Lehrerjob? Nein, danke! Verband fordert attraktivere Bedingungen (etwa bei der Teilzeit)

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ERFURT. Im neuen Schuljahr werden wohl wieder an vielen Schulen Lehrer fehlen. Das System sei «zu starr», der Seiteneinstieg noch zu unattraktiv – findet der Thüringer Lehrerverband (tlv).

Schuldienst? Och nö. (Symbolfoto) Foto: Shutterstock

Flexibler, fairer und schneller: Im Kampf gegen den Mangel an Lehrkräften sieht der Thüringer Lehrerverband (tlv) noch Verbesserungspotenzial. Ein Ende der Talfahrt sei nicht in Sicht, sagte der kommissarische Vorsitzende des tlv, Frank Fritze, am Dienstag in Erfurt. Der Verband rechnete vor, dass es unterm Strich weniger Lehrer, aber mehr Schüler gebe. Thüringens Bildungsminister Helmut Holter hatte erst vor kurzem gesagt, dass der Lehrermangel auch im neuen Schuljahr eine Herausforderung bleiben werde und nicht garantiert werden könne, dass der Unterricht an jeder Schule immer wie geplant stattfindet.

Der Lehrerverband wies darauf hin, dass im August auf dem Karriereportal des Freistaats noch 816 freie Lehrerstellen ausgeschrieben gewesen seien, davon 750 unbefristet, wie Fritze sagte. Er rechne nicht damit, dass sich an den Zahlen bis zum Start des Unterrichts noch viel ändern werde. In Thüringen gehen in dieser Woche die Ferien zu Ende, am Montag geht der Schulalltag wieder los.

Um die Situation an den Schulen zu verbessern, sieht der Lehrerverband in etlichen Bereichen noch Luft nach oben:

Seiteneinsteiger: «Die Nachqualifizierung scheint gut zu sein, allerdings muss sie so schnell wie möglich für alle Kollegen eröffnet werden», sagte Tim Reukauf, Sprecher des jungen tlv. Er bezog sich auf Angaben von befragten Seiteneinsteigern. Beim tlv wurde eine Arbeitsgruppe gegründet, die sich speziell mit den Anliegen der Seiteneinsteiger befasst, deren Anzahl in Thüringen zuletzt immer größer wurde. In der Regel werden Seiteneinsteiger in Thüringen schlechter bezahlt als ihre auf klassischem Wege ausgebildeten Kollegen. Der Weg bis zu einer gleichen Bezahlung ist lang.

Laut Reukauf wünschten sich viele Seiteneinsteiger einen klaren Fahrplan, was zu tun ist, um eine vollständige Gleichbehandlung zu erreichen. Ein Sprecher des Thüringer Bildungsministeriums sagte, es gebe schon seit langem einen Stufenplan, an dem das abgelesen werden könne. Zudem gebe es eine Hotline mit Beratung für Seiteneinsteiger.

Sowohl Fritze als auch Reukauf betonten, dass Seiteneinsteiger die gleiche Arbeit leisteten wie ihrer Kolleginnen und Kollegen. «Wir können es uns nicht leisten, gerade in der Bildung, bei den Lehrern eine Zwei- beziehungsweise sogar Drei-Klassen-Gesellschaft zuzulassen», sagte Fritze. Es gebe Beamte, Tarifbeschäftigte und die Seiteneinsteiger, erläuterte Fritze.

Der bildungspolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Christian Tischner, sagte, die Unterstützung der Seiteneinsteiger durch zusätzliche Qualifikation und Betreuung sei mangelhaft. «Seiteneinsteiger können nur dann Teil der Lösung sein, wenn sie gut unterstützt und begleitet werden.» Die FDP-Landtagsabgeordnete Franziska Baum sagte, die Situation der Seiteneinsteiger bereite ihr «große Sorgen». «Wir brauchen dringend transparente und nachvollziehbare Strukturen für den Entwicklungsweg dieser neuen Lehrkräfte.» Dabei gehe es auch darum, «die teils deutlich schlechtere Bezahlung der Seiteneinsteiger abzustellen». Eine Möglichkeit sei, einen eigenen Studiengang aufzusetzen. «Er könnte dafür sorgen, dass die Besoldungsanforderungen erfüllt werden.»

