Schlechte Bildungsergebnisse: Bundesland will Schüler bis Klasse sechs mehr zum Lesen bringen – in allen Fächern

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BREMEN. Der Stadtstaat Bremen trägt seit einer gefühlten Ewigkeit die rote Laterne bei Schülerleistungsvergleichen – das soll sich nun ändern. Bildungssenatorin Aulepp will nun die Vermittlung von Basiskompetenzen forcieren und setzt dafür auf ein neues Konzept zur Leseförderung, das „Leseband“.

Es soll mehr gelesen werden – auch laut. (Symbolfoto) Foto: Shutterstock
  • Der höchste Anteil der Schülerinnen und Schüler erreicht nicht die Mindeststandards.
  • Die Schülerinnen und Schüler weisen geringe Kompetenzen auf.
  • Nur wenige ausländische Jugendliche erreichen das Abitur.

Das sind Ergebnisse, die der jüngste Bildungsmonitor des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) im Auftrag der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM) für Bremen zusammengetragen hat. Einmal mehr landet das kleinste Bundesland, das nach einer Erhebung des Paritätischen Geamtverbands den höchsten Anteil von Menschen in Armut zu verzeichnen hat, damit auf dem letzten Platz im Bundesländervergleich. Die Ergebnisse der Iglu-Studie, wonach bundesweit ein Viertel der Viertklässlerinnen und Viertklässler die Mindeststandards im Textverständnis nicht erreichen, wurden deshalb in der Hansestadt offensichtlich mit besonders großer Sorge aufgenommen.

Jetzt reagiert Kinder- und Bildungssenatorin Sascha Karolin Aulepp (SPD) – mit Einführung eines neuen Konzepts der Leseförderung, das innerhalb von fünf Jahren alle Kinder der Klassen 1 bis 6 erreichen soll: das „Leseband“. Im Kern steht eine tägliche Lesezeit der Schülerinnen und Schüler. Dazu würden Lehrkräfte durch alltagstaugliche, digitale Lernstandserhebungen und daran anknüpfende Materialien bei der differenzierten Förderung von Lesekompetenz unterstützt, wie es in einer Pressemitteilung heißt.

„Lesen lernt man nur durch Lesen. Und wenn alle mitmachen, traut sich auch jedes Kind und merkt, wie viel Spaß es macht“

Aulepp reagiert nach eigenem Bekunden mit der – „mit Fachleuten und Lehrkräften abgestimmten“ – Lesestrategie auf die zu geringe Lesekompetenz von Grundschülerinnen und Grundschülern sowie Schülerinnen und Schülern der Sekundarstufe I. Die gezielte Leseförderung sei Teil einer Gesamtstrategie mit dem Titel „Initiative Basiskompetenzen“. Diese habe zum Ziel, allen Kindern im Land Bremen chancengerechtes und leistungsorientiertes Lernen zu ermöglichen und sie so bestmöglich in ihrer Persönlichkeitsentwicklung zu unterstützen.

Aulepp dazu: „Lesen lernt man nur durch Lesen. Und wenn alle mitmachen, traut sich auch jedes Kind und merkt, wie viel Spaß es macht. Das Leseband findet in allen Fächern statt, damit alle Lehrkräfte daran mitarbeiten, dass alle Kinder gut lesen und damit auch gut lernen können.“ 28 Grundschulen aus Bremen und Bremerhaven machen im laufenden Schuljahr den Anfang: Zu Beginn würden alle Grundschullehrkräfte, unabhängig vom Unterrichtsfach, in den Grundlagen der Lese- und Sprachförderung und den Lautleseverfahren des Lesebands fortgebildet. Ab dem kommenden Halbjahr begännen dann die täglichen Lesezeiten an den Schulen, das sogenannte Leseband.

Weiter heißt es: „Für die schrittweise Einführung des evidenzbasierten Hamburger Lesebandes an allen 100 Grundschulen in Bremen und Bremerhaven und in den Klassen 5 und 6 aller Oberschulen wird der Ansatz passgenau für die Bremer Strukturen adaptiert und schrittweise auf alle Schulen ausgeweitet. Mit dem Bremer Leseband wird eine tägliche Lesezeit von 25 Minuten in den Stundenplänen verankert. Die Lesezeit wird schulweit ein- und ausgeläutet und in allen Unterrichtsfächern vom gesamten Kollegium umgesetzt. Die verschiedenen Methoden des Lautlesens, neue Lesematerialien und eine digitale Plattform zur Leseförderung helfen, diese Zeit abwechslungsreich und für jede Lerngruppe passend zu gestalten.“

Die gleichzeitige flächendeckende Einführung digitaler, niedrigschwelliger Lernstandserhebungen unterstütze Lehrkräfte dabei, die Förderbedarfe und Fortschritte der Kinder regelmäßig zu erkennen und die Leseförderung daran anzupassen. Dafür würden Lernstandserhebung und Materialien besser vernetzt, damit der Zeitaufwand der Differenzierung für Lehrkräfte sinke.

