassen? Wenn es gut läuft 3 Wochen. Ich kann also überhaupt nicht darauf verzichten, schnell Arbeiten zu schreiben, ob ocj will oder nicht.

Mozarella
3 Jahre zuvor

Jetzt, nachdem viele – aber augenscheinlich nicht alle – Schulen, also Lehrer*innen und Schüler*innen, sich bald das Genick gebrochen haben, um unter Pandemiebedingungen Klassenarbeiten bzw. Ersatzleistungen zu schreiben und so eine scheinbare Normalität der Leistungsmessung unter Pandemiebedingungen herzustellen, kommt dieser Vorschlag!! Warum nicht im Januar für das 2. Halbjahr? Warum jetzt? Was es im Szenario B bedeutet, so etwas zu organisieren, kann man sich an höherer Stelle wohl nicht recht vorstellen. Schon wieder ein Hinweis darauf, dass die Verantwortlichen augenscheinlich nicht weiter denken als die Sau hüpft.
Und die Kolleg*innen, die das gewuppt haben, hätten gern deutliche Zusatzentlastung dafür.
Wann gehen wir eigentlich mal wieder demonstrieren??
Die Arbeitszeit, die inzwischen absurde Ausmaße erreicht, wäre doch ein gutes und notwendiges Thema!!