Finanzbildung: Jüngere schätzen ihr Wissen ums Geld als schlecht ein

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ERFURT. Bereitet die Schule hinreichend auf das Leben vor? Bei der finanziellen Bildung in Deutschland besteht offenbar noch Luft nach oben, ergab jetzt eine Studie. Wirtschaftswissenschaftler Johannes Treu fordert mehr Aufklärung.

Börsenkurse kommen in Schule selten zur Sprache. Foto: Shutterstock

Die Fähigkeit, fundierte finanzielle Entscheidungen zu treffen, ist für Menschen das ganze Leben hindurch von großer Bedeutung. „Der Umgang mit Geld und das Verstehen von Investitionen, Schulden und Finanzinstrumenten entscheiden darüber, ob Menschen ein finanziell stabiles Leben führen und finanzielle Ziele erreichen“, formuliert etwa Johannes Treu, Professor für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre und Volkswirtschaftslehre an der in Erfurt beheimateten Internationalen Hochschule (IU).

Doch wie nun eine IU-Studie ergab: Um die finanzielle Bildung der Deutschen ist es nach wie vor schlecht bestellt. Für die Untersuchung mit dem Titel „Finanzielle Bildung – wie steht es um das Finanzwissen in Deutschland?“ hatte Treu insgesamt 1.202 Personen zwischen 16 und 65 Jahren, repräsentativ nach Alter und Geschlecht befragt.

Finanzielle Bildung hat hohen Stellenwert

Fast alle Befragten (92,3 Prozent) fanden finanzielle Bildung eher wichtig bis sehr wichtig. 79,7 Prozent schätzten ihre finanzielle Bildung selbst als eher gut bis sehr gut ein. Bei der Messung der finanziellen Bildung, orientiert am „OECD Toolkit for Financial Literacy and Financial Inclusion“, erreichten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer dagegen von insgesamt 20 möglichen Punkten nur einen Gesamtwert von durchschnittlich 10,7. Unterteilt in gemessene Teilaspekte ergaben sich beim Wissen 4,9 von 7 Punkten, beim Verhalten 3,7 von 9 Punkten und bei der Einstellung zu Finanzen 2,1 von 4 Punkten.

„Wir müssen vor allem jungen Menschen besseres Finanzwissen vermitteln“, stellt Johannes Treu angesichts dieser Ergebnisse fest. Dabei sollte nicht nur die Schule ein Basisverständnis schaffen; überdies brauche es digitale, geprüfte Anlaufpunkte, bei denen Alle verständliche Informationen erhalten.

Familie ist Quelle Nummer Eins für Finanzbildung

Nur knapp die Hälfte der Befragten (49,2 Prozent) fühlte sich durch ihre schulische Ausbildung finanziell gebildet, zum Beispiel über Fächer wie Wirtschaft oder Sozialkunde. Neun von zehn Befragten (89,3 Prozent) allerdings bildeten sich weiter, wenn es um finanzielle Themen geht. Sie setzen dafür vor allem auf die Familie: 41,3 Prozent der Befragten nannten diese Quelle für Finanzwissen am häufigsten. In der Generation Z, also den unter 25-Jährigen, gaben sogar 60,6 Prozent der Befragten an, dass die Familie eine Informationsquelle sei.

Nach der Familie folgen Quellen wie allgemeine Ratgeber (37,1 Prozent), Finanzwebseiten mit klassischen Informationen (36,6 Prozent) und Empfehlungen von Freundinnen und Freunden oder Bekannten (35,2 Prozent). Bei den unter 25-jährigen Befragten hatten Influencerinnen und Influencer sowie soziale Medien mit 38,9 Prozent einen weitaus höheren Stellenwert als beim Durchschnitt aller Befragten (19,6).

Wenn es um finanzielle Entscheidungen geht, vertrauen die Befragten aber in erster Linie auf ihre eigenen Entscheidungen (82,1 Prozent). Erst danach folgen die Familie (60,4 Prozent) oder Freundinnen und Freunde (43,6 Prozent). Schlusslicht unter den Vertrauenspersonen sind mit 39,0 Prozent die Finanzberaterinnen und Finanzberater. Bei Johannes Treu lösen diese Befunde Besorgnis aus: „Wer sich selbst, der Familie oder Influencerinnen und Influencern zu stark vertraut, geht ein unnötiges Risiko ein. Bei der unterdurchschnittlichen finanziellen Bildung hierzulande benötigen wir dringend mehr verständliche Aufklärung und Bildungsinvestitionen in diesem Bereich“, so der Wirtschaftswissenschaftler.