„Es ist gut erforscht, wie Leseförderung für Kinder gelingt. Dass sich das Land Bremen auf den Weg macht, diese Konzepte nun umfassend und nicht in Einzelmaßnahmen umzusetzen, ist Hauptgrund für unsere Unterstützung“

An der Umsetzung dieser Strategie seien das Institut für Qualitätsentwicklung (IQHB) und die Universität Bremen sowie Vertreterinnen und Vertreter der Schulaufsichten, Schulleitungen und Lehrkräfte beteiligt. Fachleute aus der Wissenschaft und Praxis erfolgreicher Leseförderung würden beim Transfer erprobter Konzepte nach Bremen einbezogen. Unterstützung gibt es von der Unternehmerstiftung für Chancengerechtigkeit.

„Es ist gut erforscht, wie Leseförderung für Kinder gelingt. Dass sich das Land Bremen auf den Weg macht, diese Konzepte nun umfassend und nicht in Einzelmaßnahmen umzusetzen, ist Hauptgrund für unsere Unterstützung“, sagt Michaela Wintrich, Co-Geschäftsführerin der Unternehmerstiftung für Chancengerechtigkeit. „Gemeinsam wollen wir lernen, wie es gelingen kann, Leseförderung für alle Kinder strukturell hochwertig umzusetzen – und so zeigen, dass mit der richtigen Unterstützung jedes Kind lesen lernen kann.“, sagt Co-Geschäftsführerin Noosha Aubel. News4teachers

Grundschüler sollen gemeinsam lesen üben („im Chor oder im Tandem“)

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Mika
6 Monate zuvor

Frage an die Redaktion:
Gibt es für die Durchführung des gemeinsamen Lesens dann mehr Stunden oder wird die Zeit fürs Lesen vom jeweiligen Fach kostenneutral „abgezwickt“?
Auch die Rechenfertigkeiten vieler Kinder entsprechen nicht dem gewünschten Standard. Und auch Rechnen lernt man nur durch rechnen. Wenn ich jetzt zweimal pro Woche 25 Minuten rechnen zugunsten von 25 Minuten lesen hergebe, fehlt jeder Woche eine ganze Unterrichtsstunde…

447
6 Monate zuvor

Keine Lesekultur im Alltag – da kann Schule dann auch an nichts anschliessen, das Buch, Lesen (und damit Bildung) bleibt Fremdkörper, „sowas in der Schule“ eben.

Allerdings überraschend positiv, Drohne 447 kurz vor Systemausfall:
Angeregt ausgerechnet durch einen Tiktok-Trend schreiben mich in den Ferien (!) eine niedrige zweistellige Schülergruppe an, ob wir denn Buch XYZ lesen könnten.
Also: Nicht ganz Gallien ist verloren.

lehrer002
6 Monate zuvor

Das ist lobenswert, aber nur, wenn dafür nicht bei anderen Fächern gekürzt wird… Das heißt, mehr Schulzeit für die Kinder, mehr personelle Ressourcen für Schulen

Bernd
6 Monate zuvor

Wie schneidet Bremen im Vergleich zu Gelsenkirchen ab? Das dürfte aussagekräftiger sein als der Vergleich mit Bundesländern.

Dirk Meier
6 Monate zuvor
Antwortet  Bernd

Im Vergleich zu Hamburg schneidet Bremen eher bescheiden ab.

Bernd
6 Monate zuvor
Antwortet  Dirk Meier

Deswegen ja auch Gelsenkirchen. Ersatzweise können Sie auch Offenbach am Main nehmen.

Canishine
6 Monate zuvor
Antwortet  Bernd

Bei der letzten Begegnung 2:1 für Schalke () …

Matthias Kleindienst
6 Monate zuvor

Ich befürworte und unterstütze jede Förderung der Lesekompetenz – das finde ich wichtig und richtig !!!

Die Spitze des Eisbergs :
Lesen lernt man nur durch Lesen = Binsenweisheit seit (mindestens) 50 Jahren !

Die Ipad-bedingte (= Ipad-“versiffte“), milieubedingte, ansozialisierte Vereinsamungstendenz der Kinder, die sich immer weniger im gemeinsamen Spiel mit Gleichaltrigen bewegen, verkümmertes Probierverhalten zeigen und alldemzufolge quasi keine angemessene Streitkultur mehr haben, zeitigt verunsicherte, egozentrikgesteigerte kleine Menschen (= kann man sie noch als „Persönlichkeiten“ bezeichnen ?).
= Kinder, die sich nicht mehr im geselligen Spiel mit Gleichaltrigen auseinandersetzen, deren haptische Erfahrungen stark eingeschränkt sind, deren Gesichtsfeld auf die Entfernung zum Ipad eingeschränkt ist, entwickeln kein „Allround-Neugierverhalten“ – die lernen schlecht Lesen, verkümmerte Sprechkompetenz (=verkümmerter Wortschatz) erschwert das Erlernen der Schreibkompetenz, deren Lernfähigkeit – eben nun auch in den weiteren Schulfächern – ist reduziert – mit zunehmender Tendenz !
Reicht es etwa aus, dass man in den Schulen „binsenweisheitsschlau“                  die Lesekompetenz fördert ? Wir warten ab, ob unsere Schultitanik unsichtbar       unter der (Wasser-) Oberfläche vom Eisberg geschlitzt wird.                 Wenn sie untergeht, haben wir Gewissheit.

