Rechtsextremismus an Schulen zieht Kreise – immer mehr Fälle werden bekannt

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Sprembergs Bürgermeisterin Christine Herntier (parteilos) hat ein entschiedeneres Vorgehen gegen rechtes Gedankengut angekündigt. Sie reagierte damit auf Berichte über rechtsextreme Vorfälle an einem Gymnasium in Spremberg (Spree-Neiße-Kreis). In einer Mitteilung der Stadt äußerte sich Herntier erschüttert. Unterdessen erreichen die Brandenburger Schulämter eine Welle von Meldungen rechtsextremer Vorfälle aus Schulen. Auslöser war ein Brandbrief von Lehrkräften einer Oberschule in Burg (News4teachers berichtete).

Wie groß ist das Problem mit Rechtsextremen an Schulen? Foto: Shutterstock / rkl_foto

«Wir bedauern, dass die sichtbaren Erfolge bei der Eindämmung der Verbreitung rechten Gedankengutes nun durch die bekannt gewordenen Vorwürfe relativiert werden. Das können und werden wir nicht hinnehmen, schadet es doch der gesamten Stadtgesellschaft», erklärte Bürgermeisterin Herntier.

In einem TV-Beitrag des ARD-Magazins «Kontraste» hatten Schüler an dem Spremberger Gymnasium von rechtsextremen Vorfällen im Umfeld der Schule berichtet. «Schüler kleben sich Klebestreifen als Hitler-Bart auf und machen Hitlergrüße und die anderen grüßen zurück», wurde etwa ein Neuntklässler im Bericht zitiert. Schüler sollen Hakenkreuze an Wände geschmiert und in Tische geritzt haben, wie weitere Jugendliche erzählen, mit denen «Kontraste» und ein Recherche-Team des RBB gesprochen haben.

Zudem liegen den Redaktionen Screenshots aus dem internen Whatsapp-Chat einer Klasse vor. In der Gruppe teilen Schüler etwa ein Hitler-Meme mit der Aufschrift: «Du bist lustig, dich vergas ich zuletzt». Sie stimmen darüber ab, ob Weiße das N-Wort sagen dürften – eine früher gebräuchliche rassistische Bezeichnung für Schwarze. Nicht nur ist die Mehrheit der an der Umfrage Teilnehmenden dafür, ein Drittel stimmt für die wohl mindestens genauso rassistische Antwortoption «monkey», also «Affe».

Herntier sagte, um dagegen anzugehen, werde die Zivilgesellschaft gestärkt und den Bürgerinnen und Bürgern noch mehr Angebote gemacht, sich an der Gestaltung ihrer Stadt zu beteiligen. «Auch das Thema des Umgangs mit rechtsextremen Gedankengut darf dabei nicht ausgeklammert werden», hieß es in der Mitteilung. Es sei übergreifender Konsens, dass Toleranz und Willkommenskultur Voraussetzung für die wirtschaftliche Entwicklung in Spremberg/Grodk seien.

Die Staatlichen Schulämter in Brandenburg verzeichnen seit dem Bekanntwerden rechtsextremer Vorfälle im Spreewald mehr solcher Fälle. Zwischen dem 1. und 12. Mai dieses Jahres meldeten die Schulleitungen in Brandenburg laut Ministerium 19 Vorfälle die Schulämter.  Die meisten neuen Vorkommnisse gab es nach Angaben des Bildungsministeriums in Südbrandenburg im Bereich des Staatlichen Schulamts Cottbus. Dort liegt auch die Schule in Burg im Spreewald, wo Lehrkräfte in einem Brief beklagt hatten, sie seien täglich mit Rechtsextremismus, Sexismus und Homophobie konfrontiert. Die Aufarbeitung der Fälle dauert an.

Kontraste und dem RBB liegen weitere Fotos aus dem unmittelbaren Umfeld einer Schule vor, diesmal geht es um ein Cottbuser Gymnasium. Die Aufnahmen sollen beim Abiball entstanden sein. Wieder zeigen junge Menschen den Hitlergruß. Ein entsprechendes Gruppenfoto von Schülerinnen und Schülern aus Burg kursiert im Netz.

Die Lausitz – unter anderem mit der Stadt Spremberg – steckt mitten im Strukturwandel angesichts des geplanten Kohleausstiegs bis zum Jahr 2038. Die Energiewende, Unternehmensansiedlungen und der Bedarf an Arbeitskräften stehen im Fokus. Der Politikwissenschaftler Prof. Gideon Botsch äußerte die Befürchtung, dass Brandenburg als Wirtschaftsstandort angesichts rechtsextremer Vorfälle teilweise bedroht sei.

