Ein Drittel der neuen Lehrkräfte eines Bundeslandes sind gar keine (ausgebildeten)

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SCHWERIN. An Mecklenburg-Vorpommerns Schulen sind zu Beginn des neuen Schuljahres 690 neue Lehrerinnen und Lehrer eingestellt worden. Das seien so viele wie seit dem Schuljahr 2015/16 nicht mehr, sagte Bildungsministerin Simone Oldenburg (Linke) am Dienstag in Schwerin. Allerdings ist auch die Zahl der Schüler im Vergleich zum Vorjahr um rund 4500 auf 160.200 gestiegen. Bemerkenswert: Rund ein Drittel der neuen Lehrkräfte haben keine reguläre Lehrerausbildung durchlaufen.

Was macht eine Lehrkraft zur Lehrkraft? Foto: Shutterstock

Die Zahl der Lehrkräfte nahm den Angaben zufolge um knapp 300 auf 13.610 zu. Die Lehrergewerkschaft GEW sieht die gestiegene Lehrerzahl nicht als Beitrag für eine Verbesserung des Unterrichts an, da auch die Schülerzahl gestiegen sei. Die beiden GEW-Landesvorsitzenden Annett Lindner und Nico Leschinski erklärten, die Zahl der Lehrkräfte reiche gerade so aus, um den vorgeschriebenen Unterricht abzusichern.Oldenburg räumte ein, dass aktuell an 4,9 Prozent der Schulen rechnerisch zu wenige Lehrkräfte vorhanden sind, um alle Stunden geben zu können. Diese insgesamt 24 Schulen würden eng begleitet. Der Unterricht werde zum Beispiel über die Zusammenlegung von Klassen und Lehrer-Abordnungen von anderen Schulen sichergestellt, bis die Probleme gelöst seien.

«Wir brauchen deutlich mehr Lehrkräfte, aber auch unterstützende pädagogische Fachkräfte»

Die GEW forderte die Einstellung von mehr Lehrern. «Wir brauchen deutlich mehr Lehrkräfte, aber auch unterstützende pädagogische Fachkräfte, Schulsozialarbeiter*innen und andere Fachkräfte in unseren Schulen, um die Herausforderungen der inklusiven Schule zu meistern, den Bildungsanschluss nach der Pandemie zu ermöglichen und auch den Unterricht für die ukrainischen Schüler*innen abzusichern», betonte Leschinski. Die Ministerin kündigte die Einstellung von 120 Alltagshelfern an Schulen in diesem Schuljahr an, die Lehrer entlasten sollen.

Knapp ein Drittel der neueingestellten Lehrer – 32 Prozent – sind nach Oldenburgs Worten Quereinsteiger, also Lehrkräfte, die kein Lehramtsstudium absolviert haben. Von ihnen seien 80 Prozent bereits qualifiziert worden oder befänden sich in der Qualifizierung, sagte die Ministerin. Vom kommenden Schuljahr an soll in MV kein einziger Seiteneinsteiger mehr unvorbereitet vor eine Klasse treten. Sie sollen bereits im Mai eingestellt und vor Beginn des neuen Schuljahres einen dreimonatigen Kurs bekommen.

Oldenburgs Staatssekretär Tom Scheidung (Linke) teilte mit, dass derzeit in MV mehr als 4000 ukrainische Flüchtlingskinder an den Schulen unterrichtet werden. Von ihnen seien rund 740 in sogenannten Vorklassen, in denen die Hälfte des Unterrichts aus Deutschstunden bestehe. Oldenburg wies darauf hin, dass viele Ukrainer im Land derzeit umziehen würden. Dies sei eine Herausforderung für die Schulverwaltung, die schauen müsse, wo sie eine Vorklasse eröffne. Derzeit gebe es sie an 70 Schulen.

Das neue Schuljahr In Mecklenburg-Vorpommern begann am Montag. News4teachers / mit Material der dpa

Lehrer nach drei Monaten Schnellkurs: Philologen schlagen Alarm, GEW knickt ein

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Defence
1 Jahr zuvor

In meinem Kollegium ist das auch so. Anderes Bundesland. Ich denke, es zieht sich durch die ganze Nation.

