Umfrage: Mehrheit der Bürger will, dass Schulen vegetarische Gerichte anbieten

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BERLIN. Die Mehrheit der Erwachsenen in Deutschland spricht sich für vegetarische Essensangebote an Schulen aus. Das Meinungsforschungsinstitut Yougov befragte dazu mehr als 12.000 Menschen. Die Ergebnisse sind den Angaben nach repräsentativ für die deutsche Bevölkerung ab 18 Jahren.

Es ist durchaus gesund, sich mit pflanzlicher, frischer Kost zu ernähren. Foto: Shutterstock

63 Prozent der Befragten stimmen demnach der Aussage zu, dass deutsche Schulen auch vegetarische Essensalternativen anbieten sollten. 7 Prozent sagen sogar, dass es dort ausschließlich vegetarisches Essen geben sollte. 18 Prozent halten vegetarisches Essen an deutschen Schulen dagegen nicht für notwendig.

Seit Jahren ist Vegetarismus ein Aufregerthema in Deutschland. Dem Verbraucherzentrale Bundesverband zufolge ernähren sich hierzulande aktuell rund acht Millionen Menschen fleischlos, also etwa zehn Prozent der Bevölkerung – Tendenz steigend. Viele sehen darin einen Beitrag zum Schutz von Klima, Tieren oder der eigenen Gesundheit. Andere glauben nicht an derlei Wirkungen.

Seit Schuljahresbeginn in Baden-Württemberg wird in städtischen Grundschulen und auch in Kitas in Freiburg nur noch ein vegetarisches Einheitsmenü angeboten – das hatte der Gemeinderat der Schwarzwaldmetropole mit grün-linker Mehrheit beschlossen. Der Freiburger Beschluss für das vegetarische Einheitsmenü löste überregional eine Kontroverse über richtige Kinderernährung aus (News4teachers berichtete). News4teachers / mit Material der dpa

Faktencheck

Menschen, die sich fleischlos ernähren, helfen dem Klima, den Tieren und leben gesünder – sagen die einen. Andere behaupten, die Ersatzprodukte schadeten dem Klima mehr als Fleisch. Was stimmt?

Behauptung: Vegetarische Ernährung ist besser für Klima und Tiere.

Bewertung: Richtig.

Fakten: «Es ist tatsächlich so, dass vegetarische Ernährung besser ist für das Klima und auch für viele andere Umweltkategorien, wie zum Beispiel die Nitratbelastung in Gewässern», erklärt Hyewon Seo vom Umweltbundesamt (UBA). Der Referentin für Nachhaltige Ernährung beim World Wildlife Fund (WWF), Elisa Kollenda, zufolge könnte man in Deutschland «den Klimafußabdruck unserer Ernährung durch rein vegetarischen Lebensmittelkonsum um 47 Prozent reduzieren».

Nach Angaben der Welternährungsorganisation (FAO) werden derzeit weltweit mehr als 33 Milliarden Hühner, 1,6 Milliarden Rinder und jeweils knapp eine Milliarde Schweine und Schafe gehalten. Die Tiere benötigen riesige Flächen und Futtermengen, wodurch Klima und Umwelt nachhaltig geschädigt werden.

Wiederkäuer erzeugen der FAO zufolge Methan, das die Erderwärmung beschleunigt. Zudem leiden die Ökosysteme, da der Flächenverbrauch zum Artensterben beiträgt und gerodete Waldflächen als natürliche Klimaschützer ausfallen. Eine Studie der Universität Bonn kam 2022 zu dem Schluss, dass die Industrienationen weltweit ihren Fleischkonsum im Idealfall um 75 Prozent reduzieren müssten, um die globalen Klimaziele einhalten und die Menschheit auch künftig ernähren zu können.

Behauptung: Durch Fleischersatzprodukte wie Soja schaden Vegetarier dem Planeten genauso.

Bewertung: Irreführend.

Fakten: Millionen Hektar einmaliger Lebensräume sind durch den Sojaanbau in den letzten Jahren vernichtet worden, wie der WWF angibt. Das habe zu einem drastischen Rückgang der Artenvielfalt in den entsprechenden Regionen geführt. Doch das liegt nicht nur an Vegetariern: 70 Prozent des weltweit angebauten Sojas gehen demnach auf den Fleischverzehr zurück, weil das Soja anstatt für den direkten menschlichen Verzehr für Tierfutter eingesetzt wird.