Flexibilität: Reukauf bezeichnete das System für Beschäftigte im Bildungsbereich als «starr». Als Beispiel nannte er Regelungen zur Teilzeit. Diese werde bei Lehrerinnen und Lehrern bislang in der Regel nur dann gewährt, wenn sie Kinder unter 18 Jahren hätten oder Angehörige pflegen müssten. «Da sagen viele Kollegen: Ich gehe in ein anderes Bundesland oder in die freie Wirtschaft», so Reukauf. Der jungen Generation sei Work-Life-Balance wichtig. «Ich finde, da muss sich dieses alte Modell Arbeitgeber Freistaat Thüringen neu erfinden.» Es sei doch besser, einen Lehrer zu 80 Prozent zu haben, als keinen, argumentierte er.

Ausbildung: Reukauf sagte, dass es zu wenige Studienplätze für Lehrerinnen und Lehrer in Thüringen gebe. Zugleich forderte er auch die Universitäten auf, sich stärker zu öffnen. Eine Zulassungsbeschränkung für das Lehramt Biologie am Gymnasium etwa sei «nicht nachvollziehbar». Außerdem kritisierte er in Teilen die bisherigen Ausbildungskonzepte. In Jena säßen Lehramtsstudenten beispielsweise bis zur Mitte des Studiums zusammen mit den Studenten des jeweiligen Fachs zusammen in den Seminaren. Dadurch seien die Anforderungen sehr hoch.

Mehr Tempo: Der Verband kritisierte, dass es zu einem CDU-Antrag mit dem Titel «Attraktivität des Lehrerberufs erhöhen und Eigenverantwortung der Schulen stärken» zwar vom Bildungsausschuss eine Beschlussempfehlung gebe, Maßnahmen aber noch nicht umgesetzt seien. Der Antrag ist aus dem Jahr 2020. In der Beschlussempfehlung wird wie Landesregierung unter anderem aufgefordert, Einstellungen in den Thüringer Schuldienst bedarfsorientierter zu gestalten, ein «bundesweit konkurrenzfähiges Aufstiegs-, Beförderungs- und Zulagensystem» einzuführen und Seiteneinsteiger ausreichend zu qualifizieren. «Arbeiten Sie Ihre eigene Agenda zeitnah ab und behandeln Sie die Themen, die Sie sich selbst aufgetragen haben!», forderte der tlv. News4teachers / mit Material der dpa

KMK-Kommission sagt 20 Jahre Lehrermangel voraus – sie empfiehlt: Mehrarbeit für Lehrkräfte, Hybridunterricht, größere Klassen

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Rainer Zufall
8 Monate zuvor

Ich will keine Klischees bedienen, aber wäre work-life-balance nicht ein pro-Argument für den Schuldienst? Keine Schichtarbeit, planbare Arbeitszeiten, feste Urlaubszeiten? Mit Teilzeit wäre dies doch zumindest nicht schlecht?

Moriane
8 Monate zuvor
Antwortet  Rainer Zufall

Da stimme ich durchaus zu. Auch wenn jetzt wieder viele aufjaulen….
Und das Gehalt stimmt auch, vor allem nach dem aktiven Dienst, aus dem man früher ausscheiden kann als in vielen anderen Gruppen des ÖD.

Raimund Harburg
8 Monate zuvor
Antwortet  Moriane

In welche Blase leben Sie denn?

woanders gehen teilweise mit fast 100% mit 57 raus.
woanders gab es schon 3000 Er Inflationsausgleich und 12 Prozent Anhebung wegen teuer Energiepreise und Inflation.

sollten sich mal erkundigen und nicht nur die Nachbarin im Lehrerzimmer mit ihrer Situation vergleichen

TheTeacher
8 Monate zuvor
Antwortet  Rainer Zufall

Es gibt sicherlich auch positive Aspekte im Bezug auf die Work-Life-Balance im Beruf Lehrer, aber ich will kurz auf ihre Beispiele eingehen:

1.) Keine Schichtarbeit
Der Vergleich hinkt ein wenig, denn der Vergleich sollte mit anderen Akademikerberufen geführt werden, in denen Schichtarbeit zur Seltenheit gehört.

2.) Planbare Arbeitszeiten
Das stimmt grundsätzlich schon. Aus Lust an der Freude arbeiten jedoch die wenigsten Lehrer auch am Wochenende. Dorthin möchte man seine Arbeitszeit eigentlich nicht einplanen müssen.