polly
6 Monate zuvor

Wenn etwas eigentlich Selbstverständliches neu eingeführt werden soll (etwa das Lesen im Chor oder überhaupt das laute Lesen), dann wurde es vorher offenbar abgeschafft. Bleibt die Frage, wer hat das abgeschafft, und wann und warum geschah das?

Matthias Kleindienst
6 Monate zuvor
Antwortet  polly

Ich empfinde, dass hier alter Wein in neuen Schläuchen verkauft wird. Lesen im Chor, Tandemlesen, lautes Lesen war in meinen Grundschulen immer gebräuchlich und musste – für das Leseverständnis – einen zeitlich angemessenen (=ausreichenden !!) Anteil haben. Die übrigen das Lesen und Leseverständnis und schließlich die Lernfähigkeit beeinträchtigenden Faktoren haben sich schleichend (unverhältnismäßig) vermehrt ! Haben wir die Trägheit der Dinosaurier ?

Alex
6 Monate zuvor
Antwortet  polly

Warum das geschah? Damit Klein-Fritzchen auch weiterhin glauben kann, er wäre der super-duper Vorleser, auch wenn er mit Mühe und Not zweisilbige Wörter zusammen bekommt. Öffentliche Leistungsvergleiche sind schon länger nicht mehr erwünscht, als man glaubt.

GS in SH
6 Monate zuvor
Antwortet  polly

Lautes Lesen findet in jedem Fach statt.
Das Lesen im Chor ist Gleichschaltung, so was Ähnliches wie Frontalunterricht und damit Pfui!

Riesenzwerg
6 Monate zuvor
Antwortet  GS in SH

Schön wär’s.

Zur Zeit sitzen sie alle individuell vor Laptops, Convertibles und tun so, als würden sie lesen.

In vielen Fächern (hier Sek I) wurde dazu übergegangen, und das schon sehr lange, denn die Geräte müssen sich ja auch „bezahlt“ machen, Filme zu allem Möglichen zu zeigen.

Damit wird das Kopfkino getötet.

Nicht nötig zu sagen, dass die Kids auch die Inhalte der Filme und Filmchen inhaltlich nicht wiedergeben können, auf Fragen keine Antwort haben und nach dem nächsten Film „geiern“.

Das ist in etwa bei 2/3 der Fall.

Bunte Bilder ohne Drogen und nicht denken sondern nur gucken müssen…

Ein Hochlied auf die digitale Kindheit!

Achtung – Ironie inside bzw. at the end

Riesenzwerg
6 Monate zuvor
Antwortet  polly

Naja….. wer nicht gut lesen kann, kann das auch laut nicht – Sorge um Bloßstellung – Folge: nur noch leise (nicht lesen lernen).

Naja…. im Chor lesen (oder die 1×1-Reihen aufsagen) – brüll, kreisch – militärisches Strammstehen! (als ob die auch nur eine Sekunde stillstehen könnten..) – VERBOTEN!

Und so werden lange erfolgreich erprobte Methoden nicht mehr eingeserzt, um Erfolge zu haben.

Wegen der Diskriminierungs- und Bloßstellungsangst einiger überhelikopterten Erwachsenen.

Beim lauten Lesen haben schkechte Leser die Chance, erst einmal still mitzukesen und sich die Worte zumindest über das Hören einzuprägen. (SOOO schnell lernen sie den Text nicht auswendig – nur mal nebenbei.).

Bei mir kommen immer zuerst die sicheren Leser dran, später die anderen. Nennt sich Differenzierung – für die Über-Helis.

Jede 1×1-Reihe hat eine eigene Klangmelodie, einen eigenen Rhythmus. Den können sich die schnellen merken und die anderen grooven sich langsam ein.

Und ja – ich mache das im Stehen!

Liebe Über-Helis – sorgt euch doch lieber mal in anderen Bereichen. Vielleicht in Überfürsorge am falschen Platz.

Und ich bin ganz sicher – so machen das sehr viele Kollegen. Dafür solltet ihr dankbar sein, denn hier wird – auch in der Sek I – GRUNDLAGENARBEIT geleistet.

Rainer Zufall
6 Monate zuvor

Ich habe im Internet gesucht und wurde nicht fündig. Was genau macht das Leseband? Wie gestaltet sich das Lesen konkret?

Marie
6 Monate zuvor
Antwortet  Rainer Zufall

War jetzt nicht so schwierig zu finden: https://www.lesen-in-deutschland.de/journal/1876