Debatte um Sicherheit an Schulen – VBE-Chef: Gewaltausbrüche kaum zu verhindern

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STUTTGART. Sollten Schulen zur Festung werden, um das Risiko von Schüssen wie in Offenburg oder der Bedrohungslage in Hamburg zu vermindern? Lehrergewerkschaften lehnen das ab. Aber es gebe auch ohne direkte Schutzmaßnahmen Mittel und Wege, die Gefahr zu verringern. Dass Wachschutz das Sicherheitsempfinden von Schülern und Lehrkräften verbessern kann, zeigt allerdings das Beispiel Berlin-Neukölln.

In US-Schulen ist Sicherheitspersonal normal – in deutschen Schulen die Ausnahme. Foto: Shutterstock

Überwachungskameras und Sicherheitskontrollen wie am Flughafen? Schießtraining für Lehrkräfte wie in den USA? Bildungsgewerkschaften sind auch nach dem jüngsten tödlichen Schuss an einer Offenburger Schule gegen das zusätzliche Absichern von Schulen. «Wir können solche brutalen Fälle wie in Offenburg nicht verhindern», sagte der Bundesvorsitzende des Verbands Bildung und Erziehung (VBE), Gerhard Brand. «Schulen waren stets und sind genau so sicher wie das öffentliche Leben, wie die Straße, wie der Spielplatz.»

Ebenso wie die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) lobte Brand Schritte wie die Notfallpläne, die nach dem Amoklauf in Winnenden 2009 von Schulen in Baden-Württemberg aufgestellt wurden. «Die Pläne haben sich bewährt, das haben die jüngsten Fehlalarme nach Amokmeldungen gezeigt», sagte der baden-württembergische GEW-Geschäftsführer Matthias Schneider.

«Es wird jedes Jahr mehr, aber die Ausrüstung, das Personal, die Expertise wachsen nicht mit»

«Wichtig ist es, so gut wie möglich präventiv zu arbeiten», sagte Brand. Sozialarbeiter und auch Schulpsychologen seien wichtige Pfeiler, um auf die Kinder und Jugendlichen zuzugehen und Problemfälle früh zu erkennen. Brand warnte zudem, Schulen mit zusätzlichen Verpflichtungen zu belasten. «Mehr Ganztagsunterricht, die geflohenen Kinder müssen speziell betreut werden und wir wollen die inklusive Arbeit ausbauen», sagte er. «Es wird jedes Jahr mehr, aber die Ausrüstung, das Personal, die Expertise wachsen nicht mit.»

Angesichts des Lehrkräftemangels rechnet Brand nicht mit einer schnellen Verbesserung. «Mit viel gutem Willen wird sich in einem Jahrzehnt etwas ändern. Vorher könnte es sich zunächst eher noch verschärfen», sagte er.

Auch in Hamburg kocht allerdings die Debatte um mehr Sicherheit an Schulen hoch, nachdem an zwei Schulen in Hamburg-Blankenese und -Bahrenfeld zwei Lehrkräfte von Schülern bedroht wurden. Zwar seien solche Fälle kein Alltag an Hamburger Schulen, doch das betroffene Personal käme sowohl in der Prävention als auch der nachträglichen Betreuung zu kurz, sagte der Geschäftsführer der GEW Hamburg, Dirk Mescher. In Hamburg passiere für psychischen Arbeits- und Gesundheitsschutz noch zu wenig.

Auch die Lehrergewerkschaften Hamburg sprachen davon, dass die Angst vor Übergriffen bei einigen Lehrkräften präsent ist. Wie stark die Sorge aber wirklich ist, sei laut Pressesprecher Helge Pepperling abhängig von Charakter und Schule. Die jüngsten Vorkommnisse würden aber zeigen, dass ja selbst von Schülern der Nachbarschulen Bedrohungen ausgehen könnten.

In Deutschland kommen vereinzelt an besonderen Brennpunkten Wachleute in Schulen zum Einsatz – zum Beispiel in Berlin-Neukölln, wo Bildungseinrichtungen in der Nähe besonders kriminalitätsbelasteter Orte liegen.

Das Engagement des Sicherheitsdienstes wurde allerdings im Sommer aus Kostengründen eingeschränkt, was zu Protesten von Schülerinnen und Schülern sowie Lehrkräften führte. «Wir befürchten, dass unerwünschte Personen, Suchtkranke, psychisch kranke, vielleicht aggressive Menschen wieder in die Schule kommen könnten. Das ist schon mal passiert, als der Wachschutz fehlte. Damals hatten wir zwei suchtkranke Menschen auf der Toilette», so berichtete die Schulleitung eines betroffenen Gymnasiums, wie der Rundfunk Berlin-Brandenburg berichtete. «Den Schulbetrieb, wie wir ihn haben wollen, mit einer sicheren Atmosphäre, den kann ich im Moment nicht gewährleisten.»

