Montessori-Pädagogik: „Viel hängt von der Beziehung zwischen Kind und Lehrkraft ab“

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WIESBADEN. Ist Montessori das bessere pädagogische Konzept? Vor zwölf Jahren quittierte die Biologie- und Erdkundelehrerin Brigitte Johannsen ihren Dienst an einem staatlichen Gymnasium und ist seither als Schulleiterin an der Montessori-Schule im hessischen Mühlheim tätig – an der Schule, die sie einst mitgegründet und die auch ihre beiden Söhne besucht haben. Ihren Wechsel zu einer Privatschule hat die heute 60-Jährige nie bereut. Warum – das verriet sie im Interview mit News4teachers.

Brigitte Johannsen ist Schulleiterin der Montessori Schule Mühlheim, Montessori Mainbogen e.V. , sowie Vorstandsmitglied des Montessori-Landesverbands Hessen und Sprecherin der Landesarbeitsgemeinschaft der freien Schulen (AGFS) in Hessen. Foto: privat

News4teachers: Was hat Sie dazu bewogen, von einer staatlichen Schule an eine Montessori-Einrichtung zu wechseln?

Brigitte Johannsen: Eigentlich hatte ich mich damals an meiner Schule gar nicht so unwohl gefühlt, ich hatte ja meine Freiräume. Mit den Jahren verjüngte sich das Kollegium, und es kamen viele junge Lehrkräfte, die wieder frischen Wind in die Schule brachten. Wir nutzten unsere Möglichkeiten und setzten viel Neues im Unterricht um.

Was mich aber am meisten am Staatsdienst gestört hat, war die große Anzahl an Schülerinnen und Schülern, die ich unterrichten musste. Als Nebenfachlehrerin für Biologie und Erdkunde hatte ich am Schuljahresanfang manchmal 180 neue Schüler. Das war sehr unbefriedigend für mich. Natürlich habe ich mich sehr bemüht, jedem Kind gerecht zu werden, und ich glaube nicht, dass meine Schüler das Gefühl hatten, sie seien nur eine Nummer für mich. Trotzdem konnte ich nicht die Beziehung zu jedem Kind aufbauen, die für gutes Lernen notwendig ist. Denn Lernen hat eben ganz viel auch mit der Beziehung zwischen Kind und Lehrkraft zu tun.

Auch das Lernkonzept der staatlichen Schule hat mir nicht gefallen. Ich hätte mir mehr Unterrichtsstunden in einer Gruppe gewünscht und eine größere Nähe zu den Schülerinnen und Schülern. In der pädagogischen Arbeit wollte ich eine größere Flexibilität und mehr Teamarbeit. Deshalb hat mich die völlig andere Konzeption der Montessori-Schulen mit ihrem fächerübergreifenden Unterricht in altersgemischten Gruppen sehr angesprochen. Das viel größere gestalterische Moment an der Montessori-Schule fand ich sehr reizvoll. Und das ist es für mich auch heute noch.

Nienhuis Montessori

Kennen Sie Albert Nienhuis? Der niederländische Zimmermann stellte in enger Zusammenarbeit mit Maria Montessori Lernmittel her, die ihrer pädagogischen Vision entsprachen. 1929 gründete er Nienhuis Montessori, den weltweit führenden Anbieter von Montessori-Materialien.

Seit über 85 Jahren vereint das Unternehmen Handwerkskunst mit technischer Finesse. Die Produktwelt von Nienhuis Montessori ermöglicht es Kindern heute so gut wie zu Albert Nienhuis Zeiten, ihre Welt eigenständig zu erkunden. Wir nutzen nur beste Materialien, verarbeitet mit Sorgfalt, Hingabe, dem Blick fürs Detail – und einer tiefen Verbundenheit mit der Pädagogik Maria Montessoris. Seit Jahrzehnten bereits ist Nienhuis Montessori offiziell von der Association Montessori Internationale anerkannt.

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News4teachers: Was schätzen Sie daran besonders?

