Sachsen-Anhalt startet Modellprojekt für Jüdischen Religionsunterricht – in Halle

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HALLE. Mit Jüdischem Religionsunterricht als Modellprojekt treibt Sachsen-Anhalt den kulturellen Austausch an. Ministerpräsident Haseloff lobt die Initiative. Man müsse miteinander klar kommen, aber man müsse auch «voneinander wissen». Ort des Geschehens: Halle – wo vor zwei Jahren ein Terrorist versucht hatte, die Synagoge zu stürmen.

Sich als praktizierenden Juden zu outen, ist in Deutschland offenbar mittlerweile - wieder - gefährlich. Foto: James MacDonald / flickr (CC BY 2.0)
Jüdischer Religionsunterricht vermittelt Grundlagen des Judentums. Foto: James MacDonald / flickr (CC BY 2.0)

Zum Start der ersten Stunde Jüdischen Religionsunterrichts in Sachsen-Anhalt hat Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) die Bedeutung des Modellversuches hervorgehoben. Es sei «ganz, ganz wichtig», den Kindern die Möglichkeit zu geben, sich auch mit dieser Religion auseinanderzusetzen, sagte Haseloff am Dienstag mit bewusst einfachen Worten zu den elf anwesenden Erst- und Zweitklässlern einer Grundschule in Halle. In der Stadt war die jüdische Gemeinde vor gut zwei Jahren einem antisemitischen Anschlag nur knapp entgangen.

Es gebe in unserer Gesellschaft Unterschiede in der Herkunft und in der Religion, sagte Haseloff. Man müsse gut miteinander auskommen, aber man müsse auch «voneinander wissen». Das Judentum habe weite Teile der Gesellschaft geprägt. Noch heute lebten viele Menschen nach den «Weisheiten», die in der Tora, der heiligen Schrift der Juden, niedergeschrieben seien.

«Wir brauchen vor allen Dingen auch Lehrkräfte. Das ist alles andere als ein Selbstläufer»

In Nordrhein-Westfalen gebe es bereits einen solchen Unterricht, sagte Bildungsministerin Eva Feußner (CDU). Inwiefern das Angebot ausgeweitet werden soll, hänge nun von der Nachfrage ab. Aber es werde sich vornehmlich auf die großen Städte in Sachsen-Anhalt konzentrieren.

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«Wir brauchen vor allen Dingen auch Lehrkräfte», sagte Feußner. Das sei alles andere als ein Selbstläufer. Die Lehrerin in Halle sei die Ehefrau des Rabbiners der jüdischen Gemeinde und unterrichte die Kinder einmal wöchentlich für 60 Minuten. «Das ist auch versetzungsrelevant», betonte die Ministerin. «Das ist somit wie bei anderen Religions- oder Ethikfächern.»

Die unterrichteten Kinder der 14-köpfigen Klasse seien wohl zum Großteil konfessionslos, erklärte die Ministerin. Drei Kinder seien jüdischen Glaubens. Am Unterricht könnten bislang nur Erst- und Zweitklässler teilnehmen.

Dass es in Halle die erste jüdische Religionsklasse in Sachsen-Anhalt gibt, habe auch mit dem starken Engagement der Jüdischen Gemeinde dort zu tun, sagte die Ministerin. Deren Vorsitzender Max Privorozki sagte nach dem Besuch der Unterrichtsstunde an der Johannesschule, er sei überglücklich. «Das bedeutet, dass die jüdische Religionsgemeinschaft mit den zwei großen Kirchen gleichgestellt ist – trotzdem wir deutlich kleiner sind.» Es gebe neben katholischen und evangelischen nun auch jüdischen Religionsunterricht.

Am 9. Oktober 2019 hatte ein schwerbewaffneter Terrorist versucht, am höchsten jüdischen Feiertag Jom Kippur in die Synagoge in Halle einzudringen und ein Massaker anzurichten. Er gelangte jedoch nicht in das Gotteshaus. Er erschoss dann zwei Menschen in der Stadt. News4teachers / mit Material der dpa

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1 Kommentar
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Alla
2 Jahre zuvor

Bringt das wirklich so viel mehr Völkerverständigung, wenn nur ein Bruchteil der Kinder am jüdischen Religionsunterricht teilnehmen?
Können nichtjüdische Kinder zur Teilnahme verpflichtet werden oder entscheiden das die Eltern?
Sind die Eltern, die ihr Kind dazu anmelden nicht sowieso diejenigen, die anderen Kulturen und Religionen offen gegenüber stehen?
Erreicht man so die Kinder der Eltern, die in ihrer Vorurteilsblase gefangen sind?
Muss man Erst- und Zweitklässler überhaupt schon konfessionell teilen (Stichwort: Integration)?
Gehört die Rabbinerfrau dem liberalen oder dem orthodoxen Judentum an?

Prinzipiell finde ich es gut, wenn Kinder mit allen Spielarten von Religion oder auch Nicht-Religion Kontakt bekommen. Das hilft, das „fremdeln“ abzubauen.
Ich zweifle nur daran, dass dieser Weg viel bringen wird! Gut gemeint ist nicht immer auch gut gemacht!