Die Bildung rettet keiner mehr. Das Schiff sinkt. Rettungsboote nicht in greifbarer Nähe.
Ich bin auch raus, sobald sich die Möglichkeit bietet.

Andre Hog
1 Jahr zuvor

In den Medien wird bereits das Framing zum Thema vorbereitet.

Heute bei GMX.news tauchte der Titel auf, der suggerierte, dass Quereinsteiger auf keinen Fall eine Belastung für SuS seien…völlig ungeachtet der berechtigten Einwände aus dem Bildungssektor.

Dargestellt wurde diese Kritik im Sinne von ungerechtfertigter Besitzstandswahrung von Leuten, die als ‚underachiever‘ ihre Pfründe sichern wollen.

447
1 Jahr zuvor
Antwortet  Andre Hog

Wollte das auch gerade erwähnen.

Bei uns schlagen auch zunehmend (((Lehrer))) auf.

Echter Grund: Willfährig, billig, nicht verbeamtet.

Sicherlich reiner Zufall:
1) Überall wo es wichtig wird (vor MSA, Sek II nach EF, Hauptfächer) konzentrieren sich eben echte Lehrer. (ohne innen)
2) Zahlreiche Bildungsschritte fehlen spürbar bis in den Alltag hinein. Mit der Sprache geht es los – und nein, da geht es nicht um besserwissererisches Rumjammern über Kleinigkeiten… sondern richtige Brocken.

Ich persönlich bin da irgendwie semineutral, irgendwie so halt.

Bei Fragen verweise ich SuS oder Eltern an diese Lehrer konsequent zurück – kann ja nicht sein, dass so ein verbrennerautofahrender mw-Lehrer da mansplainerisch sich in den Unterricht einmischt… ist glücklicherweise kein Mienenfeld, dass ich entschärfen muss.

Ansonsten:
1) Wirklich nette Kolleginnen und Kollegen, ich finde sie erfrischend anders und lustig.
2) Ein geringer Anteil (subjektiv: 20%) wird sicher bald sehr gute Lehrer abgegeben. Rest… joa, siehe oben.

Salentin
1 Jahr zuvor

Nach dem Krieg gab es im Osten, als man alle Lehrer mit „brauner Vergangenheit“ entließ, die sogenannten Neulehrer, die meist keine Lehrerausbildung hinter sich hatten. Haben die schlechte Arbeit geleistet?

Last edited 1 Jahr zuvor by Salentin
Bauklötzchen
1 Jahr zuvor
Antwortet  Salentin

Mein Großvater war ein solcher Neulehrer. Und Sie können mir glauben: Da lief Unterricht auch noch in ganz anderen Dimensionen ab. Zur Not gab’s für renitente Schüler eins drauf. Auf psychische Prädispositionen oder Heterogenität musste keine Rücksicht genommen werden. Administrative Aufgaben fielen nicht mal ansatzweise im heutigen Ausmaß an. Elternarbeit gestaltete sich auch ein wenig anders.
Die Klassenleiterin meiner Nichte, die in Anklam lebt und die GS besucht, hat vorher in einem Fitnessstudio gearbeitet. Auch ne Art Lehrerin, kann man so sehen. Meine Schwägerin ist jedenfalls völlig verzweifelt. Wenn Sie jetzt denken, diese Frau würde vorrangig in Sport eingesetzt werden, irren Sie.
Ihre Frage ist wahrscheinlich mit „Nein“ zu beantworten. Hat aber leider mit der aktuellen Situation nichts zu tun. Die Voraussetzungen und Aufgabenbereiche des Berufs haben sich völlig verändert. Insofern wäre professionelles, gut ausgebildetes Lehr- und Erziehungspersonal heute wichtiger als je zuvor.