Brigitte Johannsen: Die streckenweise anderen Curricula an der Montessori-Schule lassen viel mehr Flexibilität in der Stundenplanung und Gestaltungsspielraum zu, als ich es von früher her kenne. Ich unterrichte Gesellschaftslehre und Naturwissenschaften, und es ist für mich zum Beispiel völlig unproblematisch, eine Exkursion zu planen. Dann geht es nicht um die Frage, ob, sondern nur, wann. Es ist einfach für alle im Team klar: Wenn man Römer durchnimmt, dann geht man einen Tag auf die Saalburg. Durch den hohen Umfang an Freiarbeit und den fächerübergreifenden Unterricht sind wir alle sehr beweglich. Damals, an meiner alten Schule, habe ich es als superanstrengend wahrgenommen, sich mit den Fachkollegen abzusprechen und die Klasse für einen Tag loszueisen. Das heißt nicht, dass die Kolleginnen und Kollegen nicht willens waren. Das Problem steckt im System. Der ganze Schulalltag ist auf Prüfungsmomente abgestimmt. Da wird es wirklich schwierig, dazwischen zu stoßen und zu sagen: „Ich will jetzt aber mal einen Tag mit den Schülern weg.“

News4teachers: Haben sich Ihre Erwartungen durch den Schulwechsel erfüllt?

Brigitte Johannsen: Auf jeden Fall! Ich würde nicht wieder zurückgehen. Dafür habe ich meinen Beamtenstatus aufgegeben und habe es nicht bereut. Heute unterrichte ich insgesamt nur 31 Kinder an einer Schule mit gerade 145 Schülerinnen und Schülern. Da kann ich zu jedem Kind eine ganz andere Beziehung aufbauen und viel besser pädagogisch arbeiten. An meiner jetzigen Schule ist Teamarbeit gefragt. Oft unterrichten wir mit zwei Lehrkräften in Doppelsteckung. Das erlebe ich als sehr bereichernd. So können wir leichter einzelne oder mehrere Schüler aus der Gruppe nehmen und gesondert fördern. Oder ich gehe mit einem Kind raus, wenn es sich nicht an die Regeln halten kann, was in Inklusionsklassen immer wieder mal vorkommt. Wenn Sie dann allein in der Klasse sind, wissen Sie oft gar nicht so richtig, was Sie machen sollen, weil Sie ja die Aufsichtspflicht über alle haben. Im Team können wir schnell darauf reagieren. Die Möglichkeit des Teamteachings war für mich auch eine Intention, die Schule zu wechseln.

News4teachers: Was ist für Sie ein zentrales Element der Montessori-Pädagogik?

Brigitte Johannsen: Wir schauen auf die Stärken der Schülerinnen und Schüler – und weniger auf ihre Schwächen, das ist etwas ganz Montessorianisches. Im Gespräch mit den Kindern fragen wir: „Was gelingt dir schon? Dann wiederhol doch das.“ Natürlich sehen wir auch die Schwächen, sie stehen bei uns aber nicht im Fokus. Unser Anliegen ist es, die Schüler in ihrer Kompetenz zu stärken und in ihrer Fähigkeit, selbst für sich die Bedingungen herzustellen, mit denen das Lernen gelingt. So tragen wir letztendlich auch dazu bei, Schwächen zu überwinden. Wir helfen also den Schülerinnen und Schülern, es selbst zu tun. Und das ist der zentrale Ansatz von Maria Montessori. Dabei arbeiten wir vom ersten Tag an mit Strukturierungshilfen und unterstützen die Kinder bei der Organisation ihrer Lernarbeit – bis sie unsere Hilfe nicht mehr brauchen. Die ganze Schule ist darauf angelegt, dass sich die Lehrkräfte Stück für Stück überflüssig machen. Und am Ende bereiten sich die Jugendlichen eigenständig auf die Prüfungen vor, soweit es ihnen möglich ist. Genau dieser pädagogische Erfolg ist der große Treiber der Pädagogen an unseren Schulen. Wenn sie sehen, ich bin wirksam, und das, was ich mache, führt zu einem Erfolg, ist das natürlich sehr befriedigend. Deswegen bin ich gerne an der Schule.

News4teachers: Welches Feedback geben Ihnen die Schülerinnen und Schüler?

Brigitte Johannsen: Also darüber tauschen wir uns eigentlich mit den Schülern nicht im großen Umfang aus. Wir fragen sie nicht: „Findet ihr die Schule toll?“ Es gab aber eine große Feedback-Studie, die Montessori Deutschland mit Absolventen von Montessori-Schulen durchgeführt hat. Auch Ehemalige unserer Schule wurden befragt. Und die meisten haben ihre Schulzeit als sehr positiv bewertet. Es ist wirklich ein großes Kompliment, wenn Schüler sagen: „Ich habe mich in meiner Schule gesehen und fair behandelt gefühlt, und ich bin auf das Leben vorbereitet worden.“ Viele Absolventen staatlicher Schulen würden ihre Schulzeit vielleicht ähnlich gut beurteilen, aber ich denke, nicht in einem solch hohen Anteil. Natürlich gibt es auch unter unseren Schülern Differenzen. Wir leben hier ja nicht auf einer Insel der Glückseligkeit.

