Welle von Bombendrohungen gegen Schulen rollt weiter – GEW: Wochenlang?

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BERLIN. Die Urheber sind anonym, die Hintergründe oft unklar: Bombendrohungen sorgen seit einigen Tagen bundesweit verstärkt für Polizeieinsätze. Am Freitag müssen erneut Schulen und öffentliche Einrichtungen in mehreren Bundesländern von der Polizei geräumt werden. Die GEW fürchtet, dass die Gefährdungslage für die Schüler und Lehrkräfte wochenlang anhält.

Die Polizei hat in diesen Tagen gut an Schulen zu tun (Symbolfoto). Foto: Shutterstock

Dutzende blau-gelbe Mannschaftsbusse stehen vor den Schulgebäuden, die Straßen sind gesperrt, Beamte weisen verunsicherten Schülern den Weg, Sprengstoff-Spürhunde schnuppern sich durch Mülltonnen. Szenen, wie sie sich am Freitagvormittag in mehreren Gegenden Deutschlands abspielen, heute vor allem in Baden-Württemberg. Der letzte Schultag vor den Herbstferien endet für viele Schülerinnen und Schüler in Stuttgart und im Norden und Osten der Landeshauptstadt mit einem Großaufgebot an Polizeikräften – und Gefühlen der Angst und Unsicherheit.

Was ist passiert? Am frühen Morgen gingen an mehreren Schulen Bombendrohungen ein, sie kamen per Mail. In den vergangenen Tagen waren in ganz Deutschland immer wieder Bombendrohungen bekannt geworden, zumeist an Schulen. Die Urheber sind unbekannt, die Hintergründe unklar. In einigen Fällen wurden in den Schreiben Bezüge zur islamistischen Hamas sowie zum Gaza-Krieg hergestellt, aber auch der Ukraine-Konflikt war Thema. Das Dilemma der Einsatzkräfte: Sie müssen jedem Hinweis nachgehen, auch wenn es sich am Ende als leere Drohung herausstellt. Grundsätzlich müsse man jede Drohung ernst nehmen, sagt ein Polizeisprecher.

Ob es einen Zusammenhang zwischen den einzelnen Fällen gibt? Der Verdacht liegt nahe, das bleibt aber nach wie vor zunächst offen. Am Dienstag hatte es aus Sicherheitskreisen gegenüber der Deutschen Presse-Agentur geheißen, möglicherweise könne es darum gehen, das Sicherheitsempfinden der Bevölkerung zu schwächen und Unmut gegen Israel zu schüren.

Das Bundesinnenministerium ist sich da noch nicht sicher. «Ob mit den Drohungen ein extremistisches Ziel verfolgt wird oder es sich möglicherweise um Trittbrettfahrer handelt, die sich zur Verstärkung der Wirksamkeit ihrer Drohungen als Hamas bezeichnen, können wir zum jetzigen Zeitpunkt nicht abschließend bewerten», sagt eine Ministeriumssprecherin am Freitag in Berlin.

Sie weist darauf hin, dass es nach dem Angriff der Terrororganisation Hamas auf Israel zuerst in Frankreich solche Vorfälle gegeben habe. Später seien erste Bombendrohungen auch in Deutschland eingegangen, in denen ein Bezug zum aktuellen Nahost-Konflikt hergestellt worden sei. Seit dieser Woche gebe es deutlich mehr solcher Drohungen. Man könne noch nicht sagen, «dass es da eine einheitliche Linie gibt», sagt die Ministeriumssprecherin in der Bundespressekonferenz. «Fest steht auch, dass es bislang noch zu keinem Schaden kam.»

Thüringen

In Erfurt war am Freitagmorgen das Rathaus wegen einer Bombendrohung zwischenzeitlich abgesperrt worden. Es war ein Spürhund im Einsatz, um das Gebäude abzusuchen, wie eine Sprecherin der Erfurter Polizei sagte. Die Drohung sei per E-Mail eingegangen, ob es ein politisches Motiv gibt, wollte die Sprecherin zunächst nicht sagen. Mitarbeiter seien gebeten worden, das Gebäude zu verlassen, oder zu Hause zu bleiben. Den Angaben nach waren von der Sperrung teilweise auch Bereiche um das Rathaus betroffen – etwa eine Bankfiliale.

Der MDR berichtete zudem von Bombendrohungen an Schulen in Erfurt und Neudietendorf (Landkreis Gotha). Auf der Homepage des Erfurter Gymnasiums Albert Schweitzer stand am Freitag, dass wegen einer Bombendrohung alle Schüler und Lehrer zu Hause bleiben müssen. Eine Sprecherin der Polizei Gotha sagte, an der Schule in Neudietendorf sei die Polizei vor Ort. Den Angaben nach gab es auch Drohschreiben an einer Schule im Ilm-Kreis und in einem Busunternehmen im Landkreis Gotha. Es werde geprüft, ob es Zusammenhänge zu anderen regionalen und überregionalen Bedrohungslagen gebe, hieß es von der Polizei.

Baden-Württemberg

In Baden-Württemberg hat die Polizei am Freitagmorgen fünf Schulen und eine Hochschule geräumt. Zunächst ging eine Bombendrohung in Schorndorf ein, später auch in Fellbach, Waiblingen (alle drei im Rems-Murr-Kreis) und Stuttgart-Vaihingen. Auch bei einer Schule in Göppingen ging vor Schulbeginn eine Drohmail ein. Alle Schulen wurden nach verdächtigen Gegenständen abgesucht, die Umgebung abgesperrt. Die Einsatzkräfte konnten allerdings nichts finden.