3.) Feste Urlaubszeiten
Als Lehrer kann man sich leider keinen Urlaub außerhalb der Ferien und damit Hauptreisezeiten nehmen. Benötigte Verschnaufpausen sind nicht drin und in den Ferien ist überall (in Deutschland) Betrieb.

Verschiedene Faktoren (Nachmittagsunterricht, Schulart, Fächer, Aufgabenbereiche, Klassenleitungen, etc.) üben einen positiven oder negativen Einfluss auf die Work-Life-Balance aus. Für machen ein Topf auf den Deckel, für andere eine Qual. Ich denke nicht, dass der Beruf Lehrer im Vergleich zu anderen Berufen besonders gut dasteht, wobei ich auch gewisse positive Aspekte durchaus anerkenne..

Realist
8 Monate zuvor
Antwortet  TheTeacher

1.) Keine Schichtarbeit:
Ja, ist schon toll in den Hochzeiten 6-Tage-Wochen zu haben und nicht solche Zumutungen wie 4 Tage Arbeit und anschließend 3 Tage frei wie im (rotierenden) Schichtdienst.

2.) Planbare Arbeitszeiten
Stimmt. Bei jedem Abitur kann man schon einmal 60-Stunden-Wochen einplanen. Bei Klassenfahrten sogar 24-Stunden-Arbeitstage.

3.) Feste Urlaubszeiten
Ist das jetzt der neue Euphemismus für „unflexible Urlaubszeiten“?

Katinka
8 Monate zuvor
Antwortet  Rainer Zufall

Es ist leider nie eine echte Teilzeit als Lehrkraft. Im Vergleich mit befreundeten Müttern, die Teilzeit wirklich nach Stunden hatten (also z.B. 75% Teilzeit = 30 Stunden Arbeitszeit), hatte ich während der Schulwochen das Nachsehen, da der Unterricht manchmal länger ging als die Kita auf hatte und das Deputatsmodell sich nur auf die zu haltenden Unterrichtsstunden bezieht. Außerdem gibt es zu viele unteilbare Aufgaben im Lehrerberuf, in Teilzeit hat man anteilig immer mehr Mehrarbeit. Im Umkehrschluss musste ich mich dafür meist nicht um Ferienbetreuung kümmern, was ein großer Vorteil ist (dennoch nicht immer einfach gewesen mit kleinen Kindern, wenn ich Korrekturstapel auf dem Tisch hatte).

PT NRW
8 Monate zuvor
Antwortet  Katinka

Sie haben bestimmt recht damit, dass Teilzeit im Lehrerberuf nicht immer aufgeht, z.b. Elternabend, Teamsitzungen, Konferenzen, Korrekturen….
Allerdings trifft dies auch auf weitere Berufsgruppen zu, die Arbeit mit nach Hause nehmen/ über bezahlte Zeit hinaus erreichbar sein müssen…

Caro
8 Monate zuvor
Antwortet  PT NRW

„…über bezahlte Zeit hinaus erreichbar sein müssen…“ für Nichtkollegen oder Kunden (= Eltern, außerschulische Beratungsstellen,…) im telefonischen Fall aber nur über Diensthandy bzw. Rufumleitungen und nicht über die Herausgabe privater Kontaktdaten, auf eigene Kosten und ggf. den Zwang, selbst für Rufnummerunterdrückung zu sorgen.

Katinka
8 Monate zuvor
Antwortet  PT NRW

Was hat das jetzt mit diesem Artikel zu tun und dem Thema Arbeitsbedingungen für Lehrkräfte?

Oberkrämer
8 Monate zuvor
Antwortet  Rainer Zufall

Sie haben Recht!

Ragnar Danneskjoeld
8 Monate zuvor
Antwortet  Rainer Zufall

@Rainer Zufall:

Theoretisch stimmt das. Praktisch wird das oft schwierig. Wenn Sie z.B. (wie ich) am Freitag oft bis 17 Uhr an der Schule sind (Konferenzen, etc.) und am Montag dann wieder sechs Unterrichtsstunden haben, dann sieht das Wochenende so aus: Samstag: irgendwie erholen, Sonntag: Unterricht vorbereiten/Korrektur.

Auch mit TZ haben Sie oftmals keinen freien Tag, sondern einfach nur mehr Hohlstunden. So muss es nicht sein – aber so ist es allzu oft.