Was uns hier an der Schule auffällt, ist der insgesamt sehr angenehme Umgang unserer Schüler mit den Lehrern. Dies haben uns auch Schulen bestätigt, die unsere Absolventen später aufgenommen haben. Natürlich gilt das nicht in jedem Fall. Ich denke, das doch meistens gute Verhältnis zwischen Lehrern und Schülern liegt auch daran, dass wir die Kinder schon von der ersten Klasse an unterrichten und sie über einen langen Zeitraum erleben. Wir können unsere Schüler viel besser kennenlernen. Und wenn Sie wirklich mit den Schülern im Gespräch sind, dann fühlen sie sich automatisch gesehen. So haben wir eine ganz andere Basis der Reflexion.

News4teachers: Wenn Sie Kultusministerin wären, was wäre Ihre erste Amtshandlung?

Brigitte Johannsen: Ich finde, in Deutschland wird Schule oft schlecht geredet. Dumm, wie mancher tut, sind die Kinder nicht, wenn sie aus der Schule kommen. An der staatlichen Schule habe ich ganz viele wirklich nette Kollegen kennengelernt, die sehr bemüht und sehr fähig waren. Man müsste den Unterricht vielmehr systemisch ändern, nicht vom Lehrplan her. Es braucht eine andere Sicht auf das Kind und Möglichkeiten, die Unterrichtsstunden flexibler zu gestalten.

Bei der Gesetzgebung sollte man die privaten und die reformpädagogischen Schulen mehr im Blick haben. Jetzt werden oft nur die staatlichen Schulen berücksichtigt, gerade auch auf kommunaler Ebene. Private Schulen werden zwar nach ihrer Meinung gefragt und sollen immer wieder Stellungnahmen abgeben, aber wenn es ums Geld geht, fallen sie schnell hinten runter, wie jetzt beim Ausbau des Ganztags.

Ich würde mir wünschen, dass es in Deutschland viel mehr Privatschulen gäbe und der Besuch kostenlos wäre. Die Privatschulen sollten richtig ins staatliche System integriert sein, wie zum Beispiel in den Niederlanden, wo etwa 70 Prozent der Schulen in privater Hand sind. Das würde mehr Vielfalt ermöglichen. Und dann könnten wir unheimlich viel bewegen. News4teachers

Warum Schule mit Pubertierenden oft so quälend ist – und wie Lernen dann trotzdem funktionieren kann (ein Montessori-Beispiel)

 

 

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Küstenfuchs
7 Monate zuvor

Ja sicher hat so eine Schule Vorteile. Auch, weil sozial schwache Familien sie sich nie und nimmer leisten können und es auch keine Fälle gibt, wo die Eltern nicht mitziehen und sogar gegen die Schule arbeiten.
Die Eltern zahlen für die Aufnahme schon mal 1000€ und haben 3000€ zinsloses Darlehn zu gewähren und dann noch 315€ pro Monat abzudrücken.

Somit ist der Pöbel schön außen vor und die Schule sonnt sich im besten Feedback. Dabei haben die Lehrkräfte dort ja auch erheblich weniger echte Probleme zu lösen.

Lisa
7 Monate zuvor
Antwortet  Küstenfuchs

Um Ihren letzten Satz etwas positiver zu formulieren: Deshalb können die Lehrkräfte dort sich ihrem Kerngeschäft widmen und das machen, für was sie ausgebildet wurden und weswegen sie sich ganz oft für ihren Beruf entschieden haben.

Cuibono
7 Monate zuvor
Antwortet  Küstenfuchs

Das ist der tatsächliche Unterschied: Segregation

Unsere Kinder waren an einer vergleichbaren Einrichtung: katholisch, mit Eingangstests und Aufnahmegespräch.

