BERLIN. Die Kurzvideo-Plattform TikTok ist weltweit eines der beliebtesten sozialen Netzwerke, insbesondere bei Jugendlichen. Doch hinter der bunten Welt aus Tanzvideos, Challenges und lustigen Clips verbirgt sich eine ernstzunehmende Gefahr. TikTok wird von dem chinesischen Unternehmen ByteDance betrieben, das enge Verbindungen zur kommunistischen Partei Chinas hat. Die Plattform steht zunehmend im Verdacht, als Werkzeug zur Verbreitung von Desinformation und Manipulation zu dienen – in den USA droht nun ein Bann.

Einem US-Gesetz zufolge muss die chinesische TikTok-Mutter ByteDance die App bis zum 19. Januar 2025 verkaufen, um ein landesweites Verbot des Dienstes abzuwenden. Sollte es nicht zu einem Verkauf kommen, dürften etwa die App-Stores von Apple und Google TikTok nicht mehr anbieten – und Internet-Hosting-Dienste die Plattform nicht mehr unterstützen. Vergangene Woche scheiterte Tiktok vor einem Berufungsgericht mit einer Klage gegen das Gesetz. Jetzt bleibt nur noch das Oberste Gericht der USA, um ein drohendes Aus in dem Land in letzter Minute noch zu verhindern. Die Betreiber der App reichten einen Eilantrag ein. Es geht um viel: Die App hat nach eigenen Angaben 170 Millionen Nutzer in den USA.
„Die chinesische Regierung sitzt im Aufsichtsrat von ByteDance und kann die strategische Ausrichtung des Konzerns mitbestimmen“
Präsident Joe Biden kann die Frist noch um drei Monate verlängern – allerdings nur, wenn es bis dahin aussichtsreiche Verkaufsverhandlungen gibt. Bisher weigerte sich TikTok aber, einen Eigentümerwechsel überhaupt zu erwägen. Die Vorwürfe, die Kongress und Senat zum Ultimatum an die Betreiber gebracht hatten, wiegen schwer: Der Mutterkonzern ByteDance soll Datenlecks begünstigen und Spionage für die chinesische Regierung ermöglichen. Lena Ulbricht, Professorin für Politische Philosophie an der TU München, erklärt gegenüber n-tv: „Die chinesische Regierung sitzt im Aufsichtsrat von ByteDance und kann die strategische Ausrichtung des Konzerns mitbestimmen.“
Die Frage ist, ob es dabei nur ums Geschäft geht – oder um Politik. Hart fällt das Urteil von Rüdiger Trost aus, der bei der IT-Sicherheitsfirma WithSecure arbeitet: Er schätze Tiktok als „sehr gefährlich“ ein, sagte der Experte – aus politischen Gründen. „Mindestens so groß wie die Gefahr vor Spionage ist das Risiko einer gezielten Beeinflussung der öffentlichen Meinung in westlichen Gesellschaften. Nicht zuletzt vor Wahlen.“
Tatsächlich soll unlängst die rumänische Präsidentschaftswahl durch TikTok beeinflusst worden sein – so stark, dass der Obersten Verfassungsgerichtshof die Wahl annullierte. Gewonnen hatte ein bis dato unbekannter rechtsextremer und russlandfreundlicher Kandidat namens Călin Georgescu, der an keiner TV-Debatte teilgenommen, keine Partei im Rücken gehabt, in den vorherigen Umfragen sehr niedrige Werte erreicht und laut eigenen Angaben kein Geld in seine Kampagne gesteckt hatte, dessen Videos aber auf TikTok plötzlich millionenfach viral gingen.
Sein Kanal hatte vor der Wahl nur rund 120 Follower, inzwischen sind es rund eine halbe Million. Wie erreichte der 62-Jährige so hohe Werte, wie konnte er so viel Content produzieren, im Feed so präsent sein? Die Geheimdienste stellten unter anderem fest, dass Tausende zuvor inaktive TikTok-Konten vor der Wahl plötzlich angefangen hatten, Georgescus Inhalte massenhaft zu verbreiten. Die Wirkung ist enorm: Rund neun der 19 Millionen Einwohner Rumäniens nutzen TikTok – praktisch alle jungen Menschen des Landes.
Das Problem ist grundsätzlicher Natur. Studien zeigen, dass der Algorithmus von TikTok gezielt Desinformation verbreitet, indem er manipulierte Inhalte verstärkt. Ein Beispiel, das die Organisation HateAid recherchiert hat: Pro-Kreml-Videos, die den Krieg in der Ukraine rechtfertigen, werden systematisch an Nutzer ausgespielt, die bereits ähnliche Inhalte angesehen haben. Laut einer Analyse von HateAid werden nur wenige tausend Kommentatoren für die Mehrheit der Kommentare unter solchen Videos verantwortlich gemacht. Sie „trainieren“ den Algorithmus, diese Inhalte als „beliebt“ zu werten.