Und tatsächlich: Schon an den ersten Tagen seit dem Wegfallen des Wachschutzes sei es dazu gekommen, dass Personen in die Schule eindringen wollten, schilderte ein Lehrer gegenüber dem Sender.

«Keiner von uns will Schulhöfe, wo an jedem Eingang Wachpersonal steht, sondern wir wollen einen geschützten Schulhof»

Sie sei klar gegen Wachschutz vor allen Schulen in der Stadt, sagte Berlins Bildungssenatorin und KMK-Präsidentin Katharina Günther-Wünsch, nachdem im Mai zwei Mädchen im Alter von sieben und acht Jahren bei einer Messerattacke auf dem Schulhof durch einen psychisch Kranken schwer verletzt worden waren (News4teachers berichtete). Zwar stünden vor vereinzelten Berliner Schulen Sicherheitsmitarbeiter, dort sei es jedoch schulintern zu Gewalttaten gekommen. Bei dem Messerangriff handele es sich aber um einen unglücklichen Einzelfall, der keinesfalls auf alle Schulen übertragen werden könne.

«Wir alle wünschen uns – und das sage ich jetzt als Pädagogin und Mutter von vier Kindern -, dass unsere Kinder, wenn sie nicht bei uns sind, hundertprozentig sicher sind», sagte Günther-Wünsch. «Aber keiner von uns will Schulhöfe, wo an jedem Eingang Wachpersonal steht, sondern wir wollen einen geschützten Schulhof.»

Am Mittwochmittag hatten zwei Jungen in einem Klassenraum einer Stadtteilschule in Hamburg-Blankenese eine Lehrerin mit einer Art Schusswaffe bedroht und einen Großeinsatz der Polizei ausgelöst (News4teachers berichtete). Erst nach vier Stunden konnten die Einsatzkräfte Entwarnung geben. Fast zeitgleich gab es zudem an einer anderen Schule im Stadtteil Bahrenfeld erneut Alarm wegen einer Bedrohungslage. Auch hier wurde eine pädagogische Kraft bedroht. Die Polizei konnte in dem Zusammenhang dort wenig später vier Jungen im Alter von 11, 12, 12 und 14 Jahren festnehmen und zwei mutmaßliche Spielzeugwaffen sicherstellen.

Ein 15-Jähriger soll dann am Donnerstag in einer sonderpädagogischen Schule in Offenburg auf einen gleichaltrigen Mitschüler geschossen haben, der kurz darauf seinen Verletzungen erlag (News4teachers berichtete ebenfalls). Der tatverdächtige Deutsche kam wegen mutmaßlichen Totschlags in Untersuchungshaft. News4teachers / mit Material der dpa

Nach Messer-Angriff an Berliner Grundschule: Müssen Schulen besser geschützt werden?

 

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Hornveilchen
5 Monate zuvor

Wenn man Schule als Abbild der Gesellschaft betrachtet, stimmt das leider. In der Gesellschaft sind Gewaltausbrüche ja auch nicht zu verhindern. Leider.

Mondmatt
5 Monate zuvor
Antwortet  Hornveilchen

Sowohl in Schule als auch in der gesamten Gesellschaft ist es beunruhigend, dass das Maß der Gewalt so weit steigt, dass sie selbst in Schutzräumen wie der Schule als unvermeidbar eingestuft wird.
Man sollt im Vergleich zu früher eventuell nachfragen, was sich gesellschaftlich verändert hat.
Höherer Medienkonsum?
Fehlende Erziehung im Elternhaus?
Fehlende Geldmittel für Personalisierung und Ausstattung?
Zunehmender gesellschaftlicher Druck auf Schüler und Eltern?
Veränderte Bevölkerungsstruktur?
Fehlende Konsequenz des Staats aufgrund naiver Menschenbilder?

GS in SH
5 Monate zuvor
Antwortet  Mondmatt

Andererseits darf man auch nicht verschweigen, dass die Mordrate im Jahr 2022 ein Allzeittief erreicht hat, mit 0,25 Mordopfern pro 100.000 Einwohnern. Nach einem Hoch in 2017 mit 0,45.
Im Vergleich dazu: USA mit einer Mordrate von 6,8.
Wir brauchen deshalb auch keine US-Maßnahmen.

Säbelzahntiger
5 Monate zuvor
Antwortet  Mondmatt

Schaut man aber in die Geschichte, ist es gar nicht schlimmer geworden. Straßenkämpfe mit dutzenden Toten wie in der Weimarer Republik gibt es schon lange nicht mehr. Kriminalität hingegen gab und gibt es wie eh und je. Es ist nicht schlimmer geworden, es ist nur noch nicht „nicht mehr schlimm“.

Mondmatt
5 Monate zuvor
Antwortet  Säbelzahntiger

Mit früher meinte ich nicht die Zeit von Weimar mit ihren Straßenschlachten. Dafür bin ich dann doch etwas jung.