Tolle Atmosphäre, überall Geschwisterkinder, oft waren schon die Eltern an der Schule. Ein bisschen Bullerbü.
Ach, und die Eltern waren oft die mit der Einstellung grün und bunt und alle zusammen. Haha…

Ich wünschte, alle Schulen wären so, aber nach 4 Jahren Kiezgrundschule ist mir klar geworden: die Einstellung und was im Elternhaus vorgelebt wird, ist weder durch Kita noch Schule auszugleichen. Wie auch? Wenn Bildungsaffinität und schulkonforme Sozialkompetenz in den Familien nicht vermittelt und vorgelebt werden, und dies bei der Mehrzahl der Kinder in einer Klasse/an einer Schule der Fall ist, dann müssen andere Wege dort beschritten werden.

Dann gibt es halt eine Zweiteilung des Bildungssystems. Die Realität schafft die Fakten.

Küstenfuchs
7 Monate zuvor
Antwortet  Cuibono

Ihre Einstellung ist also: Wenn das Pack kein Geld hat, bleiben auch die Blagen arm. Damit geht eine Gesellschaft langfristig zugrunde.

Lisa
7 Monate zuvor

Alles was Frau Johannsen schreibt, ist richtig und wäre für jede Schule wünschenswert. Aber das hat nichts mit Montessori zu tun. Ich hatte es als Junglehrerin in meiner Schwarzwalddorschule ganz ähnlich. Lehrgänge waeren häufig, ich kannte nicht nur jeden Schüler sondern auch die Eltern. Ebenso die Geschwister, und man konnte den Lebensweg der Schüler lange verfolgen, ja dass die einen schon aus der Schule raus dort ‚besuchten“ war sogar so. Frau Johannsen schreibt nichts von Integration und Inklusion und nichts von Geldmangel ( nein, ich bin nicht gegen I&I, doch gerade ist es so, dass alles auf Kante genäht ist und jede weitere Anforderung das fragile System zum Kippen bringt) oder Personalmangel.

Lisa
7 Monate zuvor

„Oder ich gehe mit einem Kind raus, wenn es sich nicht an die Regeln halten kann, was in Inklusionsklassen immer wieder mal vorkommt. Wenn Sie dann allein in der Klasse sind, wissen Sie oft gar nicht so richtig, was Sie machen sollen, weil Sie ja die Aufsichtspflicht über alle haben. Im Team können wir schnell darauf reagieren“
.
Muss meinen Post korrigieren, irgendwie klappt hier die Bearbeitungsfunktion nicht mehr 🙁 Allein dieser Satz ist so richtig und sagt alles.

Bla
7 Monate zuvor
Antwortet  Lisa

Montessori ist normalerweise schon recht inklusiv? Halt nicht „open-end“, sondern eben so, damit es das System nicht zum Platzen bringt. Das finde ich persönlich schon sinnvoll und wichtig. Ob es dann den „Inklusiven Beitrag an der Gesellschaft“ leistet, kann man natürlich verschieden sehen. Die Möglichkeiten sind oft andere – bspw. durch die Doppelbesetzungen.

Achin
7 Monate zuvor

In einer offenen Gesellschaft ist es selbstverständlich legitim, wenn der Montessori-Verband eine Imagekampagne fährt, die Bilder vom „Staatsdienst“ triggert:

„Was mich aber am meisten am Staatsdienst gestört hat, war die große Anzahl an Schülerinnen und Schülern, die ich unterrichten musste.“

Zu einem Diskurs gehört aber auch: Montessori-Schulen suchen sich ihre Kinder und Jugendlichen aus, die Elternschaft ist in aller Regel sehr solvent und bildungsbeflissen. Sie ziehen ihren pädagogischen Mehrwert daraus, bewusst nicht repräsentativ zu sein. Ideal für Bildungsbürger mit Abstiegsängsten. Man kann den eigenen Nachwuchs mit finanzieller Unterstützung auf „namhafte“ Schulen schicken, muss sich jedoch auch in schwierigen Entwicklungsphasen nicht sorgen, wenn die Leistungsfähigkeit mal nachlässt.

Chancengleichheit und Bildungsgerechtigkeit spielt im Weltbild von Frau Johannsen offensichtlich keine Rolle, mit keiner Silbe wird die soziale Frage erwähnt.

