Sparpläne: Inklusion hängt in NRW am seidenen Faden – Lebenshilfe appelliert

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DÜSSELDORF. Die Lebenshilfe NRW hat in einem offenen Brief an Schulministerin Dorothee Feller (CDU) vor einem «radikalen Einschnitt bei der inklusiven Schulentwicklung» gewarnt. Hintergrund ist die Ankündigung Fellers einer Evaluation der Unterstützung des Landes für Inklusionshelferinnen und -helfer. Die Lebenshilfe und andere Verbände befürchten eine drastische Kürzung von bis zu 50 Millionen Euro. Ein Appell der ehemaligen Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt verhallt offenbar – genauso wie die Rüge, mit der die Vereinten Nationen Deutschland unlängst bedacht haben.

Was passiert in NRW mit der Inklusion? (Symbolfoto) Foto: Shutterstock

Die Kommunen seien auf die Landesmittel zur Finanzierung der Inklusionsassistenz angewiesen, hieß es in dem am Mittwoch veröffentlichten Brief der Lebenshilfe. Die Auswirkungen von Kürzungen wären für Kinder mit Behinderung und ihre Familien gravierend. «Kinder mit Behinderung könnten ohne Inklusionsassistenz kaum oder sogar gar nicht mehr am Unterricht teilnehmen.»

Dem Rechtsanspruch auf individuellen Unterstützungsbedarf der Kinder mit Behinderung könnten die ohnehin belasteten Schulen dann nicht mehr gerecht werden, schrieb der Landesvorsitzende Gerd Ascheid. Die Lebenshilfe forderte die Landesregierung auf, die notwendige Finanzierung für Inklusionsassistenzen in vollem Umfang zur Verfügung zu stellen. An Feller direkt gerichtet heißt es: «Sie nehmen mit den Kürzungsplänen sehenden Auges in Kauf, dass das Recht der Kinder mit Behinderung auf Bildung und Teilhabe Kostengründen geopfert wird.» Zitiert wird der Geschäftsführer des Städtetages Nordrhein-Westfalen, Helmut Dedy, der erklärt hatte: «Falls das Land tatsächlich beabsichtigt, die Inklusionspauschale für die Städte radikal um 50 Millionen Euro zu kürzen, und nur zehn Millionen Euro insgesamt übrigbleiben, dann kommt das gesamte System ins Wanken.»

Im Schulausschuss des Landtags sagte Feller am Mittwoch, dass es auch nach der Evaluation im nächsten Jahr weiter Landesgeld für die Inklusionshelfer geben werde. Der nächste Auszahlungstermin sei der 1. Februar 2024. Die Höhe der Leistungen werde zuvor durch eine Rechtsverordnung festgelegt, sagte die Ministerin. Die Evaluation sei gesetzlich vorgeschrieben.

Mit der Inklusionspauschale unterstütze das Land als freiwillige Leistung die Kommunen bei der Finanzierung von zusätzlichem nicht-lehrenden Personal, betonte Feller. Zugleich stellte sie klar, dass mit der Inklusionspauschale nicht die Schulbegleitung finanziert werde, auf die Kinder mit Bedarf einen individuellen Anspruch hätten. Die Schulbegleitung werde vielmehr aus der Eingliederungshilfe durch das Gesundheitsministerium finanziert. Das müsse von der Inklusionspauschale unterschieden werden.

«Das Argument, zunächst die Ergebnisse der Evaluation abwarten zu wollen, ist nicht nachvollziehbar. Zunächst gilt es, ein notwendiges System mindestens aufrecht zu erhalten, im Grunde muss es im Gegenteil sogar gestärkt werden, wenn NRW dem Anspruch der inklusiven Schulentwicklung nach UN-Behindertenrechtskonvention gerecht werden will», so heißt es hingegen in dem offenen Brief.

Hintergrund: Deutschland war unlängst einer Staatenprüfung der Vereinten Nationen unterzogen worden, um den Stand der Inklusion – zu der sich die Bundesrepublik 2009 mit Ratifizierung der UN-Behindertenrechtskonvention verpflichtet hat – zu überprüfen. Das Ergebnis fiel erwartungsgemäß kritisch aus. «Der Ausschuss ist besorgt über die mangelnde vollständige Umsetzung inklusiver Bildung im gesamten Bildungssystem und die Verbreitung von Sonderschulen und -klassen», so heißt es als Fazit. Die Bundesregierung wird dringend aufgefordert, dafür zu sorgen, dass die Bundesländer umfassende Aktionspläne vorlegen und umsetzen, um die Umwandlung der Sonderbeschulung von Kindern und Jugendlichen mit Behinderung in eine inklusive Beschulung zu beschleunigen.

«Es ist bemerkenswert, wie eindeutig die Vereinten Nationen die Einhaltung der UN-Behindertenrechtskonvention verlangen und dabei neben dem Bund auch Länder und Kommunen in die Pflicht nehmen», so erklärte die ehemalige Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt, Bundesvorsitzende der Lebenshilfe. Gerade die Länder sollten die Abschließenden Bemerkungen des Ausschusses ernst nehmen und die deutschen Gesetze im Schulrecht, in der Eingliederungshilfe und in den Bauordnungen so umsetzen, wie es der UN-Ausschuss anmahne, so Schmidt – ein Appell, der in NRW scheinbar wirkungslos verhallt. News4teachers / mit Material der dpa

Vereinte Nationen rügen Deutschland wegen Stillstand bei der Inklusion – Land NRW streicht Mittel für Inklusion

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4 Kommentare
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Indra Rupp
6 Monate zuvor

Hallo Redaktion!
Ganz Aktuell: Gestern waren zwei Jugendliche mit einer Soft-Air-Pistole an der Anne-Frank-Schule in Osnabrück. Der NDR berichtet fälschlicherweise von einer Oberschule, die Anne-Frank-Schule ist aber eine Förderschule mit Schwerpunkt körperlich-motorischer Beeinträchtigung, zB Schlaganfall Kinder und deshalb u a auch geistiger Beeinträchtigung. Es gibt dort aber einen Gebäudekomplex aus mehreren Schulen,so dass die beiden Jugendlichen mitunter von einer anderen Schule stammen. Da sie mit der Scheinwaffe an einer Schule für Behinderte herumlungerten, müsste auch hinterfragt werden, ob das etwas mit der Einstellung ggü Behinderten zu tun hat. Dies geht natürlich nicht, wenn der NDR behauptet, es sei eine Oberschule.
MfG

Nick
6 Monate zuvor
Antwortet  Indra Rupp

„Müsste auch hinterfragt werden…“ . Ich gehe davon aus, dass das Gegenstand von staatsanwaltschaftlichen bzw. polizeilichen Ermittlungen ist.

SR500
6 Monate zuvor

Inklusion in ihrer Umsetzung in Deutschland ist doch schon die reinste Sparmaßnahme.