Tut gut wenn es in meinem Alter auch noch Dinge gibt für die man zu jung ist :-).

Ich dachte bei dem Begriff „früher“ eher an meine Schulzeit in den 70er/80er Jahren.
Da war auch nicht alles Gold was glänzte, es gab auch mal Prügeleien auf dem Schulhof oder rotzige Antworten an den Lehrer.
Damals kam aber niemand bewaffnet zur Schule, es gab keine Amokläufe und gegenüber den Lehrern gab es eine klare Grenze, die weit jenseits der Anwendung von körperlicher Gewalt gegen den Lehrer lag.

Walter Hasenbrot
5 Monate zuvor
Antwortet  Mondmatt

Wir haben deutlich weniger Jugendkriminalität als vor zwei Jahrzehnten.

https://www.news4teachers.de/2023/11/kriminologe-weniger-jugendgewalt-als-vor-zwei-jahrzehnten-trotz-anstiegs-2022/

Wie viel Gewalt es an Schulen in den 70er und 80er Jahren gab, wissen Sie doch gar nicht.

Sie erinnern sich an Ihre eigene Schule, an der es keine Vorfälle wie die in Hamburg oder Offenburg gab.

Das ist heute nicht anders. Fast alle heutigen SchülerInnen werden sich daran erinern, dass es solche Vorfälle an ihrer Schule nicht gab.

Fest steht, dass es in den 70er und 80er Jahren noch kein Internet gab, weshalb wir von vielem damals gar nichts erfahren haben.

Enjoy your chicken Ted
5 Monate zuvor
Antwortet  Mondmatt

Es gab sehr wohl Amokläufe „damals“, z.B. 1964 in Köln (Grundschule) und 1983 in Eppstein (Gesamtschule). Leider auch mit mehreren Toten.

Wutbürger
5 Monate zuvor
Antwortet  Säbelzahntiger

Straßenkämpfe mit dutzenden Toten wie in der Weimarer Republik gibt es schon lange nicht mehr.“

Diese Straßenkämpfe in der Weimarer Republik hatten aber politische Hintergründe in einem Land, das vor einem Bürgerkrieg stand, und nichts mit Alltagskriminalität heute zu tun.

Also die Argumentation finde ich schon arg verharmlosend.

Unfassbar
5 Monate zuvor
Antwortet  Mondmatt

Einen guten Teil der Punkte hat die Politik zu verantworten.

Alter Pauker
5 Monate zuvor

Landauf und Landab werden in Städten und Kreisen die Zugänge in Verwaltungsgebäude eingeschränkt und gesichert. Explizit um das Personal zu schützen.
Und wer bleibt mal wieder außen vor?????
Da wundert man sich über Lehrermangel……

Nasenbär
5 Monate zuvor
Antwortet  Alter Pauker

Noch schlimmer: Wie es den Lehrern bei Gewaltübergriffen geht, interessiert niemanden. Darüber wird auch nicht berichtet. Sicher ist dieses Schweigen systemisch. Anders kann ich mir das nicht erklären, dass die Lehrer mit ihrem Befinden stets ausgelassen werden.
Kann man machen, wird aber irgendwann ein richtig dickes Problem werden.

Dil Uhlenspiegel
5 Monate zuvor
Antwortet  Alter Pauker

„Die Schulen sind sicher“ hieß es neulich mal.

Dil Uhlenspiegel
5 Monate zuvor

Verstehe ich nicht. Da reden so manche immerzu über die Segnungen multiprofessioneller Teams in Schulen, aber Security etwa als Gang- und Geländeaufsicht ist nicht? Kann mir jemand mal den Grund er-zahlen?

PS: Neue gesucht.

Monika, BY
5 Monate zuvor

Mich stört wahnsinnig diese Parole – die Schulen sind sicher. 
 
Die Schulen sind nicht sicher, waren auch nie. Weder Schüler noch die Lehrer da drin.
 
Warum sollten sie das sein? Haben sie vielleicht Wachhunde, Polizei, Sicherheitsmanagement, medizinische Personal, digital aufgeklärte Pädagogen? Nö. Also.
 
Das sind einfach Schulen – Bildungsräume.
 
Die betreiben jede Menge Viren und Bakterien, das Mobbing, soziale Ungleichheit, Bildungsungerechtigkeit und eine digitale Unverantwortlichkeit ohne Vorbereitung usw.  genau wie in vielen Firmen so abläuft.
 
Waffen in der Schule zeigen letztendlich, wohin diese ewige und hirnlose Wiederholung einer so dummen Parole geführt hat.
 
Und weniger kommt es vor mit Sicherheit nicht.

Ich wiederhole mich einfach. Aber Sicherheit und die Schule – haben wenig Gemeinsamkeiten.