Canishine
8 Monate zuvor
Antwortet  Rainer Zufall

Keine Schichtarbeit und planbare Arbeitszeit? Begrenzt richtig, denn z.B mindestens in Korrekturphasen sind auch Spät- und Wochenendschichten nötig. Und gewisse Anliegen (Schüler, Eltern, Kollegen, Schulleitung, …) sind weder plan- noch verschiebbar und können einen Zeitplan völlig über den Haufen werfen. Und die Urlaubszeiten kenne ich, abgesehen von den Sommerferien, auch erst sicher, wenn die Klausur- und Klassenarbeitspläne stehen (Korrekturferien).

Clemes F.
8 Monate zuvor
Antwortet  Rainer Zufall

Welche Work-Life-Balance? In welcher Welt leben Sie denn?
Ich arbeite Vollzeit, also keine Teilzeit, und das bedeutet in der Regel >50 Zeitstunden, dazu noch arbeiten am Wochenende (insbesondere am Sonntag). Und Urlaubszeiten? Ich habe mich erstmal als Klassenlehrer mit den Widersprüchen gegen die Zeugnisse auseinanderzusetzen, dann die Vorbereitungswoche (obwohl das der Lehrerarbeitszeitverordnung steht, dass Lehrer mit 45 Wochenarbeitsstunden alle Ferien und Feiertage herausgearbeitet hätten). Und Schichtarbeiter, die Glücklichen, bekommen ihre Überstunden und Wochenend- und Nachtdienste bezahlt. Lehrer können davon nur träumen.

Marie-Luise
8 Monate zuvor

genau, mehr work-life Balance, Leute. Flexibel und attraktiv mit 3-4 Tage Woche für Lehrkräfte / ausgebautem homeschooling.

Projektage zb. freitags oder mittwochs (sowas maschen sie schon in Sachsen/Sachsen-Anhalt.

Sind Lehrer fast die einzigen, die montags und freitags noch zur Schule pendeln? 😀

Mika
8 Monate zuvor
Antwortet  Marie-Luise

Das Modellprojekt in Sachsen-Anhalt mit der 4Tagewoche betrifft derzeit 12 Schulen. Die 4Tagewoche bedeutet nicht, dass die Lehrkräfte nur 4 Tage arbeiten. Die 12 Schulen gestalten das sehr unterschiedlich aus: an einer Schule findet an 4 Tagen ganz normal Unterricht und am 5. Tag Projektunterricht statt: vorbereitet und durchgeführt von den Lehrkräften. Die 4 Tage beziehen sich lediglich auf den Regelunterricht der Schüler, nicht auf die Arbeitszeit der Lehrkräfte.

Dejott
8 Monate zuvor

Mit Verlaub: Freiwillig in einem Bundesland Lehrer werden, in dem der nächste Kultusminister eventuell von der AFD kommt….da müsste man eigentlich Haue für kriegen.

Egon
8 Monate zuvor
Antwortet  Dejott

Kein Kultusminister hat heute noch einen großen Entscheidungsspielraum. Fast alles ist juristisch festgezurrt. Man sieht das auch daran, dass die Kultusminister der Linkspartei auch nicht für die Umsetzung ihrer eigentlichen Ziele gesorgt haben. Nur bei den Sonntagsreden gibt’s noch Unterschiede. Die Linkspartei schimpft auf das Zwei-Säulen-Modell, will es aber dennoch nicht abschaffen, wo sie regiert (z.B. in Thüringen):
https://www.linksfraktion-hamburg.de/termine/corona-und-die-folgen-fuer-die-stadtteilschulen/
Es gibt in Thüringen Gemeinschaftsschulen, Gymnasien, Gesamtschulen, Regelschulen und Förderschulen, das erklärt eine Informationsseite des Kultusministeriums in 8 Sprachen („Schulsystem Thüringen“ googeln).

Bayer
8 Monate zuvor
Antwortet  Egon

Dann fragen Sie mal Anfangsrefis und LuL mit gerade fertigem Referendariat, die 100km einfach in Kauf nehmen, um in Bayern anzufangen.
Sie trauen ( abgesehen von noch ein paar Bonbons ) den braunblauen Wolken nicht.
und: Der Entscheidungsspielraum eines KM erscheint mir groß genug, wenn andere Starke, Getreue – wie soll ich dieie sonst nennen? – hinter, vor und ihm zur Seite stehen – über 35%….

Dejott
8 Monate zuvor
Antwortet  Egon

Unter einem rechtsextremen Dienstherren arbeiten? Sich gar auf Lebenszeit verbeamten lassen? Nee, danke.
Zumal die Vorstellung, es würde sich kaum etwas ändern, reichlich naiv ist.