In Mannheim wurde wegen einer Drohmail zudem die Hochschule der Bundesagentur für Arbeit geräumt. 150 Studierende hätten am Morgen das Gebäude verlassen müssen, bestätigte ein Polizeisprecher. Die Maßnahmen seien aber mittlerweile abgeschlossen, es bestehe keine Gefährdung mehr.

Das Innenministerium Baden-Württemberg berichtet auf Nachfrage, dass bislang alle Polizeipräsidien autark an den Fällen arbeiteten. Man habe das noch nicht zusammengezogen, weil sich bisher die Ernsthaftigkeit der Drohungen nicht bestätigt habe, sagt eine Sprecherin. Es werde aber jedes Mal geprüft, ob die Fälle zusammengezogen werden sollten. «Wir beobachten das akribisch und prüfen die Drohungen jedes Mal auf Echtheit», sagt die Sprecherin. Man nehme jede Drohung ernst. Bezüge zum Konflikt im Nahen Osten kann sie nicht bestätigen.

Kultusministerin Theresa Schopper verurteilt die Bombendrohungen aufs Schärfste. «Wie hier mit Ängsten von Schülerinnen und Schülern und den Lehrkräften gespielt wird, ist unerträglich», sagt die Grünen-Politikerin am Freitag. «Nach den Jahren der Pandemie und angesichts von Krisen und Kriegen in der Welt herrscht ohnehin schon genug Unsicherheit an den Schulen.» Die Schulleitungen arbeiteten eng mit der Polizei zusammen. Sie wünsche den Schülerinnen, Schülern, Lehrkräften und Eltern trotz allem erholsame und möglichst friedliche Herbstferien.

Man müsse diesen «unsäglichen Trend» im Keim ersticken, fordert der SPD-Innenpolitiker Sascha Binder. Aber wie? Das Innenministerium sieht noch keine Gefährdungslage, die eine zentrale Steuerung erfordert. Bislang arbeiteten alle Polizeipräsidien autark an den Fällen, sagte eine Sprecherin, weil sich bisher die Ernsthaftigkeit der Drohungen nicht bestätigt habe. Man nehme aber jede Drohung ernst. Personell gebe es durch die Einsätze keine Engpässe.

«Im Netz nach gefälschten Absendern zu suchen, kann nicht die Aufgabe einzelner Reviere sein», kritisiert hingegen Binder. «Wir müssen genug Know-How und Kapazitäten einsetzen, um die Urheber dieser Drohungen schnell zu ermitteln.» Eine Welle von Nachahmungstaten sei ein echtes Risiko. Binder schlägt vor, die Ermittlungen zusammenzuziehen.

«Wenn das nun wochenlang die Schulen begleitet, ist das eine richtige Hausnummer», sagt der Geschäftsführer der GEW in Baden-Württemberg, Matthias Schneider. Aber eine ausgefallene Unterrichtsstunde sei weniger schlimm, als wenn Menschen ums Leben kämen.

Drohungen auch in Bayern und NRW

Auch in Bayern und Nordrhein-Westfalen kam es am Freitagmorgen zu Schulräumungen infolge von Drohschreiben. In Augsburg wurde ein Gymnasium gesperrt und mit Spürhunden durchsucht, die Ermittler gingen allerdings nach Polizeiangaben von einer geringen Gefährdungslage aus.

In Holzwickede östlich von Dortmund musste der Unterricht ebenfalls ausfallen. Vor Ort laufe ein größerer Polizeieinsatz, Hinweise auf Gefahr für Lehrkräfte, Schülerinnen und Schüler bestand nach Stand am Morgen aber nicht, wie die Polizei mitteilte. News4teachers / mit Material der dpa

Welle von Bombendrohungen – Kultusminister: Schulen sind auf solche Lagen vorbereitet

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polly
6 Monate zuvor

Wenn die Bombendrohungen tatsächlich von Hamas-Unterstützern kommen, wirft das ja ein bemerkenswertes Licht auf deren Ziele. Vielleicht sollten diese Ziele mal näher diskutiert werden?
Heute wird gemeldet, dass Hamas für viele Milliarden $ ein Tunnelsystem im Gaza-Streifen angelegt hat, während die Bevölkerung durch internationale Hilfe unterstützt werden musste. Auch das ist ja wohl charakteristisch. Und Russland gibt ein Drittel seines Staatshaushalts für militärische Zwecke aus.

Sandrina
5 Monate zuvor

Die Aussage „Es gibt keine Gefährdungslage“ finde ich wirklich „niedlich“ im Angesicht der völligen Unklarheit über die Verfasser der Emails und was da gerade vor sich geht. Es gibt keine akute Gefährdungslage, da keine Bombe gefunden wurde. Ich hoffe, man weiß, was man tut.

SB HS Lehrer
5 Monate zuvor
Antwortet  Sandrina

Mit bösen Zungen könnte man auch sagen – irgend jemand testet den Sicherheitsapparat von Deutschland und studiert Abläufe und Einsatztaktiken….

Warum auch immer

JoS
5 Monate zuvor
Antwortet  Sandrina

Mittlerweile bestätigen die Erkenntnisse der Behörden allerdings, dass es keine echte Gefährdungslage gibt. Verantwortlich sind traurige Existenzen, deren einzige Freude im Leben darin besteht, anderen mit im besten Fall unlustigen und im schlimmsten Fall gefährlichen „Pranks“ auf die Nerven zu gehen.

Sandrina
5 Monate zuvor
Antwortet  JoS

Weil der „Spiegel“ das berichtet? Ansonsten habe ich darüber noch nichts gefunden.