Behauptung: Vegetarische Ernährung schützt Tiere.

Bewertung: Stimmt zum Teil.

Fakten: Nach Zahlen des Statistischen Bundesamtes wurden 2022 in Deutschland mehr als 750 Millionen Nutztiere für die Lebensmittelproduktion geschlachtet – darunter Schweine, Rinder, Schafe, Hühner und Puten. Das sind mehr als zwei Millionen pro Tag. Im Vergleich zum Vorjahr ging die Fleischproduktion um 8,1 Prozent zurück.

Der Deutsche Bauernverband betont auf seiner Website: «Die Haltungsbedingungen in Deutschland werden immer stärker auf die Bedürfnisse der Nutztiere ausgerichtet, zum Beispiel durch besseres Stallklima, höhere Futterqualität, Hygiene, Tiergesundheitsmanagement sowie durch gezieltere Zuchtmethoden.»

Lea Schmitz vom Tierschutzbund argumentiert, dass die meisten Tiere auch heute noch in tierschutzwidrigen Haltungssystemen und einer Hochleistungszucht leben, die sie auf reine Produktionseinheiten reduziere. «In ihrer beengten Umgebung haben sie weder ausreichend Platz oder Rückzugsmöglichkeiten noch können sie ihre natürlichen Bedürfnisse ausleben. All das führt zu Krankheiten, Stress, Frustrationen und Verhaltensstörungen.»

Daher sei vegetarische Ernährung «bereits ein erster wichtiger Schritt für mehr Tierschutz», sagt Schmitz. Sie betont allerdings auch: «Leider verursachen aber auch die Milch- und Ei-Produktion großes Tierleid. Zum Beispiel müssen Milchkühe und Legehennen in der Regel ebenfalls in jungen Jahren sterben, sobald sie keine Höchstleistungen mehr erbringen.» Der konsequentere Weg für mehr Tierschutz ist für den Tierschutzbund daher der Veganismus, bei dem auch auf tierische Produkte wie Eier, Käse oder Honig verzichtet wird.

Behauptung: Vegetarische Ernährung ist gesünder und hilft beim Abnehmen.

Bewertung: Grundsätzlich richtig.

Fakten: Den Verbraucherzentralen zufolge hat eine vegetarische Ernährung «nachweislich gesundheitliche Vorteile». Es heißt: «Wer auf Fleisch verzichtet und sich vielfältig und abwechslungsreich ernährt, ist gut versorgt mit allen wichtigen Nährstoffen.» Deutsche verzehren wöchentlich rund ein Kilo Fleisch, wie das UBA schreibt. Empfohlen wird von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung mit Blick auf die Gesundheit aber deutlich weniger: 300 bis 600 Gramm. Die Weltgesundheitsorganisation WHO stuft verarbeitetes Fleisch als «krebserregend» und unverarbeitetes rotes Fleisch als «wahrscheinlich krebserregend» ein.

Für die Verbraucherzentralen ist vegetarische Ernährung gesund, solange auch Milch und deren Produkte verzehrt werden. Durch Ergänzungsmittel kompensiert werden können mögliche Mängel an Vitamin B12, das hauptsächlich durch tierische Erzeugnisse (zu denen auch Milchprodukte gehören) aufgenommen wird. Die Leipziger Neurologin Veronica Witte, die eine Studie zu vegetarischer Ernährung leitete, weist etwa auf bestimmte Zahnpasten oder Aufbauspritzen hin.

Außerdem: Einer Studie des Max-Planck-Instituts für Kognitions- und Neurowissenschaften aus dem Jahr 2020 zufolge haben Menschen durchschnittlich einen geringeren Body-Mass-Index, wenn sie weniger tierische Produkte zu sich nehmen. Fleischlastige Ernährung kann zur Gewichtszunahme führen.

Behauptung: Kinder können sich ohne Fleisch nicht gesund entwickeln.

Bewertung: Falsch.

Fakten: «Eine gut zusammengesetzte, gemischt vegetarische Ernährung mit Verzehr von Milchprodukten und Eiern kann gesundes kindliches Wachstum und Entwicklung auch ohne Fleischverzehr ermöglichen», sagt Berthold Koletzko, Vorsitzender der Ernährungskommission der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin. Es bestehe jedoch ein «etwas höheres Risiko für eine nicht optimale Versorgung mit einigen Nährstoffen wie Vitamin B12, Eisen, Zink und Omega-3 DHA.» DHA steht für Docosahexaensäure, eine Omega-3-Fettsäure.

