GEW: Auswirkungen des Nahost-Konflikts sind an Schulen deutlich spürbar – um gegenzusteuern, fehlt Personal und Zeit

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WIESBADEN. In Folge des Massakers, das die Terrororganisation Hamas am 7. Oktober in Israel verübt hat, kommt es in Deutschland zu einer zunehmenden Zahl an antisemitischen Vorfällen. Die Auswirkungen des eskalierenden Nahost-Konflikts sind an den Schulen deutlich spürbar, stellt die GEW Hessen fest. Lehrkräfte sollten ihr zufolge gegensteuern – benötigen aber personelle Unterstützung. Und mehr Zeit dafür.

Die Lage im Nahen Osten eskaliert, was auch in deutschen Schulen zu spüren ist. Das Foto zeigt einen palästinensischen Demonstranten in Gaza. Es wurde laut Bilderdienst Shutterstock im Februar 2023 aufgenommen. Foto: Shutterstock / Marwan Hamouu

„Die Schulen sind Teil der Gesellschaft. Politische Konflikte und vorhandene Ressentiments schlagen sich an diesen nieder. Da in der Schule Kinder und Jugendliche aus allen gesellschaftlichen Gruppen zusammen lernen, stellen sie oftmals einen Brennpunkt dar. Aus diesem Grund können die Schulen aber auch Teil der Lösung sein“, erklärt Thilo Hartmann, Vorsitzender der GEW Hessen:

In der aktuellen Situation ist es aus Sicht der Lehrergewerkschaft besonders wichtig, Antisemitismus an Schulen konsequent zurückzuweisen. „Für alle schulpflichtigen Kinder und Jugendlichen in Hessen muss es möglich sein, die Schule sicher zu besuchen, ohne Anfeindungen oder Bedrohungen aufgrund ihrer Religion beziehungsweise Herkunft ausgesetzt zu sein“, stellt Hartmann fest. Er erinnert daran, dass das pädagogische Personal dazu ein verlässliches Unterstützungssystem in Schulverwaltung, Schulpsychologie, Schulsozialarbeit und Jugendhilfe benötigt.

„In der schulischen Praxis ist es häufig schwierig, die notwendige Zeit für die pädagogische Arbeit aufzubringen, um die verstörenden Nachrichten und Bilder angemessen aufarbeiten zu können“

Im Rahmen der Demokratieerziehung könnten die Schulen dazu beitragen, Themen wie den Nahostkonflikt zu bearbeiten und allen Formen der gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit, darunter Antisemitismus, entgegenzuwirken. „Eine inhaltliche Auseinandersetzung mit diesen Themenstellungen ist essenziell. Die Schülerinnen und Schüler müssen zudem Begegnungen, Partizipation und Selbstwirksamkeit erfahren“, betont Hartmann. Auch die Medienbildung gehöre in diesen Kontext, denn viele Jugendliche seien dort mit Falschinformationen bis hin zu gewaltverherrlichender Propaganda konfrontiert. Aber: „In der schulischen Praxis ist es häufig schwierig, die notwendige Zeit für die pädagogische Arbeit aufzubringen, um die verstörenden Nachrichten und Bilder im Kontext einer demokratischen Bildung angemessen aufarbeiten zu können.“

Die GEW begrüßt zwar, dass die scheidende hessische Landesregierung erste Schritte zur Stärkung der politischen Bildung eingeleitet hat. So wurde der Unterricht in dem Fach Politik und Wirtschaft in der Sekundarstufe I jüngst um eine Stunde ausgebaut. Abiturientinnen und Abiturienten müssen dieses Fach von nun an durchgehend belegen, und sich damit in der gymnasialen Oberstufe erstmals verbindlich unter anderem mit dem Thema „internationale Konflikte und Konfliktbearbeitung“ auseinandersetzen. Allerdings betont Hartmann: „Die neue Landesregierung muss die Demokratieerziehung zur Priorität machen. Kein Lernbereich ist für den zukünftigen gesellschaftlichen Zusammenhalt wichtiger.“

An Hessens Schulen werden laut Kultusministerium Schülerinnen und Schüler aus einer Vielzahl von Nationen, Kulturen und Religionen unterrichtet. So haben derzeit im hessenweiten Durchschnitt 43 Prozent der Grundschulkinder – einer der höchsten Werte in Deutschland – einen Migrationshintergrund. „Respekt und Achtung vor der jeweils anderen Überzeugung und Lebensweise anderer Völker und Nationen müssen den Umgang bestimmen und sind die Grundlage für ein friedliches Miteinander. Antisemitismus und Aggressionen gegenüber Israel sind mit den Werten in Deutschland unvereinbar und dürften an den Schulen keinen Platz haben. Es ist daher wichtig, die Situation im Nahen Osten zu thematisieren und zu verhindern, dass sich Hassgefühle und Gewalt auch im Klassenzimmer oder auf dem Schulhof ausbreiteten. Schulen dürfen und sollen niemals ein Ort sein, an dem religiöse Konflikte ausgetragen würden“, so erklärte Kultusminister Alexander Lorz bei einer Veranstaltung zum Gedenken an die Opfer des Novemberpogroms 1938.