Viele haben kein Geld für Finanz-Investitionen

Etwas mehr als die Hälfte der Befragten investieren in Finanzprodukte wie Fonds, Aktien, Sachwerte – oder legen Geld zurück, zum Beispiel auf dem Girokonto, als Tagesgeld oder per Sparbuch. Die andere Hälfte der Befragten tut dies nicht – vor allem, weil kein Geld dafür bleibt (50,0 Prozent), sie risikoavers sind (24,7 Prozent) oder sich nicht ausreichend über Finanzprodukte informiert fühlen (23,6 Prozent).

Schlecht informiert fühlten sich dabei besonders die unter 25-jährigen (38,7 Prozent) und die unter 40-jährigen (31,0 Prozent). Mit zunehmendem Alter fühlen sich die Befragten im Generationsvergleich besser informiert: Während 38,7 Prozent der unter 25-Jährigen denken, dass sie nicht genug für eine Finanzinvestition wissen, gelte dies nur für 10 Prozent der über 56-Jährigen.

Umfrage: 60 Prozent der Bürgerinnen und Bürger wünschen ein Pflichtfach „Finanzwissen“

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Canishine
8 Monate zuvor

Ich empfehle als Grundlage das kleine Einmaleins der Finanzmathematik mit einem Exkurs in die Prozent- und Bruchrechnung. Und das Weglassen des Taschenrechners oder wenigstens eine solide Grundlagen der zielgerichteten Bedienung eines solchen.

447
8 Monate zuvor
Antwortet  Canishine

Ähm, hallo, da geht es ja garnicht um Gefühle! Sondern nur um Zahlen! Geht gaaaaarrrrrnicht! 😉

Canishine
8 Monate zuvor
Antwortet  447

Ich fühl‘ mich häufig mit unverstanden …

Canishine
8 Monate zuvor
Antwortet  Canishine

(“mit“ durchstreichen)

Freiherr von Hirnhausen
8 Monate zuvor

„Schlecht informiert fühlten sich dabei besonders die unter 25-jährigen (38,7 Prozent) und die unter 40-jährigen (31,0 Prozent).“

Es ist übrigens nicht verboten, sich selbst (!) mal selbst privat (!) in Themen einzuarbeiten, die man für wichtig hält und in Schulen nicht thematisiert werden. Schule kann nicht immer Universalwissen auf dem goldenen Tablett servieren, welches dann ein Leben lang gültig ist.

Empfehlung zum Thema: der Kanal „Finanzfluss“ auf YouTube

447
8 Monate zuvor

Stimme ausdrücklich zu.

GriasDi
8 Monate zuvor

Wird nicht das am besten gelernt, was einen interessiert? Scheint die Betroffenen aber nicht zu interessieren bzw. zu stören, dass sie es nicht wissen. Sonst hätten die unter 25-jährigen bzw die unter 40-jährigen, die sich in allen digitalen Belangen anderen Generationen überlegen fühlen doch ihr digitales Endgerät angeworfen, gegoogelt und sich das, was sie interessiert erarbeitet. Ach nee, das ist ja mühsam, dann lieber doch nicht.

Alexi
8 Monate zuvor

Leider ist es im Kollegium auch nicht optimal…von 40 Leuten haben 6 ein Aktiendepot inklusive mir.

Lari Fari
8 Monate zuvor
Antwortet  Alexi

Der Besitz des Depots ist kein Synonym für finanzielle Kompetenz. Begründete ökonomische/ finanzielle Entscheidungen treffen zu können- also finanzkompetent zu sein- kann auch andere Handlungen oder deren Unterlassung bewirken.
Die Art von FiKom ist genau die der Lobbyisten und Grund dafür, dass (sozio-)ökonomische Bildung oft so kritisch bewertet wird.