Bla
7 Monate zuvor
Antwortet  Achin

„Ich würde mir wünschen, dass es in Deutschland viel mehr Privatschulen gäbe und der Besuch kostenlos wäre. Die Privatschulen sollten richtig ins staatliche System integriert sein, wie zum Beispiel in den Niederlanden, wo etwa 70 Prozent der Schulen in privater Hand sind. Das würde mehr Vielfalt ermöglichen. Und dann könnten wir unheimlich viel bewegen.“

Bezieht sich durchaus auf die soziale Frage. Wenn der Staat die vollen Kosten übernehmen würde. Trotzdem das System (weiterhin) anerkennt, dann kann man durchaus auch SuS dort hinschicken, welche derzeit einige Hürden haben und daher auch teilweise nicht genommen werden bzw. erst gar keine Möglichkeit diesbezüglich für sich sehen.

Ansonsten: Es wurde auch nichts direkt zur „sozialen Frage“ gefragt, warum sollte man das einfach aus dem Nichts erwähnen? Es wird das Montessori-Konzept hier auch nicht sonderlich vorgestellt… also bspw. Erdkinderplan, Wochenplan in Freiarbeit bei Doppelbesetzung usw. – das wäre sogar noch naheliegender, als die soziale Frage.

Mal ein andere Diskurs: Müssen/Sollten Privatschulen wirklich die soziale Frage „lösen“ müssen? Wozu? Was „gibt es“ dafür? Was wären Einschränkungen? Usw.

Wir können hier gerne (jeder für sich selbst subjektiv natürlich – gerne auch auf objektive Fakten basiert) die Eindrücke zu Montessori in den Kommentaren diskutieren. Dazu ist dss „Forum“ schließlich da.

Ich fange mal an:
Ja, die soziale Frage ist eine Sache, welche man bei Privatschulen häufig als Problem sieht. Lösen könnte man die Teilhabe durch vollständige Kostendeckung des Staates. Dann könnten auch ärmere Familien (ohne Unterstützung von Jugendamt/staatliche Förderung durch hohe bürokratische Hürden) Teilhabe genießen. Ansonsten gibt es eben auch die Fördermaßnahmen.
Gerade Montessori ist durchaus inklusiv unterwegs. Zwar nicht in Richtung „wir nehmen alles, was I-Status hat“, sondern oft nach „Machbarkeit und Sinnhaftigkeit der Beschulung vor Ort“. Das sehe ich eher als Bereichung.

ulschmitz
7 Monate zuvor
Antwortet  Bla

Ok, viel mehr Privatschulen – und woher sollen die Lk kommen? Und wie sortieren die PS die SuS aus, wenn ihre Kapazitäten erschöpft sind? Aufnahmeprüfungen, wie man sie aus GB schon für „Elitekindergärten“ kennt (Uniform, Aufnahmegespräche, heftige Kosten übers Jahr… – unmögliches Reden der Prinzipalin über 3-4 jährige Mädchen)
Wie sollen denn die Bundesländer – die eh zu wenig Geld für die öffentlichen Schulen haben – auch noch die PS 90-100% finanzieren, wenn die Kollegien an den PS sich mittels „Aufnahmegesprächen“ usw. die cème de la crème eines Jahrgangs rauspicken – was wird aus den Exkludierten? Und pro Lehrkraft nur um die 30-40 SuS – und das bei dem eklatanten Lehrkräftemangel?
Ein Schmarrˋn…

Palim
7 Monate zuvor
Antwortet  ulschmitz

Für die nicht geleistete Arbeit hinsichtlich Inklusion und Integration können sich die privaten Anbieter freikaufen,
warum soll man die privaten Schulen zu 100% unterstützen, wenn sie einen Großteil der Aufgabe ablehnen und damit werben, dass sie sich dieser entledigen?
Das im staatlichen System verbleibende Geld kann dann dorthin gegeben werden, wo man sich dieser Aufgabe annimmt … sollte da aber auch ankommen. Dann hätten staatliche Schulen ggf. eine Option auf bessere Bedingungen, die auch allgemein verbessert, an Schulen im soz. Brennpunkt aber deutlich verändert werden müssen.

Bla
7 Monate zuvor
Antwortet  ulschmitz

Wo habe ich von „viel mehr Privatschulen“ gesprochen? Ja, die Privatschulen werden mehr. Das ist halt ein Ding des Angebots und der Nachfrage. Kann man jetzt so oder so sehen, ob das „gut“ oder „gerecht“ oder sonst was ist. Das ist momentan scheinbar der Trend. Gründe wird es dafür wohl geben? Einige können wir hier gerne näher erläutern.
Andersrum: Nur Regelschulen würden auch nicht gehen. Die Abschaffung aller Privatschulen kann der Staat einfach nicht tragen. Das kann er beim derzeitigen Lehrkräftemangel so oder so nicht. Besser würde es durch Abschaffung der Privatschulen definitiv nicht werden. Oder sind wir uns hier schon nicht einig? Dann können wir auf den Punkt seeehr gerne detaillierter eingehen.

