Gleitzeit-Modell für Schülerinnen und Schüler: Am ersten Tag haben (fast) alle ausgeschlafen

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PLOCHINGEN. Seit Jahren gibt es Forderungen, die Schule später beginnen zu lassen. Eine Klasse im baden-württembergischen Plochingen testet nun einen flexiblen Schulstart. Das bringt sogar ein Lob des Ministerpräsidenten ein.

Aufstehen? Nein, danke (Symbolfoto). Foto: Shutterstock

Früh in die Schule oder lieber etwas länger schlafen? Schülerinnen und Schüler eines Gymnasiums in Plochingen konnten das am Dienstag erstmals selbst entscheiden und haben das Angebot eines späteren Schulbeginns gerne angenommen. In der ersten freiwilligen Lernzeit seien zwei Schülerinnen und Schüler von insgesamt 27 anwesend gewesen, sagte Till Richter, Deutschlehrer der Klasse an der Schule im Landkreis Esslingen.

Die siebte Klasse des Gymnasiums testet seit dieser Woche ein Gleitzeitmodell für den Schulbeginn aus (News4teachers berichtete). Zweimal pro Woche dürften die Schülerinnen und Schüler entscheiden, ob sie regulär um 7.50 Uhr oder erst um 9.40 Uhr in die Schule kommen wollen. Dafür gebe es immer dienstags und freitags statt des regulären Deutsch- und Englisch-Unterrichts eine sogenannte freiwillige Lernzeit, erklärte Richter. Für diese Zeit bekommen die Siebtklässler dann Aufgaben, die sie entweder unter Aufsicht in der Schule bearbeiten können oder zu einem anderen Zeitpunkt zu Hause abarbeiten müssen.

Er gehe davon aus, dass der erste Tag des Versuches nicht repräsentativ gewesen sei, sagte Richter. So seien die Aufgaben, die die Schüler in dieser Zeit hätten bearbeiten sollen, bereits vor den Osterferien verteilt worden, sodass viele Schüler ihre Aufgaben vermutlich bereits erledigt gehabt hätte, so Richter. «Ich bin mir ziemlich sicher, dass nächste Woche mehr da sein werden», sagte der Deutschlehrer.

Der Versuch läuft Richter zufolge nun sechs Wochen lang und soll im Anschluss von den Schülerinnen und Schülern evaluiert werden. Diese hatten in seinem Deutsch-Unterricht darüber diskutiert, was sie an der Schule stört. «Dabei kamen schnell die Unterrichtszeiten und der Schulbeginn auf. Dabei ist die Idee entstanden», sagte Richter.

Zuspruch für ihren Modellversuch bekam die siebte Klasse von ganz oben: Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann lobte das Projekt. Es sei «mutig und respektabel», das einmal auszuprobieren, sagte der Grünen-Politiker in Stuttgart. Ob die Idee auch gut sei, merke man dann erst hinterher. «So genau muss man das machen, bevor man solche tiefgreifenden Reformen ausrollt: Dass man sie mal wirklich lebensnah überprüft», sagte Kretschmann.

Nach Angaben des Kultusministeriums entscheidet über den Schulbeginn in Baden-Württemberg laut Schulgesetz die sogenannte Schulkonferenz. In dem Gremium sind Schulleitung, Lehrkräfte, Eltern und Schüler vertreten. «Eine Staffelung des Unterrichtsbeginns ist grundsätzlich möglich. Die entsprechende Entscheidung ist von der Schulkonferenz der einzelnen Schule unter Berücksichtigung der örtlichen Gegebenheiten zu treffen», teilte ein Sprecher des Ministeriums mit. Dabei müsse etwa die organisatorische Umsetzbarkeit geprüft werden, zum Beispiel mit Blick auf die Verkehrsinfrastruktur.

