Missbrauch: Bildungsministerium gibt Broschüren heraus, die Kinder stärken sollen

1

SCHWERIN. Einer WHO-Studie zufolge ist rein rechnerisch wenigstens ein Kind je Klasse von sexualisierter Gewalt betroffen. Aus Scham bleiben viele Fälle im Verborgenen. Das Bildungsministerium von Mecklenburg-Vorpommern will gegensteuern: Zwei kleine Broschüren sollen helfen, das zu ändern.

Missbrauch ist so weit verbeitet, dass statistisch in jeder Klasse mindestens ein betroffenes Kind sitzt. Foto: Shutterstock

Mit zwei kleinen Informationsbroschüren soll die Scheu bei Kindern und Jugendlichen weiter abgebaut werden, bei Gewalterfahrungen oder sexuellen Übergriffen Hilfe zu suchen. Psychische Belastungen und sexualisierte Gewalt seien Teil des alltäglichen Lebens, oft allerdings im Verborgenen. «Wir nehmen die Sorgen und Nöte der Kinder und Jugendlichen ernst und wollen Aufklärung kindgerecht gestalten», sagte Bildungsministerin Simone Oldenburg (Linke) bei der Vorstellung der beiden Hefte in Schwerin.

«Weitersagen ist kein Petzen!» richte sich an Schüler der Klassen 3 und 4, «Hilfe holen ist Freundschaft!» sei auf Kinder ab Klasse 5 ausgerichtet. Nach Angaben Oldenburgs ergänzen die beiden Broschüren bereits bestehende Unterstützungsangebote für Schüler, Eltern und Lehrer. Dazu gehörten Präventionsprojekte wie «Trau dich», «Mein Körper gehört mir» oder «Klasse 2000». Die Heftchen seien in einer Auflage von 130.000 Stück gedruckt und größtenteils bei Elternabenden verteilt worden. Zudem seien die Informationen auch online verfügbar.

Hinschauen und Hinhören seien ganz besonders wichtig, um mögliche Anzeichen für Übergriffe erkennen, Vertrauen aufbauen und reagieren zu können, betonte die Ministerin. Oft würden sich Betroffene aus Scham davor scheuen, sich Erwachsenen anzuvertrauen, aber Freunden von ihren Nöten erzählen. «Schlechte Geheimnisse muss man weitererzählen. Das ist kein Vertrauensbruch», sagte Oldenburg.

In den zurückliegenden Jahren hätten sich Betroffene oder deren Freunde immer häufiger offenbart. Während im Schuljahr 2020/2021 an Schulen in Mecklenburg-Vorpommern 17 Verdachtsfälle von sexuellen Übergriffe gemeldet worden seien, seien es im Jahr darauf 36 und im Schuljahr 2022/2023 dann 64 gewesen. Oldenburg betonte, dass sich die Mehrzahl dieser bekanntgewordenen Fälle nicht an den Schulen ereignet habe und jeweils polizeiliche Ermittlungen gefolgt seien. Zudem sei beim Vergleich der Zahlen zu berücksichtigen, dass in den Corona-Jahren die Schulen für längere Zeit geschlossen waren.

Der Ehrenvorsitzende der Deutschen Kinderhilfe, Rainer Becker, begrüßte die neuerliche Initiative des Ministeriums. Wie schon bei der Kinderschutzhotline gehöre Mecklenburg-Vorpommern auch bei der kindgerechten Aufklärung über sexualisierte Gewalt zu den Vorreitern in Deutschland. «Missbrauchte Kinder senden nicht selten Signale aus und versuchen, in einer „anderen Sprache“ auszudrücken, was mit ihnen passiert», erklärte er. Eltern und Lehrer müssten dafür ihre Sinne schärfen und auch bereit sein, die Wahrnehmungen zu melden.

Oldenburg verwies auf Studien, nach denen rein rechnerisch ein bis zwei Schülerinnen und Schüler je Klasse von sexualisierter Gewalt in oder außerhalb der Familie betroffen sind. Etwa 80 Schulpsychologen seien im Land im Einsatz, um in solchen oder anderen Fällen mit psychischen Auswirkungen rasch und fachkundig einzugreifen. Eine frühzeitige und umfängliche Unterstützung sei wichtig, um möglichen Folgeproblemen entgegenwirken zu können. News4teachers / mit Material der dpa

Hier lassen sich die Broschüren herunterladen.

Schulen sind künftig verpflichtet, Schutzkonzepte gegen Gewalt und Missbrauch zu entwickeln

Anzeige


Info bei neuen Kommentaren
Benachrichtige mich bei

1 Kommentar
Älteste
Neuste Oft bewertet
Inline Feedbacks
View all comments
Dejott
5 Monate zuvor

Endlich eine neue Handreichung.