Das Prinzip müsste man dann natürlich regeln. Gerade bei vollständiger staatlicher Beteiligung. Ob „first-come-first-serve“ oder sonst was, müsste man dann schauen. Das gibt es momentan ja nicht, daher würde das ein wichtiger Aspekt dabei sein. Momentan gibt es eben auch unterschiedliche Subventionen. Je mehr „Anerkennung“ man als Privatschule bekommt, desto mehr geht man als Privatschule eben auch in Richtung „Regelschulkonzept“. Beispielsweise: Schulen ohne Noten bekommen in der Regel (deutlich!) weniger Subventionen durch den Staat. Das ist dann auch einer der bedeutenden Unterschiede zwischen „staatlich anerkannt“ und „staatlich genehmigt“. Dort eben auch die Rechte und Pflichten verbunden. Daher: Privatschulen ohne Noten werden normalerweise eben auch Schulgeld erheben (müssen). Sonst wird es eng… außer es gibt dementsprechend Spenden durch Eltern.
Hat immer Vor- und Nachteile.

Wenig Geld haben oder wenig Geld investieren? Darauf müssten wir hier dabei definitiv näher eingehen.
Das macht ebenfalls einen sehr deutlichen Unterschied beim Diskurs diesbezüglich. Aber ja, dann müsste man als Privatschule eben auch „sozial Schwächere“ aufnehmen. Ganz klar für mich. Der Elternbeitrag müsste dann entfallen oder deutlich geringer sein. Somit wäre auch eine Teilhabe für Familien mit geringerem Gehalt möglich.

Auch das Gymnasium grenzt in dem Sinne erstmal aus. Eben durch Noten und „Leistungsfähigkeit“. Das ist eben der Grundbestand des gegliederten Schulsystems. Die Lösung wäre demnach das Gesamtschulprinzip – flächendeckend für alle. Alle kommen und dann schaut man. Ansonsten hat man immer eine Art „Aufnahmeprüfung“ (man „exkludiert“ somit).

Auch das „nur xy“ SuS muss man genauer betrachten. Es ist doch ein wesentlicher Unterschied, ob man nach dem Klassenleitungsprinzip an der GS/MS (somit fast alle Fächer unterrichtet/unterrichten muss) arbeitet oder nach dem Fachlehrerprinzip an RS/Gym. Wenn ich „nur“ 1-2 Fächer unterrichte, habe ich bei selbigen Deputat natürlich mehrere Klassen und somit SuS. Im Klassenleitungsprinzip (Montessori normalerweise) hat man eben v. A. seine eigene Klasse. Daher ist das eher Schmarrn … Sie vergleichen hier Äpfel mit Birnen. Oder machen einen Stohmann auf, wodurch Sie sich selbst die unterschiedlichen Schulprinzipien zurechtlegen. Oder Sie haben keine Ahnung. Ich weiß es ehrlich gesagt nicht. Vielleicht habe ich den Punkt auch einfach falsch von Ihnen verstanden. Mag auch sein.

Achin
7 Monate zuvor
Antwortet  Bla

Sehr geehrte*r Bla,

meinen Sie tatsächlich, dass die Frage nach Bildungsgerechtigkeit in einem aktuellen bildungspolitischen Diskussionsbeitrag aus „dem Nichts“ kommt?

Bla
7 Monate zuvor
Antwortet  Achin

Nein, darum geht es doch nicht. Dazu ist das Forum meiner Meinung nach da. Der Beitrag und die Interviewfragen bezogen sich jedoch nicht auf die Bildungsgerechtigkeit. Daher finde ich es schwierig, dass man das jetzt der Montessori-Schulleiterin im Interview zuspielen würde.