Dass die Lausitz – wie auch einige andere Regionen –, ein dezidiertes Problem mit Rechtextremismus habe, das sei kein neues Phänomen, sagt die Rechtsextremismusforscherin Prof. Heike Radvan von der BTU Cottbus gegenüber dem RBB. «Das zeigen schon Forschungen von Kolleginnen und Kollegen aus den 90er Jahren. Zudem kenne ich Pädagog:innen, die damals für das Landesprogramm „Tolerantes Brandenburg“ Fortbildungen an Schulen durchgeführt haben. Sie haben mir erzählt, wie schwer es in dieser Zeit war, das Thema Rechtsextremismus an Lehrerkollegien heranzutragen und eine Auseinandersetzung herbeizuführen. Es gibt natürlich immer engagierte Lehrkräfte, aber gerade Rechtsextremismus ist ein Thema, bei dem sich auch immer Leute entscheiden, eher wegzugucken und es eben nicht zu thematisieren oder auch Lehrkräfte, die rechte Einstellungen selbst vertreten», erklärte sie. Deshalb hätten sie die aktuellen Meldungen nicht überrascht. News4teachers / mit Material der dpa

Hier geht es zum Bericht des RBB.

Mutige Lehrkräfte, die sich gegen rechtsextreme Schüler und Eltern wehren: „Müssen mit Morddrohungen rechnen“

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30 Kommentare
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HerrWirfHirnVomHimmel
10 Monate zuvor

Wundert es uns?
Nein.
Es wird seid Jahrzehnten verharmlost und geschwiegen. Auf dem rechten Auge blind gilt immer noch viel zu oft in diesem Land.
Und hier im Forum tummeln sich die Steigbügelhalter ja auch zahlreich. Das wird kein gutes Ende nehmen.

Georg
10 Monate zuvor

Das Ende wird übel. Aber aus anderen Gründen, als Sie es hier darstellen.

HerrWirfHirnVomHimmel
10 Monate zuvor
Antwortet  Georg

Aus welchen denn Georg? Sprich dich aus und mach nicht wieder irgendwelche Andeutungen.

Last edited 10 Monate zuvor by HerrWirfHirnVomHimmel
Ignatz Merkel
10 Monate zuvor

Hoffentlich

Gelbe Tulpe
10 Monate zuvor

Die wirtschaftlichen Turbulenzen der letzten 30 Jahre (Finanzkrise, Reallohnverlust seit 1991, Prekarisierung der Arbeitsverhältnisse, steigende Mieten) stärkt rechtsextreme Bewegungen, so wie es schon in den 1920er Jahren der Fall war. Die Wirtschafts- und Sozialpolitik muss so gestaltet werden, dass die Turbulenzen stark abgeschwächt werden. Die Ursachen der Turbulenzen, nämlich Globalisierung, Lobbyismus und zu stark deregulierte Finanzmärkte, müssen energisch bekämpft werden. Demokratie und Menschenrechte sind wichtiger als vermeintliche ökonomische Effizienz und das Partikularinteresse von Großindustrie und des Finanzsektors.

DerechteNorden
10 Monate zuvor
Antwortet  Gelbe Tulpe

Die wirklichen Ursachen nennen Sie nicht. Tolerieren von solchen rechten Auswüchsen und Verharmlosung bzw. Rechtfertigung. Die Wirtschafts- und Sozialpolitik ist nicht zu vergleichen mit den 1920ern. Damals gab es echte Not, heute gibt es Bürgergeld und Grundsicherung.
Wäre es so, wie Sie es beschreiben, müsste die Partei „Die Linke“ sensationell gut dastehen.
Da das nicht so ist, scheint es andere Gründe für diese Auswüchse zu geben.

Achin
10 Monate zuvor
Antwortet  Gelbe Tulpe

Liebe Redaktion,

der Beitrag von „Gelbe Tulpe“ hat mit Formulierungen wie „Partikularinteresse von Großindustrie und des Finanzsektors“ einen sehr unangenehmen Beigeschmack, gerade wenn man das eigentliche Thema des Artikels bedenkt.

Gelbe Tulpe
10 Monate zuvor
Antwortet  Achin

Die Kritik an der Wirtschaft ist gute linke Tradition.

Achin
10 Monate zuvor
Antwortet  Gelbe Tulpe

Gerne, aber dann bitte nicht nur schlagwortartig und nicht von 1969. Die „Partikularinteressen“ von „Großindustrie“ und „Finanzsektor“ sind alles andere als deckungsgleich. Sorry, aber das ist unterkomplex.

NichtErnstZuNehmen
10 Monate zuvor
Antwortet  Gelbe Tulpe

PLURV in Reinkultur.

Georg
10 Monate zuvor

Darf man die Wirtschaft jetzt kritisieren (linke Politik bis Sozialismus/Kommunismus) oder nicht (liberale Politik bis Kapitalismus)?