Oberkrämer
8 Monate zuvor
Antwortet  Dejott

Einige werden dort deshalb nicht Lehrer werden wollen; andere werden dort deshalb Lehrer werden wollen. Was soll’s?!?

Walter Hasenbrot
8 Monate zuvor
Antwortet  Oberkrämer

Sind Sie Anhänger der rechtsextremen AfD?

Wer wegen der AfD, die ja in Thüringen gesichert rechtsextrem ist, Lehrer werden will, ist für den Staatsdienst nicht geeignet. Schließlich schwört man ja, sich für die demokratische Grundordnung einzusetzen.

Rechtsextreme tun das Gegenteil.

Gudrun
8 Monate zuvor
Antwortet  Oberkrämer

Die Vorstellung, dass andere gerade deshalb dort Lehrer werden wollen, ist nicht von der Hand zu weisen. Man will das gar nicht zu Ende denken.

Thorsten aus Deutschland
8 Monate zuvor

Manche haben es noch nicht kapiert:#

Beispiel Wirtschaft / Unternehmen / Büro
schöne 34 Std. Woche, Gleitzeit, montags und freitags mind. im homeoffice und an allen anderen Tagen, wo es mal härter ist ( Feste/ Rückkehr aus Urlaub, heiße Tage, winterliche Bedingungen), Weihnachtsgeld, 13. Monatsgehalt, Bonus, Karrieremöglichkeiten, Inflationsausgleich und Prämie

Lehrerinnen und Lehrer:

42 Std. Woche, Wochenendarbeit, viel Arbeit abends Korrekturen / Abitur (macht oft 60 Std Wochen)= , 5 Tage Woche, teilweise 10 Freistd. Nachmittagsunterricht, Präsenzzeiten, kein homeoffice aktuell, keine 4-Tage Woche aktuell, keine Prämien (Bonus, Inflationsausgleich etc.),

jetzt nehmen Sie Jugendliche und lassen die überlegn, wofür sie sich entscheiden.

PT NRW
8 Monate zuvor

Bis auf die Tatsache, dass Sie die Jobs in Wirtschaft, Büro… deutlich beschönigen und verklären mag ihre Jobbeschreibung für Lehrer/innen stimmen.

Lambada
8 Monate zuvor

Nein. Einfach nur NEIN.
Oder: dann gehen Sie doch in die Wirtschaft / Unternehmen / Büro und Sie werden sehen: nicht alles trifft zu und auch hier wird gearbeitet.

TheTeacher
8 Monate zuvor
Antwortet  Lambada

Ich kann bei Thorsten nirgends lesen, dass dort nicht gearbeitet wird.

Selbstverständlich treffen seine Aussagen nicht auf alle Arbeitsstellen zu. Ich habe aber gerade noch einmal bei meiner Schwester nachgefragt, die vor einem 3/4 Jahr die Arbeitsstelle (Büro) gewechselt hat. Die Stundenzahl ist etwas höher und das Homeoffice ist nicht montags und freitags, aber zwei Tage in der Woche sind es auch. Dafür fehlt in der Liste das vom Arbeitgeber bezahlte E-Bike und es gab in der Zeit schon zweimal Geschenke vom Chef.

Ein Freund von mit hat seit etwa einem Jahr eine neue Arbeitsstelle. Die Stundenzahl ist höher und Homeoffice geht nicht. Der Rest trifft zu. Dazu bekam er zu Dienstantritt ein IPhone, eine Applewatch und ein IPad geschenkt. Sein Dienstauto konnte er bis zu einem Wert von 80.000 Euro vom Hersteller AUDI aussuchen und das Tanken ist kostenlos.

Ein weiterer Freund arbeitet in der IT-Branche mit Firmenwechsel vor etwa 3-4 Jahren. Die Stundenzahl ist höher, aber der Rest trifft zu. Er kann sogar 4x pro Woche Homeoffice machen. Alle Arbeitsgeräte für das Homeoffice wurden damals neu gekauft und ihm zur Verfügung gestellt. Demnächst gibt es wieder neue. Dazu tatsächlich noch ein Dienstauto, obwohl er ganz selten zu anderen Firmen vor Ort muss. Das Tanken geht auch auf den Arbeitgeber.