Die Frage war: Warum sollte die Interviewte Person eben auf die Bildungsgerechtigkeit eingehen, wenn dies gar nicht zum Interviewteil gehörte?
Hoffe man versteht mein Argument?

ulschmitz
7 Monate zuvor
Antwortet  Achin

Tja, das isr freilich heftig, bis zu 120 SuS pro Tag am Gym in allen Stufen, bis zu 32 SuS in Leistungskursen (De, Ge), das kann schon mal „stören“, vor allem, wenn 5stdg.-Klausuren in der Oberstufe zu korrigieren sind. Biologie und Erdkunde – max. 2 WoStd. in Unter_ und Mittelstufe, keine Klassenarbeiten. Beide Fächer, nebenbei, sind keine Nebenfächer mehr, sondern gleichwertig zu allen anderen.
Nun also 31 SuS – nicht mehr…. Warum finde ich die Ausführungen der Kollegin irgendwie, wie soll ich sagen, „seltsam“. Klingt wie ein Schlag ins Gesicht aller Kolleg:innen, die jahrzehntelang mit großen Klassen und „bunten Mischungen“ mehr als „engagiert“ zurechtkommen müssen…
und, wie so oft, wenn es um Privatschulen geht, kein Wort davon, dass ohne die viel geschmähten öffentlichen Schulen den Privatschulen das dringend benötigte „back-up“ fehlen dürfte, wenn sie SuS als „unpassend“ usw. abschulen. Es gibt diverse Beispiele.
Kein Wort hier zum Thema „Abitur“-Prüfungen – Ek und Bio gehören mit Ge und WiPo zu den beleiebtesten Fächern für mdl. Abiturprüfungen – die Kollegin hier hat damit auch nichts mehr am Hut.
Fächerübergreifend isr schon lange ein alter Hut – geht mit De, Ge, Philo, Kunst z.B. immer, je nach Text – „Die Physiker“ – dann eben auch mit den Mint-Kolleg:innen, Besuch bei DESY inklusive.

GriasDi
7 Monate zuvor

Zitat:
„Viel hängt von der Beziehung zwischen Kind und Lehrkraft ab‘

Das gilt für alle Schulen.

Bla
7 Monate zuvor
Antwortet  GriasDi

So ist es. Daher ist eben mitunter der Rahmen sehr wichtig, dass dies auch gut erfüllt werden kann.
Darum geht es denke ich mehr.

ulschmitz
7 Monate zuvor
Antwortet  GriasDi

Plattitüden, alles Plattitüden. Ja, und der heroische Verzicht auf den Beamtenstatus muss auch an den Tanz… Fragen wir doch mal all jene, die trotz bester Noten im 2. Staatsexamen für 10 Jahre Zwangsangestellte wurden – ohne gleich schreiend wegzulaufen.
Viel hängt auch von der Leistungsbereitschaft der Lk und der SuS ab, von der Unterstützung durchs („bildungsferne“) Elternhaus, von der Zusammensetzung von Lerngruppen usw. usw. – das Wetter nicht zu vergessen, die richtige Ernährung, eine gute Lernausstattung und -umgebung zu Hause usw. usw.

Katinka
7 Monate zuvor
Antwortet  GriasDi

Selbstverständlich gilt das für alle Schulen / Lehrkräfte / SchülerInnen. Aber es hängt m. E. auch von den Eltern ab. Das Lehrer-Image ist in Deutschland leider sehr schlecht und viele unzufriedene Eltern, die immer nur ihr eigenes Kind sehen (bis zu einem gewissen Grad nachvollziehbar) und nicht, dass Lehrkräfte täglich zig Schülern und oft auch Eltern begegnen, auch nur die ihnen auferlegten Vorgaben ausführen, die zu Hause schon gern auch mal über Lehrkräfte herziehen und grundsätzlich auf der Seite ihrer Kinder sind (egal, was die Lehrkraft sagt bzw. Fehltritte des Kindes einfach per se negieren und unterstellen, die Lehrkraft will dem Kind was Böses) und geltende Regeln und Bewertungskriterien in Frage stellen („Das darf die Lehrkraft gar nicht.“ – „Das ist bestimmt nicht zulässig, ich schreib mal ne Mail.“ – „Lehrkraft xy hat einfach keine Ahnung, die ist unfähig.“ etc.), ohne sich entsprechend informiert zu haben, stören diese Beziehung. Im Vergleich zu vor ca. 18 Jahren, als ich angefangen habe, empfinde ich es heute nicht mehr so, dass man wirklich an einem Strang zieht (was natürlich nie für alle gilt, aber leider mit zunehmender Tendenz meinem Empfinden nach).