Alexi
8 Monate zuvor
Antwortet  Lari Fari

Im Umkehrschluss heisst jedoch, nicht am Kapitalmarkt zu investieren, dass es mit dem Finanzwissen nicht weit her ist

Lari Fari
8 Monate zuvor
Antwortet  Alexi

Nein. Nicht in den Kapitalmarkt zu investieren, kann ein Ergebnis eigener (bewusster, auf Kenntnis basierender) ökonomischer Entscheidungen sein. Deren Klugheit zu bewerten, obliegt einzig und allein der handelnden Person selbst, nicht Ihnen, mir oder anderen. Die Folgen trägt dabei ebenfalls die Person selbst (,natürlich auch die anderen Teilnehmenden des Wirtschaftskreislaufs, wenn Investitionen z. B. Unternehmen (nicht) erfolgen). Kategorien sind dabei möglicherweise weitere als die monetäre. Auch das ist Finanzkompetenz- ob uns das Ergebnis gefallen mag oder nicht. Dieses Kompetenzmodell fußt auf dem Konzept des Wirtschaftsbürgers.
Aber das habe ich ja bereits im vorangegangenen Post erkärt, nicht wahr?

Alexi
8 Monate zuvor
Antwortet  Lari Fari

Hmm ich sehe das nicht so

Lari Fari
8 Monate zuvor
Antwortet  Alexi

Das müssen Sie ja auch nicht. Ein Dissenz der Meinungen ist schließlich Kern von Wissenschaft. Davon abgesehen, sind die divergierenden Einstellungen von Lehrkräften im Zusammenhang mit den Effektstärken sozioökonomischer Bildung Teil meiner eigenen Forschung- da habe ich einen breiten Strauß von Auffassungen kennen gelernt. Für unseren Unterricht ist eben entscheidend, den Jugendlichen Möglichkeitsräume zu eröffnen und das Kontroversitätsgebot des Beutelsbacher Konsens` nicht zu vergessen. In diesem Sinne wünsche ich Ihnen einen schönen Montag.

Carabas
8 Monate zuvor
Antwortet  Alexi

Ist hier genauso desolat. Steuererklärungen machen auch nicht alle.

Alexi
8 Monate zuvor
Antwortet  Carabas

Unfassbar. Das sind immer die leichtesten 2.000 Euro für mich – 30 Minuten Arbeit….

Biene
8 Monate zuvor
Antwortet  Alexi

Ich muss zugeben, ich hasse es mich mit der Steuererklärung zu beschäftigen, ABER es ist im Vergleich zum Stundenlohn oftmals die schnellste und leichteste Art viel „Geld in kürzester Zeit zu verdienen“.
Wie Sie schreiben, „die leichtesten 2.000 €“!

Fakten sind Hate
8 Monate zuvor
Antwortet  Alexi

Ich bekomme nur knapp 1000Euro raus 🙁
Ich fühle mich diskriminiert.

Canishine
8 Monate zuvor
Antwortet  Fakten sind Hate

Da haben wir’s: In der Schule nicht das Thema „Kreative Steuererklärung“ gehabt?

Teacher Andi
8 Monate zuvor
Antwortet  Canishine

Ja, den Perser Teppich im Arbeitszimmer absetzen oder so was. Dazu muss man nicht besonders kreativ sein.

447
8 Monate zuvor

Nun ja, wenigstens die Selbsteinschätzung ist zutreffend.
Aber nicht nur bei jungen Menschen…ganz allgemein ist wirtschaftliche Bildung in der BRD zutiefst verachtet.
Natürlich, gerade der Normalbürger DARF das garnicht verstehen, was das ganz konkret bedeutet, wenn „X % Inflation sind gut“ gefordert wird oder von der „Staatsquote“ halt einfach garnicht mehr gesprochen wird. Da brauchen wir mit Aktiensparen, verzinsten Papieren, Verschreibungen…garnicht erst anfangen.

Ich kann nur dringend zur autodidaktischen Fortbildung raten, wenn man etwas PC-affin ist, ist das ein tolles Hobby/“Nebenberuf“. Und ganz legal, so lange man brav versteuert.

Bei den „jungen Menschen“ ist das Interesse übrigens groß – nur wenn man dann konkret wird und mit der ersten Kapitalbildung durch Konsumverzicht anfängt…SCHWUPPS, da sind die Gehirne abgeschaltet und die Blicke werden leer…außer (wie immer) bei denen, die eh schon leistungsfähig sind.

Teacher Andi
8 Monate zuvor

Man darf immer wieder erstaunt sein darüber, wie wenig die jungen Leute das Internet für nützliche Recherchen verwendet und dass man früher, ohne diese Möglichkeit der Informationsquellen noch besser Bescheid wusste. So fragt man sich zu Recht, wie diese tagesfüllenden Online Zeiten zustande kommen und man dann doch nichts von der Welt weiß. Aber die Schulen werden auch diese Fehlentwicklung wieder richten, sicher.