Das ist zwar nur anekdotische Evidenz, aber so lange musste ich jetzt nicht suchen, um nur drei Beispiele für solche bzw. ähnliche Zustände zu finden. Je höher die Qualifikation, umso mehr scheint zu gehen. Ganz unqualifiziert sind Lehrer aber bestimmt auch nicht. In puncto „gebotener Leistungen“ gibt es in diesem Bereich offensichtlich zum Teil jedoch durchaus große Unterschiede, die Jugendliche zum Überlegen bringen könnten.

Bla
8 Monate zuvor
Antwortet  TheTeacher

„Je höher die Qualifikation, umso mehr scheint zu gehen.“
Genau das. Das ist der springende Punkt.
Da kann ich auch einige Beispiele anfügen. Gerade im Bereich von Akademikerberufen -> IT, high(er) Marketing, Jurist, Ingenieur, Betriebsleiter … Ist das doch recht Gang und Gäbe.

Klara
8 Monate zuvor
Antwortet  TheTeacher

Naja…
Einige / viele / manche Arbeitgeber (AG) zahlen schon seit Jahren nicht das volle Gehalt cash aus, sondern einen Teil als „geldwerten Vorteil“, z. B. einen (teuren) Dienstwagen – Stichwort: „Dienstwagenprivileg“.
1. Der Dienstwagen wird geleast, vom Arbeitnehmer geringfügig versteuert (früher mal 1% des Neuwertes), den Rest zahlen die Steuerzahler*innen.
2. Für das nicht cash ausgezahlte Gehalt, zahlt der AG auch keine Lohnnebenkosten: also geringer Einzahlung in die Sozialversicherung =
– Rentenversicherung
– Pflegeversicherung
– Arbeitslosenversicherung
– Krankenversicherung
Kein Wunder, dass die Sozialsysteme kollabieren, aber sehr lohnend für AG. Staatlich geförderter Besch*ss an mehreren Fronten, wird Zeit, dass das abgeschafft wird, ist aber leider in Sicht. Der Markt regelt ja alles… 🙁

LehramtSusanne
8 Monate zuvor

also vier Tage Woche für Lehrer möglich machen und mehr homeschooling einbauen.
Gehalt um 12 Prozent anheben und 13. Monatsgehalt zahlen.

Schon besser?

Oberkrämer
8 Monate zuvor

Jahrelang hieß es, die Lehrer müssen mehr verdienen, damit der Job wieder attraktiver wird. Ja, darauf verwiesen andere schon. Aber das ist wahr. Alle sagten das und hier auch. Nun ist das alles da und nun hilft es doch nicht. Wo liegt also der Hund begraben?

HellaWahnsinn
8 Monate zuvor
Antwortet  Oberkrämer

Sogar ein toter Hund würde sich fragen, warum Sie z.B. Inflation u.ä. nicht einkalkulieren, wenn Sie schon den Begriff „Jahrelang“ verwenden und warum Sie hier immer wieder nahezu dieselben Fragen stellen.

Wo der tote Hund liegt? Da, wo der Blickwinkel besonders einseitig ist, natürlich unabsichtlich.
Vielleicht liegt der tote Hund aber auch da, wo wo die lange Liste mit schon oft (von Ihnen) gestellten und von Lehrern beantworteten Fragen auch besonders lange Schatten wirft? 😉

Alexi
8 Monate zuvor
Antwortet  Oberkrämer

2,8% in 4 Jahren ist demnach mehr verdienen?

Maggi
8 Monate zuvor
Antwortet  Oberkrämer

Wo verdienen Lehrer denn im Reallohn mehr? Wo ist denn ein Gehaltsausgleich, der die Inflation ansatzweise ausgleicht, wir sprechen noch nicht mal über eine richtige Gehaltserhöhung, denn die beginnt erst nach diesem Ausgleich.

Neben dem Verdienst sind die Rahmenbedingungen bescheiden.
– keine Arbeitszeiterfassung
– kein gut ausgestatteter Arbeitsplatz
– zu große Klassen
– Arbeitnehmerschutz zählt nicht für Beamte (Thema Temperaturen)
– Arbeitsort wird zugewiesen, ohne Absprache
– Beförderungen selten
– keine gesellschaftliche Anerkennung
– jede Schule muss ihr eigenes Konzept entwickeln, wird nicht vom KM für das Bundesland geplant
– Fachkräfte in Verwaltung und für das Netzwerk fehlen
– Lehrer*innen müssen alle Missstände beseitigen (Erziehung, Sprache, Ernährung, Umgang mit digitalen Geräten,….)
– usw…

Christabel
8 Monate zuvor
Antwortet  Maggi

Oh, gibt es irgendwo Arbeitsschutz für Angestellte? Wo denn?