Die Folge für junge Menschen beschreibt HateAid so: „Stell dir vor, du schaltest den Fernseher an und zappst ein bisschen rum. Du bleibst an einem Interview hängen. Ein junger Mann behauptet, die USA seien schuld am Krieg in der Ukraine. Du findest das absurd, schaust dir noch einmal das Profil an, welches dieses Video geteilt hat, und schaltest dann weg. Doch plötzlich siehst du diese und ähnliche Sendungen auf allen Kanälen. Sie sind einfach überall und erklären dir, dass die Ukraine korrupt und den etablierten Medien nicht zu trauen sei. Sie behaupten, der Krieg sei von langer Hand geplant. Und raten: Anstatt zu helfen, sollten wir uns lieber nicht einmischen, um die Beziehung zu Russland nicht zu gefährden. Unsere neue Desinformations-Analyse zeigt: Genau das passiert aktuell vielen Nutzer*innen auf der chinesischen Videoplattform TikTok. So geraten sie immer tiefer in das Rabbit Hole.“
„Rabbit Hole“ ist eine Metapher für eine Medienstrategie, Nutzer in einen Informationstunnel zu führen, um sie möglichst lange auf einer Plattform zu halten.
Welche Themen gefallen Tiktok nicht? Zwei US-Forschungsgruppen haben das untersucht und im Vergleich zu Instagram konkrete Unterschiede ausgemacht: Posts zu den – für China heiklen – Protesten in Hongkong, zu Taiwan und zu Uiguren oder Beiträge pro Ukraine oder pro Israel finden auf Tiktok kaum im sichtbaren Bereich statt.
Die Natur der TikTok-Videos selbst verstärkt die Wirkung von Desinformation, wie die Amadeu-Antonio-Stiftung erklärt. Die Plattform bevorzugt kurze, emotionale Clips, die oft nur 60 Sekunden lang sind. Dieser Rückgriff auf einfache Botschaften löst starke Emotionen wie Wut oder Angst aus – ideale Bedingungen für die Verbreitung von Fake News. Hinzu kommt, dass TikTok durch Funktionen wie „Duette“ oder „Stitches“ Videos praktisch verewigt, selbst wenn das Original längst gelöscht wurde. Quellen und Datumsangaben sind häufig verschleiert, was die Einordnung der Inhalte erschwert.
„China schützt seine Kinder, während unsere sieben bis acht Stunden täglich vor Bildschirmen verbringen“
So werde TikTok immer stärker mit politischen Inhalten gefüllt, weiß die Amadeo-Antonio-Stiftung. „Antidemokratische Wortführer*innen probieren sich als ‚Hatefluencer*innen‘, greifen gezielt Nutzer*innen an und verbreiten rechtsextreme Verschwörungserzählungen. Filterfunktionen und ‚Augmented Reality‘-Technik verzerren und modifizieren Bildmaterial. Sogenannte ‚Deepfakes‘ und Filterblaseneffekte – wenn einem nur noch Informationen im eigenen Interessenbereich angezeigt werden – sind neue Herausforderungen für unsere Gesellschaft und den offenen Informationsaustausch.“
Mit weltweit 1,5 Milliarden monatlichen Nutzern, darunter die Hälfte aller Jugendlichen in Deutschland, erreicht TikTok eine riesige Zielgruppe. Doch während die Plattform im Westen kaum reguliert ist, beschränkt die chinesische Regierung die Nutzung der im eigenen Land lediglich in einer zensierten Variante nutzbaren App auf maximal 40 Minuten pro Tag für Jugendliche. Michel Desmurget, französischer Neurowissenschaftler und Autor, sieht darin eine gezielte Strategie: „China schützt seine Kinder, während unsere sieben bis acht Stunden täglich vor Bildschirmen verbringen“, sagte er gegenüber dem „Figaro“. Die Folgen für die kognitive Entwicklung, Aufmerksamkeit und sprachliche Fähigkeiten seien gravierend. News4teachers
Die Amadeo-Antonio-Stiftung hat eine Handreichung für Lehrkräfte und Eltern zu TikTok veröffentlicht – hier lässt sie sich gratis herunterladen.
Rechtsruck unter Jugendlichen: Zustimmung zur AfD schießt hoch (wegen TikTok?)
Wie lange möchte man denn noch warten und was muss noch alles passieren, um dieses unheilbringende und asoziale Spion-Medium abzuschalten? Welche Interessen stecken dahinter?
Wo kann ich unterschreiben? Jepp, TikTok muss aus deutschen Kinderzimmern verschwinden.
