Während Experten und Lehrkräfte noch eifrig diskutieren, wie man Künstliche Intelligenz (KI) im Unterricht nutzen könnte, sind Schüler am Lessing-Gymnasium in Karlsruhe schon einen Schritt weiter: Mit ihrer Lehrerin Daniela Matz haben sie den Chatbot ins Klassenzimmer geholt. Die Frage: Was kann ChatGPT aus Georg Büchners «Woyzeck» machen?
«Ich habe ChatGPT ausprobiert und für mich war schnell klar, dass das die Schreibkultur verändern wird – an den Schulen, aber auch grundsätzlich», sagt Matz. «Daher macht es keinen Sinn, an den Schulen so zu tun, als gäbe es das nicht.» Also durften ihre Elftklässler mit Hilfe des Chatbots Büchners Dramentext in eine Erzählung umschreiben und die Ergebnisse diskutieren.
Bei den Schülern kam das Projekt gut an. «Es war was ganz Neues, das habe ich noch nie vorher gemacht», sagt Gymnasiast Samuel. Auch die Lektüre als solches – ein Klassiker des Deutschunterrichts aus dem Jahr 1878 – sei für den 17-Jährigen durch die neue Aufgabenstellung spannender geworden: «Ich fand es so sogar besser, als wenn man nur das Buch gelesen und dann dazu einen Text geschrieben hätte.»
Auch in der Wissenschaft ist das Interesse an den Erfahrungen mit dem Projekt groß. So stellte Matz das Projekt vor den Sommerferien bei einer Konferenz zum Thema Deutschunterricht in Zeiten von Chatbots und KI an der Ludwig-Maximilians-Universität München vor. Experten aus Deutschland und Österreich diskutierten hier einen Tag lang über Textproduktion an Schulen, KI als Schreibbegleiter und neue Aufgabenstellungen. Eine treibende Frage dabei war, ob die KI den Schülern die Arbeit abnimmt.
Ganz so einfach war es laut Matz für ihre Schüler aber nicht. Manche nutzten den Chatbot von Anfang an, andere erst, wenn sie selbst eine klare Vorstellung vom gewünschten Ergebnis hatten. Dazu sei einiges an Vorarbeit nötig gewesen, sagt Matz. Zuerst habe die Klasse die Lektüre gelesen und sich intensiv mit dem Drama beschäftigt. Erst dann sei die Schreibaufgabe dazu gekommen.
«Man muss überprüfen, was die KI rausgibt. Oft habe ich meine Texte eingegeben und die KI hat sie komplett verändert, obwohl sie nur den letzten Satz ändern sollte»
Die Schüler mussten dann so genannte Prompts, also Befehle, an den Chatbot verfassen und die KI mit Informationen füttern, damit diese ihnen Textfragmente liefert. «Mich hat es überrascht, wie schnell die KI antworten konnte», sagt der 17-jährige Silvio. «Manchmal habe ich Fragestellungen losgeschickt, die noch nicht fertig waren, und die KI hat trotzdem was daraus gemacht.»
Doch nicht alles, was ChatGPT den Schülern anbot, war auch verwertbar, wie sie schnell feststellten. «Man muss überprüfen, was die KI rausgibt. Oft habe ich meine Texte eingegeben und die KI hat sie komplett verändert, obwohl sie nur den letzten Satz ändern sollte», beschreibt die Schülerin Laura die Arbeit mit dem Chatbot. «Vom Gefühl her musste ich, nachdem ich der KI eine Aufgabe gegeben hatte, immer noch ziemlich viel machen, damit es ein guter Text wird. Wenn man das nicht selbst bearbeitet, hat man einen Text ohne Kontext, wo die Figuren nicht dazu passen», sagt Mitschüler Florian.
Diese Einschätzung teilt auch Lehrerin Matz. «Ein Ergebnis ist: Die Schüler brauchen eine sehr klare Vorstellung davon, wie ihre Texte aussehen sollen, damit sie erstens gezielt Prompts formulieren und zweitens dann auch kritisch abschätzen können, was sie nutzen können.» Sie als Lehrerin müsse zudem die Zielvorgaben in ihren Aufgabenstellungen sehr genau definieren.
Die Diskussion über KI im Unterricht hat gerade erst begonnen. Neben Matz gibt es noch andere Lehrer, die die Chatbots auf eigene Faust mit ihren Klassen testen. Nach Angaben des bayerischen Kultusministeriums gab es im Freistaat zuletzt mehrere solcher Versuche, unter anderem an einer Realschule in Erlangen. Dort hätten Neuntklässler im Werkunterricht «mit einer generativen KI eine Bastelanleitung für selbstgebasteltes Schmuckpapier erzeugt». Dieser Ansatz biete auch die Möglichkeit, KI kritisch zu hinterfragen – wenn sich etwa die Bastelanleitung als unbrauchbar erweist.
Zum Alltag gehört ChatGPT an vielen deutschen Schulen noch lange nicht. Für Lehrerin Daniela Matz ist nach ihrem «Woyzeck»-Versuch trotzdem klar: KI muss fester Bestandteil des Unterrichts werden. Für mögliche Folgeprojekte hat sie nun schon einige Beobachtungen gesammelt – genau wie ihre Schüler. «Ich dachte am Anfang noch, dass KI recht selbstständig ist, habe dann aber schnell festgestellt, dass man sehr viel Verantwortung hat», fasst Elftklässlerin Laura ihre Erfahrungen zusammen. «Ich habe gemerkt, dass die Aufgabe mit der KI spannender ist – aber man muss auch aufpassen.» Von Anna-Lena Reif, dpa
McKinsey-Studie: Künstliche Intelligenz wird Lehrberufe am stärksten verändern
Die Frage, die sich mir stellt, ist, was hier im Fokus des Unterrichts stehen sollte. Wollte man den Umgang mit ChatGPT üben, oder sollen der Umgang mit Literatur und die vielfältigen Interpretationsmöglichkeiten eines literarischen Textes erarbeitet werden? Das sind für mich beides legitime Lernziele, allerdings ist die Bedienung von ChatGTP für mich kein Lernziel, das schwerpunktmäßig in den Deutschunterricht gehört. Wird man so dem Drama gerecht? Verkommt es nicht nur zu einer Krücke, die man nutzt, um ChatGTP irgendwie zu füttern und zu schauen, was herauskommt? Natürlich muss man den Text gut kennen, um beurteilen zu können, ob die KI sinnvolle Texte produziert, aber mit den SuS eigenständige Interpretationen herauszuarbeiten erscheint mir im Umgang mit Literatur sinnvoller.
Das Lernziel war auch, gute Prompts zu schreiben, das heißt man muss im Vorfeld wissen, was man möchte. Damit lernt man Struktur und vorausschauendes Agieren. Da die KI bei Versuch und Irrtum nicht müde wird, trauen sich Schüler auch, mehr Fehler zu machen. Es gibt ja noch eine Chance und noch eine und noch eine …..
Erinnert mich irgendwie ein wenig an das Infinite-Monkey-Theorem.