NichtErnstZuNehmen
10 Monate zuvor
Antwortet  Georg

Kann Georg auch so schreiben, dass andere es verstehen oder nicht?

Georg
10 Monate zuvor

Sie verstehen mich schon. Eine Antwort steht noch aus, wenn Sie nicht selbstwidersprüchlich dastehen wollen.

Harm Robbe
10 Monate zuvor

 «Schüler kleben sich Klebestreifen als Hitler-Bart auf und machen Hitlergrüße und die anderen grüßen zurück»
Wenn mehrere den Hitlergruß zeigen wird daraus nicht „Hitlergrüße“

Marc
10 Monate zuvor

Hmm. Also wenn ich wem eine rechtsextreme Gesinnung nachweisen will, würde ich mich schon versuchen auf mehr zu beziehen als Memes und „Witzbilder“ in einer Chatgruppe. Klar ist sowas geschmacklos, aber damit zu sagen, dass jemand direkt rechtsextrem sein muss, wenn er hier Witzbilder mit Hitlermotiv verschickt, halte ich doch für zu weitgehend. Zumal Kinder hier auch gerne unreflektiert übrr die Stränge schlagen.

NichtErnstZuNehmen
10 Monate zuvor
Antwortet  Marc

So weit sind wir also gekommen? Hier läuft was extrem in die falsche Richtung. Wehret den Anfängen ist für dich also obsolet. Lieber verniedlichen? Mich widert das nur noch an.

Lovis
10 Monate zuvor

Die „N-Wort“-Kampagne hat dem Kampf gegen Rechts offensichtlich geschadet.
Wie unterscheidet man, ob Schüler den „Hitlergruß“ als Mutprobe bzw. als pubertäre Provokation zeigen oder ob sie Sympathien für den Nationalsozialismus haben?

Pit2018
10 Monate zuvor
Antwortet  Redaktion

Immer hysterischer nach Anzeichen für Rechtsextremismus zu suchen und nur die Blicke auf ihn als Gefahr für die Demokratie darzustellen, scheint Jugendliche zu reizen, ihr Spiel mit diesem Alarmismus zu treiben und ihn für Mutproben oder Provokationen zu benutzen.
Verengte Sichtweisen und Übertreibungen erreichen meist das Gegenteil dessen, was sie erreichen sollen. Einseitigkeit und Unausgewogenheit fordern Ungehorsam und Protest geradezu heraus.

Freiya
9 Monate zuvor
Antwortet  Redaktion

„Wir leben in einem Land, das vom Nationalsozialismus zerstört wurde.“??? Der kam so einfach? Über Nacht? Und die Deutschen hatten damit nichts zu tun, waren sozusagen nur Erduldende? Na, DAS ist aber doch eine höchst dikutable Aussage!

Julia
10 Monate zuvor

Ich bin einigermaßen befremdet, dass news4teachers dieser Tage nicht ein Wort verliert über das Gerichtsurteil über die linksradikale, gewalttätige Lina. E. und ihre Anhänger, die lebensgefährliche Angriffe auf echte oder vermeintliche Rechtsradikale verübt haben und heute Randale in Leipzig machen wollen, weil die Justiz nicht gefällt.
Wie war das noch mit der Behauptung: „Wir sind gegen jeden Extremismus“??

Julia
10 Monate zuvor
Antwortet  Redaktion

Hier kaperte mal wieder jemand meinen Account.

Julia
10 Monate zuvor
Antwortet  Redaktion

Ist dieser Artikel Ihres Bildungsmagazins nicht überschriftet mit „Rechtsextremismus an Schulen zieht Kreise – immer mehr Fälle werden bekannt“?Offensichtlich sind Sie dann doch der Meinung, dass Extremismus durchaus ein Thema für Ihr „Bildungsmagazin“ ist.

Achin
10 Monate zuvor
Antwortet  Julia

Zu meinen Schüler*innen sage ich: Don’t feed the troll. Jetzt halte ich mich selbst nicht daran:

Hoffentlich sind sie keine Lehrer*in, ihr Beitrag hat nichts mit dem oberen Artikel zu tun. Außerdem ist er völlig unsolidarisch gegenüber Kolleg*innen, die von rechten Umtrieben an ihren Schulen betroffen sind.

NichtErnstZuNehmen
10 Monate zuvor
Antwortet  Julia

Was genau hat das mit Schule und Bildung zu tun?

Nalika
9 Monate zuvor

Ach wäre das fein, wenn hundert Eltern ihre Kinder von dieser Schule abmelden würden.
Eine Elternaktion, die sicher mehr und schnellere Reaktionen nach sich ziehen würde.

potschemutschka
9 Monate zuvor
Antwortet  Nalika

Gute Idee, wird aber schon auf Grund mangelnder Alternativ-Schulplätze leider nicht passieren. Wo sollen denn die Schüler hin?