An Grundschulen sind die Regeln dagegen strenger. Dort solle der Unterricht jeden Tag gleichmäßig beginnen, teilte das Ministerium mit. «Die Klassen 1 und 2 beginnen spätestens zur 2. Stunde, die Klassen 3 und 4 zur 1. Stunde. Von diesen Vorgaben darf nur aus zwingenden Gründen abgewichen werden», hieß es weiter. News4teachers / mit Material der dpa

Gleitzeit für Schüler: Gymnasium startet Testlauf mit flexiblem Unterrichtsbeginn

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27 Kommentare
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Siebenstern
19 Tage zuvor

Ausschlafen zu können, ist tatsächlich ernorm wichtig, nur wie überbrücken dann die, die später zur Schule kommen, das berüchtigte „Mittagstief“? Das gibt es ja nämlich eben auch!

Alex
19 Tage zuvor

Es waren also 2 von 27 da. Und für diese 2 stellt die Schule dann eine Lehrkraft zur Betreuung der Arbeiten ab? Was für eine Ressourcenverschwendung.

Lera
19 Tage zuvor
Antwortet  Alex

Stimmt.

Fester Beginn für alle um 9.40 Uhr wäre effizienter und effektiver.

Honduraner
19 Tage zuvor
Antwortet  Lera

Und wer will dann über Mittag arbeiten? Gerade im Sommer? Und dann bis in den Nachmittag hinein? Im Sommer und so? Gerade doch die Schüler nicht !!!

Lera
19 Tage zuvor
Antwortet  Honduraner

Nene, um 1 ist Schluss.

Stundentafel zusammenstreichen! Für mehr ist eh kein Personal da.

Realist
18 Tage zuvor
Antwortet  Lera

Wir sind doch nicht bei der Bahn! Oder in der Gastronomie! Oder im Einzelhandel! Oder im Handwerk! Oder im Bürgeramt! Oder in der IT! Oder…

Wir sind schließlich in der Schule! Hier wird gelehrt und erzogen bis zum letzten Mann / Frau / divers! Solange noch einer steht, bleibt die Schule geöffnet. Befehl von ganz oben!

Dil Uhlenspiegel
18 Tage zuvor
Antwortet  Realist

Wo Arbeit noch Arbeit macht.

Lieber spät als nie
18 Tage zuvor
Antwortet  Honduraner

Ist es nicht so, dass alle zur gleichen Zeit Schluss haben??! Die Schüler, die morgens nicht kommen, müssen die Aufgaben irgendwann zuhause erledigen. So habe ich das zumindest verstanden.

Lessi
18 Tage zuvor

Kann schon sein. Aber das bedeutet doch für die LuL auch wieder unbezahlter Mehraufwand; z.B. Listen führen, die Aufgaben der 1. und 2. Stunde senden bzw. nachträglich kontrollieren usw. usw.
Ich persönlich finde das Modell nicht gut.

Dil Uhlenspiegel
19 Tage zuvor
Antwortet  Alex

Hach ja, die gute alte Aufsichtspflicht … schon ’ne dolle Sache, wenn man es bei Tage betrachtet.

Pit2020
19 Tage zuvor
Antwortet  Dil Uhlenspiegel

@Dil Uhlenspiegel

Ja, der gute alte Dil … gehört halt zu den besonders Ausgeschlafenen! 😉

Dil Uhlenspiegel
19 Tage zuvor
Antwortet  Pit2020

Moin, Pit! 🙂
Ich war in der Früh später dran, dafür ging ich später halt früher.

Hornveilchen
19 Tage zuvor

Wenn möglichst viele Kinder das Angebot annehmen, Aufgaben Zuhause zu erledigen, kann man ganz nebenbei noch Lehrer einsparen. Ein Schelm, wer Arges dabei denkt.

Die Eltern übernehmen. Das hat ja schon während Corona gut geklappt.

Mika
19 Tage zuvor

In einer mir bekannten Schule läuft das ähnlich: Lernzeit für die Schüler, welche Aufgaben von ihren z.B. Deutschlehrern bekommen. Diese führen während der Lernzeit Aufsicht (da kommste alsLehrer zu nix Sinnvollem schon aufgrund der Lautstärke), und hinterher haben sie einen Klassensatz voller Korrekturen. Im Ergebnis ineffektiv für die Schüler, da die Selbsterarbeitung/Übung in Eigenverantwortung wieder mal nur bei den guten Schülern funktioniert hat, und massive Mehrarbeit für die Lehrkräfte.