TheTeacher
8 Monate zuvor
Antwortet  Oberkrämer

Frage: „Wo liegt also der Hund begraben?“
Antwort: An ihrem
mangelnden Verständnis für die Problematik.

Bei der Forderung nach einem höheren Gehalt ging es vor allem um Grundschullehrer, die unverständlicherweise weniger Geld, bei höherer Stundenzahl, bekommen als Lehrer anderer Schularten. Zudem gibt es den umstrittenen Unterschied zwischen dem Gehalt angestellten und verbeamteten Lehrern. Darüber hinaus vergüten die Bundesländer verschieden. Die Gehaltsfrage ist also durchaus kompliziert. Das Gehalt spielt nur eine Rolle, wenn es im mehr Attraktivität geht, jedoch eine durchaus wichtige.

Es gibt jedoch noch durchaus mehr Einflussfaktoren auf die Attraktivität. Zwar bin ich mit meiner Arbeit zufrieden, aber nicht wegen, sondern trotz der Arbeitsbedingungen, über die viele Menschen aus der „freien Wirtschaft“ nur den Kopf schütteln.

Ich gebe Ihnen einen kurzen Einblick in meine Arbeitswelt. Mein Stuhl im Lehrerzimmer ist über 30 Jahre alt. Ergonomie kennt er nicht, so dass die 1,50m-Kollegin genauso damit zurechtkommen muss, wie der 1,95m-Kollege. Der Tisch reicht bei weitem nicht zur Ablage aller Materialien und ist natürlich auch nicht höhenverstellbar. 18 Kollegen teilen sich drei Steckdosen, einen PC, der Minuten zum Hochfahren braucht und Peripheriegeräte hat, die älter als die Fünftklässler sind. Den einzigen schwarz-weiß-Drucker teilen wir uns mit den Kollegen aus dem Nachbarlehrerzimmer, solange er funktioniert und der Toner nicht leer ist. Der Bewegungsfreiraum ist ausgemessen in diesem und den meisten anderen Lehrerzimmern so klein, dass Legehennen im Bezug auf die Körpergröße mehr Platz zur Verfügung gestellt bekommen. Im Gegensatz zu vielen Büros bringen wir alle Getränke selbst mit, da keine zur Verfügung gestellt werden. Dem verkalkten Wasserhahn vertraut niemand. Die Innentemperatur entspricht im Sommer den Außentemperaturen, da es keinerlei Abhilfe gibt. Die WCs sind direkt am Gang gelegen, wodurch die Schüssel etwa zwei Meter von den vorübergehenden Schülern, durch eine dünne Tür getrennt, entfernt ist.
Über 100 Kollegen teilen sich drei Kopierer und leider ist das Kopierpapier hin und wieder nicht mehr da, weil der gezwungenermaßen günstigste Anbieter wohl leider gerade einen Engpass hat. Die automatische Klammerfunktion des Kopierers ist übrigens abgeschaltet, da für Klammern kein Geld da ist. Der Bestand an Laminierfolien ist so gering, dass ohne selbst gekaufte Folien nichts gehen würde. Zwei Schneidemaschinen, eine Schere und zwei Locher runden das Angebot zur Erstellung von Arbeitsmaterialien ab.

Ich werde hier abbrechen, da weitere Felder den Rahmen mehr als sprengen würden. Auf Themen wie Klassenzimmer, elektronische Ausrüstung, Arbeitszeiten, Extra-Aufgaben, Verantwortung und viele mehr bin ich deshalb nicht eingegangen.

Ich übe meinen Beruf gerne aus und gehe an 99% der Tage gerne in die Schule. Die Rahmenbedingungen sind aber ganz sicher ausbaufähig und motivieren bestimmt niemanden dort arbeiten zu wollen. Vorzeigeschulen gibt es gleichzeitig auch, aber meine Welt überschneidet sich mit den Berichten von vielen Kollegen an anderen Schulen. Wir können hier zumindest alle Fenster öffnen und schließen, haben kein Schimmelbefall und die Sporthalle ist nicht latent einsturzgefährdet.