„Es liegt in der Verantwortung der Zivilgesellschaft und staatlicher Institutionen wie Schulen, unseren jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürgern beizustehen“

„Das bedauerlicherweise immer wieder auftretende Herabsetzen von Andersdenkenden und die Aufforderung zu Hetzjagden versetzen uns geistig in eine Ära zurück, deren grausame Ausprägungen wir zu überwinden geglaubt hatten. In einer Zeit, in der sich der Antisemitismus tragischerweise erneut ausbreitet, liegt es in der Verantwortung der Zivilgesellschaft und staatlicher Institutionen wie Schulen, unseren jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürgern beizustehen. Das bedeutet, religiös motivierter Hetze, populistischen Vereinfachungen und antisemitischen Parolen entschieden entgegenzutreten, wann immer sie uns begegnen“, führte der Kultusminister weiter aus.

Um Lehrerinnen und Lehrer in der Thematisierung der aktuellen Lage im Nahen Osten zu unterstützen, habe das Hessische Kultusministerium „ein umfangreiches Unterstützungspaket mit Hilfen für den Unterricht und den Umgang mit Antisemitismus und möglicherweise auftretenden Konflikten zusammengestellt, das laufend aktualisiert wird“. Zudem erhielten die Lehrkräfte Anleitungen zur psychologischen und emotionalen Unterstützung der Kinder und Jugendlichen. Darüber hinaus fördere und unterstütze das Kultusministerium „eine Vielzahl von Programmen und Projekten zur Antisemitismusprävention und -intervention im Unterricht. Dies sind Schulpartnerschaften, Lehrerfortbildungen, Beratungsangebote und Workshops für Lehrkräfte sowie Schülerinnen und Schüler.“

Personelle Unterstützung und Zeit, wie von der GEW gefordert? Gibt es augenscheinlich nicht. News4teachers / mit Material der dpa

Eskaliert der Nahost-Konflikt auf deutschen Schulhöfen? Hier wird ein Lehrer getreten…

 

 

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SoBitter
5 Monate zuvor

Hoffentlich bekommen wir in Hessen endlich einen anderen Kultusminister. Ich ertrage den Professor Doktor einfach überhaupt nicht mehr. Seit Jahren hohle Phrasen und nix dahinter.

Gelbe Tulpe
5 Monate zuvor

Jude ist leider schon seit Jahren ein gängiges Schimpfwort an den Schulen, seit 2017 fiel es mir auch bei deutschen Bildungsbürgerkindern auf. Die Entwicklung ist erschreckend.

Teacher Andi
5 Monate zuvor
Antwortet  Gelbe Tulpe

Also ich habe dieses „Schimpfwort“ in meiner jahrzehntelangen Lehrertätigkeit noch nie vernommen. Ich weiß nicht, woher Sie immer Ihrer extremen Erfahrungen haben.

Freiya
5 Monate zuvor
Antwortet  Teacher Andi

Hab ich auch schon öfter gehört! MUSS man hören, wenn man nicht auf einem wohlbehütenden Gymnasium lehrt, aber selbst da… Wird wellenmäßig völlig hirnbefreit verwendet, immer dann, wenn so ein you-tube-Jüngling entsprechende videos hochläd. Zuzeit ist eher „Alman“ in, und all die sexualisierten Nettigkeiten

Vierblättriges Kleeblatt
5 Monate zuvor
Antwortet  Teacher Andi

Ich kann für Berlin bestätigen, was die Tulpe schreibt, wenngleich eher selten.

Dejott
5 Monate zuvor
Antwortet  Teacher Andi

Ich kann die Erfahrung allerdings auch bestätigen. Der Gebrauch von „Jude“als Schimpfwort ist mir vor rund 15 Jahren bereits in der Schule zum ersten Mal begegnet. In meiner kompletten eigenen Schulzeit jedoch nicht. Wir tun gut daran, den Antisemitismus in unserer Gesellschaft ernst zu nehmen.