Auch hier können geeignete Nahrungsergänzungsmittel in Betracht kommen. WWF-Referentin Kollenda weist darauf hin, dass die Gesundheit von Kindern grundsätzlich auf einer ausgewogenen Ernährung fußt und nicht davon abhängt, ob Fleisch gegessen wird oder nicht: «Eine vegetarische Ernährung, die abwechslungsreich ist und außerdem pflanzliche Proteinquellen wie Hülsenfrüchte und Nüsse und tierisches Protein aus Milchprodukten enthält, ist auch für Kinder und Jugendliche geeignet.» Von Marco Rauch, dpa

Erste Kommune bietet in Kitas und Grundschulen nur noch Vegetarisches an

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19 Kommentare
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Marc
7 Monate zuvor

Verstehe die Sensation an dem Artikel nicht. Die Mehrheit gönnt eben jedem sein Essen. Daher soll es AUCH vegetarisches Essen geben. Interessant finde ich eher dass nur 7 Prozent rein vegetarisch wollen. Also klar die Minderheit. Das zeigt deutlich, dass eine Minderheit hier einer Mehrheit was aufzwingen möchte.

447
7 Monate zuvor
Antwortet  Marc

Ist die übliche Salamischeibchen-Taktik.

Gegen eine tatsächliche und offene Auswahlmöglichkeit bin ich auch nicht.
Aber wir wissen ja alle, wie es dann weitergeht.

Wer vegetarisch, vegan oder sonstwie wie essen möchte, soll das gerne dürfen.

Angebotsvielfalt ist immer gut.

Canishine
7 Monate zuvor
Antwortet  447

Bitte vegane Salamischeibchen!

Bernd
7 Monate zuvor

Für eine vegetarische _Alternative_ bin ich auch. Für ausschließlich vegetarisch, also das, was aktuell medial vertreten wird, bin ich nicht, weil ich das für eine unzulässige Bevormundung halte.

Kleines Beispiel: Die vegetarische Kantine von VW wurde nach zwei Jahren auf Wunsch der Mitarbeiter aka mangelnde Nachfrage wieder geschlossen.

Marc
7 Monate zuvor
Antwortet  Bernd

Ich finde auch die Überschrift hier etwas manipulativ. Eigentlich hätte diese lauten müssen dass nur eine Minderheit nach dem freiburger Modell allen vegetarisches Essen vorschreiben möchte. Das würde die Absurdität und den Konflikt deutlich klar machen und zeigen, dass die Realität mit den Wünschen einer Minderheit nicht kompatibel ist

Realist
7 Monate zuvor
Antwortet  Bernd

„Seit Schuljahresbeginn in Baden-Württemberg wird in städtischen Grundschulen und auch in Kitas in Freiburg nur noch ein vegetarisches Einheitsmenü angeboten – das hatte der Gemeinderat der Schwarzwaldmetropole mit grün-linker Mehrheit beschlossen.“

Wenn die Politik so etwas beschließt, dann bitte für ihren gesamten Direktionsbereich, d.h. auch in den Kantinen der Rathäuser, Gemeindeverwaltungen, kommunalen Unternehmen und während der Sitzungen der verschiedenen Gremien ausschließlich vegetatisches / veganes Essen anbieten. Ansonsten macht sich die Politik unglaubwürdig, da sie sich auf Kosten der Schwächsten (Kita- und Grundschulkinder) profiliert. Das schadet der Demokratie.

Bernd
7 Monate zuvor
Antwortet  Realist

Es geht um Profilierung, die nicht viel kostet. Man muss nur hoffen, dass dadurch die Politikverdrossenheit nicht noch größer wird.

SchnauzeVoll
7 Monate zuvor

Dieser dpa-„Faktencheck“ ist teilweise irreführend. Unter anderem wird zum Beispiel komplett die Weidetierhaltung ignoriert, die mitnichten Ackerland beansprucht. Des weiteren wird zwar ein Großteil allen angebauten Sojas an Tiere verfüttert, allerdings nur der Abfall, der bei der Ölherstellung übrigbleibt.