Und nicht nur TikTok.
Es gibt genug weitere asoziale Medien, die genauso konstruiert sind.
Aus den USA.
Auch wech damit.
Mit dieser Argumentation könnte Europa dann auch gegen Social Media aus den USA vorgehen, welche sich die Kritikpunkte mit TikTok teilen… =/
Nicht so ganz.
Inwiefern unterscheidet sich das Verhältnis/ Zugriffsrecht der USA zu dem Chinas bzw. die Datensammelwut?
Da bin ich dabei.
Das chinesische TikTok könnte man gerne einrichten. Dort ist es ein reines Bildungsmedium. Die Dopamin-Abhängigkeit gibt es nur in der internationalen Version.
“Werkzeug zur Verbreitung von Desinformation und Manipulation zu dienen”
Träfe m.E. auch auf Google (Alphabet), Facebook, instagram (Meta) usw zu.
Oder auch diverse sog. “Nachrichtenmagazine”
Warum werden die nicht auch verboten?
Leider ist TikTok ja neuesten neuro-psychologischen Erkenntnissen konzipiert worden. Das ist, was diese Plattform unterscheidet und besonders gefährlich macht.
Ich finde, dieser überall übliche Algorithmus, dass man nur noch Infos aus seiner eigenen Bubble angeboten bekommt, muss weg! Egal welches Medium. Das führt unweigerlich zur Beeinflussung.
Nius und ganzen AfD-Hatefluencer müssten auch dringend zumindest daran gehindert werden, offensichtliche Falschinformationen und sinnlosen und inhaltslosen Hass zu verbreiten.
Wer Tiktok Inhalte glaubt, hat die Kontrolle über sein Leben verloren. Für Kinder ist Social Media nichts, die Australier und die Chinesen haben ganz Recht mit ihren Jugendschutzgesetzen.
Ich mag allerdings keine Verschwörungstheorien über die “bösen Kommunisten aus Peking”, die mit infamen Studien über das kindliche Gehirn nun den Westen versuchen zu steuern. Das dämonisiert den Anderen und macht eine gescheite Diplomatie in einer multipolaren Welt unmöglich. Auch Deutschland hat eine ganz böse Geschichte in China, was im Unterschied zu anderer Geschichte gerne vergessen wird.
Verbot von Tiktok und Prüfung von Instagram und Co ( wobei ich zugebe, dass mir der Algorithmus eigentlich nur gute Sachen bei Instagram vorschlägt) bitte!
Das wird kommen. In Deutschland aber vermutlich erst sehr spät (wie üblich).
TikTok und Co werden irgendwann für die Jugend genauso eingeschränkt wie Nikotin un Alkohol. Es dauert aber, bis langfristige Studien den Schaden für Kinder und Jugendliche belegen.
Tiktok in Albanien:
https://www.tagesschau.de/ausland/europa/albanien-tiktok-verbot-100.html
Vielleicht ist das die Rache Chinas dafür, dass der Westen die Bevölkerung Chinas opiumsüchtig machte (Opiumkriege).
Schöner Vergleich. Wäre eine Ironie des Schicksals.
In Asien hat man das nicht vergessen.
Wesentlich problematischer als etwaige Des Informationen ist die Tatsache, dass das Medium eine strategische und strategisch eingesetzte Massenverblödungswaffe ist.
Klar.
Eigentlich schön, dass diese “Verschwörungstheorie” mittlerweile “erlaubt” ist.
Davon ab:
Tiktok für Chinesen:
– Wie viele Liegestütze schaffst Du?
– Kannst Du dieses Gericht selber kochen?
– Schau mal, wie g**l Technik/Mint ist!
– *gesperrt*, Du hast zu viele Videos geguckt!
Tiktok EU:
– Wie viele Chili-Chips kannst Du futtern, bis der Krankenwagen kommt?
– Schau mal hier, lecker fast food!
– Schau mal zu, wie (halb) bekleidete (viel zu junge) Mädchen lassiziv tanzen!
– Oh, ein krimineller Musiker mit Assisprache, wie cooooool und rebellisch! Nimm ihn Dir zum Vorbild!
– Hier hast Du mehr, guck mehr!
Fragt sich ob die Youtube Anwort “Youtube Shorts” besser ist (Rhetorische Frage , ist exakt dasselbe, sogar inclusive der Inhalte, da werden tictoc Videos einfach gespiegelt). Scheint mir eher so zu sein das Google da einen unliebsamen Konkurrenten loswerden will. Und Youtube ähnelt auch immer mehr einer Müllkippe.
Bin sofort dafür – und Schultablets frühestens ab Kl. 8 oder so eingestellt, dass die Schüler während des Unterrichts wirklich nur Schulinhalte nutzen können!!