PFK
5 Monate zuvor
Antwortet  Teacher Andi

Es gibt Orte, an denen dies der Fall ist. Kürzlich fuhr im Shopping Center einer groooßen Stadt auf der Rolltreppe eine dreiköpfige Gruppe hässlich riechender (Moschus Kölsch Wasser mix) Pubertiernder (so um die 15Jahre alt) an mir vorbei. Kommentar von einem zum andern, sehr laut:“ Halt dein Maul, sonst schlachte isch disch ab du Jude.“
Für solche Sprüche braucht’s den Schulhof nicht.
Extrem ist das neue Normal. Wie beim Klima…

Honduraner
5 Monate zuvor
Antwortet  PFK

Ja, aber/und in der S-Bahn neulich einer zum anderen: „Was willst du, du Schwuchtel?!“ (untereinander) Die waren in einem Alter, dass ich fast denke, so richtig wissen die gar nicht, was das bedeutet. Aber wohl schon, nur nicht im Detail?

Ich fürchte, diese Schimpfwörter (Schwuchtel/Jude) sind jetzt einfach „üblich“. Leider.

447
5 Monate zuvor
Antwortet  Teacher Andi

Ich hin und wieder, grob seit 2010 mit leicht steigender Häufigkeit.

Fakten sind Hate
5 Monate zuvor
Antwortet  Teacher Andi

Das hängt von der Schule oder dem Schulstandort ab, an dem man arbeitet.

Das was hier gerade brühwarm aufbereitet wird und von allen seiten mit Empörung kommentiert wird, beobachte ich auch schon seit ein paar Jahren in meiner Schule. Entsprechende Anmerkungen meinerseits, wurde mit Kommentaren wie Ihrer hier, als Lügenmärchen abgetan.

An meiner Schule ist das Alltag.
Gibts nicht? Auch an anderen Schulen im Ruhrpott lässt sich sowas gut beobachten.

Honduraner
5 Monate zuvor
Antwortet  Gelbe Tulpe

Mir haben Muslime, ich möchte jetzt keine Nationalität nennen, aus der ehem. SU gesagt, dass sie Hitler gut finden, weil der „auch die Juden verfolgt“ hat. Ja aus der Ex-SU, da dachte ich auch, was haben denn die gegen die Juden?!? Aber es geht um Palästina und ihre „Glaubensbrüder“ dort.

Müllerin
5 Monate zuvor
Antwortet  Honduraner

Wenn man „Juden im Kaukasus“ bei Google eingibt, erscheint u.a. eine Überschrift „Antisemitischer Mob in Dagestan, Juden haben gefühlt keine sichere Heimstätte mehr“. Und Dagestan gehört auch heute noch zu Russland, nicht nur zur Ex-SU.

Ronja
5 Monate zuvor

Die Auswirkungen des Nahostkonflikts sind in den Schulen deshalb zu spüren, weil sie bei zahlreichen Muslimen nur Auslöser sind, ihren latenten Hass auf Israel und die Juden im Allgemeinen nicht mehr zu verstecken, sondern offen zu zeigen.
Kein muslimischer Schüler, der nicht vorher schon infiziert war mit Judenhass, kommt urplötzlich auf die Idee, alle Juden müssten bis hin zu ihren Kindern verfolgt werden.

Dafür spricht auch die Tatsache, dass es vor dem 7. Oktober schon etliche Angriffe auf jüdische Kinder gab. Die Schulen haben sie allerdings meist verschwiegen, weil die Gefahr bestand, dass sie als muslimfeindlich beschimpft werden, wenn sie diese Vorfälle bekannt machen. Also wurden sie lieber kleingeredet und unter den Teppich gekehrt.

Vierblättriges Kleeblatt
5 Monate zuvor

Warum Personal und Zeit fehlen sollen, leuchtet mir nicht ein. Ich spreche immer wieder mit den Kindern über aktuelle Ereignisse. Wir haben uns die Zeit dann eben dafür genommen. Das muss man doch nicht jeden Tag in jeder Stunde machen.

Und welches Personal brauche ich dafür? Ich bin Lehrer/in. Ich habe selbst einen Kopf zum Denken und ich habe selbst eine Meinung und ich kenne die Neutralitätspflicht der Schule, sprich, meine Meinung sagen dürfen, aber den Kindern keine aufdrängen.

Welches Personal brauche ich dafür?

Chris
5 Monate zuvor

Warum Personal und Zeit dafür fehlt? Weil ich parallel zu meinem eigenen Unterricht noch ein oder zwei weitere Klassen in anderen Räumen „beaufsichtigen“ soll.

Wie soll man da solche Beschimpfungen überhaupt bemerken geschweige denn aufarbeiten?