Alla
1 Jahr zuvor
Antwortet  Bauklötzchen

Ich bin Jahrgang 55, in NRW aufgewachsen und habe die Neulehrer nicht mehr erlebt, obwohl es diese nach dem Krieg auch hier oft gab, waren doch viele Lehrer gefallen.
Ich bin in eher ländlichen Verhältnissen groß geworden. 40 Erstklässler, zusammengepfercht in 4-er Bänke, alles ging auf Kommando und am Ende einer Woche war der Rohrstock kaputt. Das ungezogenste Kind musste ihn ersetzen, weshalb es zu Hause wieder Ärger gab.
Verhaltensoriginalität wurde nicht geduldet.
70% der Kinder verließen die Volksschule mit 14-15 Jahren um dann in die Ausbildung zu gehen. Jeder konnte lesen und fehlerfrei und sauber schreiben, beherrschte die Zinsrechnung und technisches Zeichnen. Viele eröffneten später ihre eigenen Betriebe und wurden wohlhabend, zumindest im Vergleich zu meinem Lehrergehalt.

Man kann die Schule damals wirklich nicht mit den heutigen Anforderungen vergleichen. Aber ungebildeter waren wir auch nicht, wage ich zu behaupten.

Last edited 1 Jahr zuvor by Alla
Realist
1 Jahr zuvor

Wichtig ist hauptsächlch, dass sich die ausgebildeten Lehrkräfte nicht dafür verantwortlich fühlen, eventuelle Mehrarbeit, die durch das massenweise Einstellen von Nicht-Fachkräften entsteht, auf sich zu nehmen. Das sollen ruhig die Verursacher dieser Krise, also die Kultusminiterien, ausbaden.

M.I. Green
1 Jahr zuvor
Antwortet  Realist

Das ist unverschämt. Die Quereinsteiger entlasten, wenn man sie richtig einsetzt und engmaschig vorbereitet einsetzt, sodass sie einfach arbeiten können ohne, dass man sie erst mal den Ausgebildeten gegenüber demütig zu Kreuze kriechen lässt! Das dürfte eine Frage des Personalmanagements sein! ,,Veränderte Aufgabenbereiche“ im Bildungswesen! Ich lache mich tot! Brandstiftende Feuerwehrleute dürften zur ,Entakademisierung‘ innerhalb des Berufsfeldes nicht in unerheblichen Maße beigetragen haben! Wenn die Organisationskultur im schulischen Bildungswesen intrigante Menschen mit unrealistischem Anspruchsdenken und eigennuetzig arbeitende Seilschaften hervorbringt, sollte man vielleicht einfach bundesweit mit einem Befreiungsschlag dafür sorgen, dass das Anreizsystem keine materialistischen eingestellten Menschen begünstigt, sondern inhaltlich gut organisiert wird und einer gute Lebensführung nicht im Wege steht! Wer viel verdienen will, soll sich gefälligst in wirklich wettbewerbsorientierten Branchen Stärkeren stellen, und sehen, ob er ohne Garantie auf hohen Verdienst überhaupt finanziell überleben kann!

Bla
1 Jahr zuvor
Antwortet  M.I. Green

Darum ging es doch Realist gar nicht? Zumindest nicht in seinem Kommentar hier.
„Forderung“: Keine Mehrarbeit dadurch für ‚ausgebildete Lehrkräfte“. Das sollte auch eben ein Ziel sein.
Wenn das klappt, prima.

„Konkurrenz“? Wo denn bitte… Es herrscht (starker) Lehrkräftemangel. Viele LuL sind Beamte und haben wohl kaum zu befürchten, dass sie in einer Konkurrenzsituation stehen werden.
Die Angestellten braucht man ebenso (momentan?).

„Entakademisierung“: Naja es bringt halt (dann) nichts mehr auf Lehramt zu studieren. Das muss man einfach so klar sagen und sollte allen Beteiligten (Schulleitung, LuL, Eltern, SuS, Politiker …) klar sein. Dann bitte auch beim Namen nennen. Da müsste die Politik eben gerade stehen, falls das „Konzept“ dann nicht funktioniert. Eltern dann zu den Ministerien und nicht zur Schule für ggf. Beschwerden diesbezüglich. Das wäre auch fair und logisch als Konsequenz.

Anscheinend will man die Rahmenbedingungen nur bedingt verbessern (zumindest in der Theorie).
Mehr Personal ist grundlegend mal gut. Aber halt nicht das Einzige.
Transparenz ist hier mal eindeutig zu benennen.

Karin Arnold
1 Jahr zuvor

Da kann ich nur sagen : ganz großartig! Endlich mal frischer Wind,
Viel Glück den neuen Kollegen
Erfährt man mal die Abbrecherquote?