Es ist also nicht nur das Gehalt (Meines ist übrigens im Vergleich zur „freien Wirtschaft“ seit Jahren geringer gestiegen). Es gibt noch zahlreiche andere Baustellen, die die Attraktivität negativ beeinflussen und angegangen werden sollten und müssen.

Klara
8 Monate zuvor
Antwortet  TheTeacher

Sie haben einen (womöglich eigenen) Stuhl im Lehrerzimmer? 😉
Bei uns ist in jeder Hofpause „Reise nach Jerusalem“ angesagt. Wer zu spät kommt, …
Bei (kurzen / kurzfristig einberufenen) Dienstberatungen reichen weder die Stühle noch der Platz im LZ für alle Kolleg*innen.
Im LZ abgelegtes Unterrichtsmaterial findet man mit viel Glück wieder, aber sicher nicht dort, wo man es sich bereit gelegt hatte.
Und das ist auch nur ein winziges Detail aus MEINEM Alltag…

Kalle13
8 Monate zuvor
Antwortet  Oberkrämer

Wo verdienen Lehrer mehr als vor, sagen wir, 10 Jahren?
Gemessen an der Kaufkraft und das ist nunmal die richtige Größe zum Vergleichen, ist das Gehalt immer gesunken.
Ein Freund arbeitet in der Heimbetreuung für Suchtkranke (ungelernt) und hat 2.200 Netto raus. Wieso sollte nun jemand z. B. Grundschullehramt studieren?
Der Lohn ist für die Ausbildungszeit maximal durchschnitt und nicht mehr.

Bla
8 Monate zuvor
Antwortet  Oberkrämer

Jetzt kann ich die Forderung nach mehr Finanzwissen und Umgang mit Geld nachvollziehen. Danke.

Ragnar Danneskjoeld
8 Monate zuvor
Antwortet  Oberkrämer

Vor zwanzig Jahren habe ich mein Praxissemester gemacht. Mein Ausbildungslehrer, damals schon so um die zwanzig Jahre im Dienst, sagte zu mir sinngemäß:

„Meine Frau ist Sekretärin in einem Betrieb mit IGM-Flächentarif. Ich habe zu Beginn unserer Ehe das Doppelte verdient. Mittlerweile verdiene ich nur noch 50 Prozent mehr als sie, dabei hat keiner von uns „Karriere“ gemacht.“

Ich weiß nicht, wie sich das in den letzten zwanzig Jahren weiterentwickelt hat. Aber irgendetwas sagt mir, dass es sich nicht zu Gunsten meines Berufes verschoben hat.

Gelbe Tulpe
8 Monate zuvor

Man sollte schauen, dass der Unterricht wieder jeden Tag gegen 13 Uhr zu Ende ist. Dann kann man in Ruhe am Nachmittag korrigieren und Unterricht vorbereiten. Ganztagsschule und dann noch Arbeit zu Hause bis in die Nacht macht den Beruf hingegen maximal unattraktiv.

Clemes F.
8 Monate zuvor
Antwortet  Gelbe Tulpe

Ja, das würde schon für sehr viel Erleichterung sorgen.

Walter Hasenbrot
8 Monate zuvor

Die Länder kriegen es ja nicht einmal hin, die Arbeitszeit von Lehrkräften zu erfassen, obwohl sie dazu verpflichtet sind.

Es ist auch verständlich, warum sie das nicht wollen. Wenn die systematische unvergütete Mehrarbeit der LehrerInnen wegfallen würde, würden gleich noch einmal einige Tausend Lehrkräfte mehr gebraucht.

Und die sind ja heute schon nicht da.

Christabel
8 Monate zuvor

Mir geht vor allem diese völlige Willkür beim Unterrichtseinsatz an die Substanz. Jedes Jahr bangt man, welche Überraschungen der neue Stundenplan jetzt schon wieder bietet. Ich meine damit nicht, schwierige Klassen oder Jahrgangsstufen abzulehnen oder Rosinen zu picken, sondern die Verteilung. Acht Stunden am Stück mit Fahrt zum anderen Standort zwischendurch oder ähnliche Zumutungen sind einfach normal geworden, Korrekturklassen ohne Ende etc. Wie soll man damit diesen Beruf Jüngeren schmackhaft machen? Ich beneide mittlerweile meine Kinder, die Homeoffice machen können, mehr Geld verdienen werden und die komplette Ausstattung gestellt bekommen.