Der Zauberlehrling
18 Tage zuvor

Ausblick: Das Gleitzeitmodell wird bundesweit eingeführt. Schulbeginn variable, spätestens 10 Uhr.

Zwei Jahre später:

Erste Stimmen gegen den unterbrochenen Vormittagsschlaf werden laut. Es werden Studien vorgelegt, denen zufolge ein Schulbeginn vor 12 Uhr dem Biorhythmus eines Heranwachsenden entgegen läuft (vor allem wenn er in der Nacht bis in die frühen Morgenstunden zockt).

Ein weiteres Jahr später:

Es gibt erste Schulversuche, den Schulbeginn mit dem Mittagsläuten zusammenzulegen.

Lisa
18 Tage zuvor

So ist das nicht. Auch ich bin eine Eule vom Tagesrhythmus her. Vor der zweiten Stunde ist mein Gehirn nicht richtig wach, obwohl ich natürlich in der ersten meine Pflicht erfülle. Ich wäre mit einem späteren Anfang viel glücklicher gewesen.
Jugendliche sind fast alle Eulen ( nur fast, nicht alle)
Es ist bedauernswert, dass eine Verbindung zwischen Biorhythmus und Faulheit oder Fleiß hergestellt wird. Das hat mit Produktivität nichts zu tun.

Teacher Andi
18 Tage zuvor
Antwortet  Lisa

Biorhythmus? Hat man den die letzten Jahrzehnte noch nicht gekannt oder gab es den da noch gar nicht, oer warum ging das früher ohne Probleme? Meine Schule hat sich an den Busplan angepasst und fing bereis 7.40 Unr an, war für mich als Schüler keine Problem, dafür hatten wir 25 Minuten große Pause, was ich als viel sinnvoller erachte als die mickrigen 15 Minuten, die man meist reinzwickt.
Wenn wir jetzt auf alle individuellen Befindlichkeiten (neben Differenzierung und verschiedenen Lenrschwächen) der Schüler eingehen sollen, dann ist bald kein vernünftiger Unterricht mehr möglich. Und ich nehme stark an, dass die Aufsichtspflicht bei den Lehrern dann on top kommt. Genial, perfekte Lösung für den Lehrermangel.

Der Zauberlehrling
16 Tage zuvor
Antwortet  Lisa

Ich sehe da nur Paralleln zu den Lehrplänen.

Die werden alle paar Jahre einer Revision unterzogen, um die Noten „in der Mitte zu halten“ – das Niveau wird abgesenkt.

Dann dauert es drei Jahre und das abgesenkte Niveau ist wieder viel zu hoch, die Noten sacken nach unten ab und das „Spiel“ geht in eine neue Runde.

Schon oft genug mitgemacht und Unterlagen in die Papiertonne getreten. Was einmal aus dem Lehrplan raus ist, kommt nie wieder zurück.

Mir geht so manch eine Sache gegen den Biorhythmus. Am meisten jedoch diese allgegenwärtige „full-service-and-all-inclusive“-Mentalität, die gerade im Schulsystem herrscht. Jedem soll man es nach Wunsch und Guso besorgen. Ich bin weder Metzger am Bratwurststand, der jedem die Wurst nach wünsch bräunt und mit Röstaromen versieht, noch bin ich Prostituierte im Bordell, die für viel Geld alles macht. Jeder Furz soll passend und genehm herausmassiert werden, wohingegen meine Blähungen überhaupt niemanden interessieren und obendrauf noch meine Bauchdecke für einen Stepptanz genutzt wird.

Hans Malz
18 Tage zuvor

Nachtschicht für alle. Dann hat sich das mit dem „nächtelang Durchzocken“ auch erledigt. Win-win!

Dil Uhlenspiegel
18 Tage zuvor
Antwortet  Hans Malz

… und weniger Bildschirmzeit bedeutet auch, man braucht nicht so schnell eine Gleitzeitbrille.

mama51
18 Tage zuvor

Ein weiteres Jahr später:
Es gibt erste Schulversuche, den Schulbeginn mit dem Mittagsläuten zusammenzulegen.