Carsten
5 Monate zuvor

Sind denn Herzl, Lawrence von Arabien, die Balfour – Erklärung etc. nicht auf dem Lehrplan ?

Hysterican
5 Monate zuvor
Antwortet  Carsten

Leicht hysterische Kichern….
… um das Problem kollektiv zu beseitigen könnte man ja mal direkt hintereinander „Laurence von Arabien“ und „Exodus“ schauen und dann eine Dauerlesung aus Frank Schätzings „Breaking News“ veranstalten.

V.a. Letzteres lohnt sich sehr, wenn man den Nahost-Konflikt mehrperspektivisch und historisch fundiert erfassen will.

So, und jetzt mal ran an die nebenunterrichtliche Veranstaltungsplanung.

… man kann es aber auch so machen, wie bei uns.
Man beauftragt die SoWi-Fachschaft mit einem kurzen Infoangebot für alle Klassen, die dann ein 15min-Video von MrWissen2Go und dann ein Arbeitsblatt mit Lückentext zum Einsatz bringen … und ansonsten folgt man der Weisung der SL, die v.a. nicht daran rühren will.
Nutzt zwar nix – aber man hat was gemacht.

447
5 Monate zuvor
Antwortet  Hysterican

Sie beschreiben den Ablauf perfekt. Wissen2go regelt, wenn diese Drohne mal wieder brandheisse Kastanien (in Wirklichkeit sind es Hundekotbälle) aus dem rasenden Feuer holen soll, das andere gelegt haben.

MrWissen2go, dokumentierte Nachfragemail an Geschichtskollegen, „Eindrücke samneln“, „Mind map“, fertig.

Neeeeeexxxt.

Bettina
5 Monate zuvor

Wenn die GEW neben Personalmangel auch fehlende Zeit beklagt, sollte sie endlich mal in sich gehen und fragen, inwieweit sie selbst daran schuld ist.
Hat sie nicht auch dafür gesorgt, dass der schulische Aufgabenkatalog ständig größer wurde, weil sie auf jede neue Sau aufsprang, die als schulische Aufgabe durchs Dorf getrieben wurde.
Dass immer mehr Aufgaben zu immer weniger Zeit führen, ist eine naheliegende und kinderleicht zu vollziehende Schlussfolgerung.

447
5 Monate zuvor
Antwortet  Bettina

Kleine Ergänzung: „politideologische (Sau)“, das Wort fehlt noch.

Clara
5 Monate zuvor

Erheiternd, die Hybris der Gewerkschaft. Als ob Lehrkräfte dem Nahost-Konflikt so ohne Weiteres im Klassenzimmer „entgegensteuern“ könnten. Es ist schon schwer – bis kaum noch möglich -, einen einigermaßen zivilisierten Umgang miteinander durchzusetzen.

Finagle
5 Monate zuvor

Gerade ein recht interessantes Video auf YT gesehen, dass über Statistiken mal versucht, aufzuschlüsseln, wie und warum die Sympathien über die Generationen so auseinander gedriftet sind. Der Kanal heißt TLDR News Global – und das tldr-Fazit davon ist, welch Überraschung – Social Media macht einen erheblichen Einfluss aus.

Realist
5 Monate zuvor

Wenn Schulen hier einen messbaren Beitrag liefern solen, muss man entsprechend Zeit und Personal investieren. Und dann eben andere Inhalte unter den Tisch fallen lassen. Aber dann kommt der Herr Schleicher wieder mit der PISA-Keule um die Ecke. Haben die eierlegenden Wollmichsäue (manche nennen sie auch „faule S…“) wieder einmal versagt. Die Gesellschaft muss sich endlich entscheiden, was wichtiger ist. Oder wird „demokratisches Bewusstsein“ auch schon bei PISA getestet?

Müllerin
5 Monate zuvor

Immerhin werden jetzt 3300 Straftaten in diesem Zusammenhang gemeldet, die meisten durch „ausländische Ideologie“:
https://www.spiegel.de/politik/deutschland/israel-gaza-krieg-bka-registriert-3300-straftaten-mit-bezug-zum-nahostkonflikt-a-361f4046-09d9-43f1-acb5-4ccaf6355e5c
Und dann scheint es zusätzlich einige Sympathien für die Täter zu geben. Und die Schulen sollen da irgendwie „gegensteuern“, mehr nicht?

Unfassbar
5 Monate zuvor
Antwortet  Müllerin

Besonders einige Gruppen mit Sympathien für Palästina sind sehr bemerkenswert und kognitive Dissonanz verursachend — auch innerhalb dieser Gruppen.