Pauker_In
7 Monate zuvor
Antwortet  SchnauzeVoll

Faktenchecks kann man nach Gusto gestalten – wie Statistiken und Studien.
Aber käme nur noch Weidevieh (Kulturraum Alm!) und aus dem Wald Geschossenes (Wutzen eindämmen!) auf den Tisch, wären viele von uns Vegetarier aus mangel an Gelegenheit.

Fakten sind Hate
7 Monate zuvor

Die Mehrheit der Bürger wurde nicht gefragt, daher gilt: Die Mehrheit der Bürger wollen vernünftiges Essen auf den Mittagstisch haben.

Habt ihr euch den Fraß mal angesehen, der üblicherweise in der Mensa für 3,50Euro den Kindern serviert wurde?

An meiner Schule letzten Donnerstag:
2 große Kellen Reis
5 Chickennuggets/ komisches veganes Bratdingsbums
durchsichtige Tomatensoße
eine harte saure Birne

Sorry. Egal ob vegan, vegetarisch oder Schweinefleisch. So einen Scheiß kann man keinem Kind vorsetzen.

Nasenbär
7 Monate zuvor
Antwortet  Fakten sind Hate

Dem kann ich nur zustimmen. Widerlich! Ganz arg wird es, wenn es dann aus welchen Gründen auch immer Fisch gibt. Das ganze Haus stinkt so sehr, dass man an das Verzehren nicht mehr denken mag. Ich mag mir nicht ausmalen, aus welcher Antibiotikabrühe diese Fische stammen. Muss ja schön billig sein. Da habe ich mir schon oft gedacht, dass es besser wäre auf teure tierische Produkte zu verzichten, um dann wenigstens halbwegs gesunde und schmackhafte vegetarische Gerichte zu reichen. Die Kinder sind nicht so anspruchsvoll bzgl. der Abwechslung, wenn es den wirklich schmeckt.

Freiya
7 Monate zuvor

Ich hätte gern so leckeres, frisches Essen in den Mensen/Kantinen, dass es den Essern egal ist, wenn es vegetarisch ist.

Jan
7 Monate zuvor
Antwortet  Freiya

Dann würden viele gerne auch regelmäßig ein vegetarisches Essen / Menü zu sich nehmen. Wenn man aber nur Fleisch durch Pappe ersetzt, bringt das wenig.

Vierblättriges Kleeblatt
7 Monate zuvor

„… dass deutsche Schulen auch vegetarische Essensalternativen anbieten sollten. 7 Prozent sagen sogar, dass es dort ausschließlich vegetarisches Essen geben sollte…“

Das klingt schon ganz anders als die Titelzeile suggeriert. 7% ausschließlich. Dazu gehöre ich nicht. Auch und als Alternative, ja, warum nicht.

Ich kann sagen, dass ich das Schulessen bei uns außerordentlich langweilig und fantasielos finde. Es gibt nur 1x wöchentlich Fleisch und außerdem 1x wöchentlich Fisch. Die Kinder selbst mögen das Essen meistens nicht sehr. Sie schmeißen viel weg oder gehen nicht essen, obwohl sie angemeldet sind.

Uwe
7 Monate zuvor

Das ist der Vorteil von Catering: Man kann vegetarisch, vegan, Halal und sogar rindfleischfreies Essen bestellen (wir hatten mal einen hinduistischen Schüler, da hat jede kaste eigene Ernährungsvorschriften , da sind wir in Europa noch gut dran)

Lisa
7 Monate zuvor

Ich bin selber Vegetarier und möchte behaupten, dass diese Ernährungsform beim Abnehmen gnadenlos überschätzt wird. Was hat mehr Kalorien, ein Steak mit Salat oder das übliche Gemüse -mit – Käse – überbacken?

Maria
7 Monate zuvor
Antwortet  Lisa

Nun ja, es kommt darauf an.
Meine Freundin – Veganerin – isst für ihr Leben gern Kartoffeln. Am liebsten Pommes mit veganer Majo oder Bratkartoffeln. Auch ihr Frühstück mit Haferflocken, jeder Menge Beeren und Nüssen sowie Mandelmilch ist nicht gerade kalorienarm.
Allerdings hat sie – trotz Kleidergröße 52 – einen noch tolerierbaren Blutdruck.
Nur mit dem Gehen hapert es langsam.

Jan
7 Monate zuvor

Irreführende (wenn auch nicht falsche) Überschrift! Immerhin wird deutlich, dass es eine große Mehrheit für eine breite Auswahl an Mahlzeiten gibt. Das ist erfreulich!