Jaaaaaa! Was hab ich gelacht! 🙂

Ansys
18 Tage zuvor

Ich werde nie verstehen warum Leute, die nichts mit Schule am Hut haben immer solche Ideen haben. In einer Firma mit selbständig denkenden Mitarbeitern ist Gleitzeit und/oder Homeoffice möglich und üblich. In einer Institution die mit einem Gong für alle beginnt und endet funktioniert das nicht. Zumal ja viele Kinder nicht selbständig lernen bzw. sich selbst beschäftigen können. In jeder Firma ist es auch üblich, dass zum Ende eines Projektes länger/mehr gearbeitet werden muss. Schlag so etwas mal in einer Schule vor, wenn die Aufgaben am späten Abend in der Schule noch gelöst werden müssen.

GriasDi
16 Tage zuvor
Antwortet  Ansys

Zitat:
„In jeder Firma ist es auch üblich, dass zum Ende eines Projektes länger/mehr gearbeitet werden muss.“
Bulimiearbeiten wie schrecklich. Vorsicht Ironie.

Realist
16 Tage zuvor
Antwortet  Ansys

„In jeder Firma ist es auch üblich, dass zum Ende eines Projektes länger/mehr gearbeitet werden muss. Schlag so etwas mal in einer Schule vor, wenn die Aufgaben am späten Abend in der Schule noch gelöst werden müssen.“

Dort gibt es dann in der Regel aber auch Gewinnbeteiligung bei Projekterfolg oder Überstundenzuschlag oder Freizeitausgleich. Und nein, die „Ferien“ sind kein angemessener Freizeitausgleich, alle Studien zur Lehrerarbeitszeit zeigen, dass Lehrkräfte je nach Schulform im Durchschnitt pro Woche 3-5 unbezahlte Zeitstunden Mehrarbeit leisten (unter Berücksichtigung der „freien“ Zeit in den Ferien)…

Der Lehrkräfteberuf ist systematisch auf unbezahlte Mehrarbeit ausgelegt, die nie ausgeglichen wird (in welcher Form auch immer). Deshalb sperren sich alle Kultusministerien auch dagegen, die Arbeitszeitrichtlinie der EU umzusetzen.

Teacher Andi
18 Tage zuvor

Dieses Modell nun als Erfolg zu verbuchen, wenn nur 2 von 27 Schülern die freiwillige Lernzeit in Anspruch nehmen, ist schon etwas daneben.Und typisch tolpatschig ist wieder, dass die Aufgaben für die freiwillige Lernzeit schon vorher verteilt werden. Die Politiker gehen immer noch vom Idealfall Schüler aus, welcher aber die absolute Ausnahme ist. Freiwilliges Lernen macht kaum ein Schüler gerne, und die Übertragung der Verantwortung auf die Schüler wird in einem Flop enden. Wenn sie später aufstehen müssen, werden sie abends und nachts länger vor dem Monitor hocken und zur Mittagszeit trotzdem wieder müde sein.

Unfassbar
15 Tage zuvor
Antwortet  Teacher Andi

Sehe ich auch so. Je schwieriger die Schülerschaft ist, desto gelenkter, direkter und linearer muss der Unterricht ablaufen. Heterogene Gruppen mit entsprechend auf Selbstständigkeit angelegte Aufgaben funktionieren dann noch weniger als so schon. Die Politiker gehen vom lernwilligsten Drittel meiner Schule aus (Standortfaktor 1 oder 2), also alles andere als der Regel.

ginny92
17 Tage zuvor

Gegen einen etwas späteren Schulstart so 8.30 Uhr habe ich nichts. Aber gerade bei Ganztagsschulen kann man halt nicht beliebig hinten dran hängen. Und seien wir ehrlich das mit die Aufgaben lösen zu der Zeit in der Woche wo die Schüler möchten, dass endet bei so einigen im „ mach ich gar nicht“. Heißt man hat wieder Lücken die man schließen müsste.
Bei der Oberstufe hingegen könnte ich mir eine schrittweise Einführung von Selbstlernzeiten durch aus vorstellen. Das würde natürlich auch nicht von heute auf morgen funktionieren.