Schulen für die Demokratie stärken, Lehrkräfte unterstützten – ein Modellprojekt

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MARBURG. Drei Jahre lang hat das Modellprojekt „Starke Lehrer – starke Schüler“ berufliche Schulen bei der Förderung von Demokratiebildung und der Prävention extremistischer Tendenzen unterstützt. Mit gezielten Fortbildungen und Beratungen halfen Expertinnen und Experten Lehrkräften, sicherer im Umgang mit demokratiefeindlichen Haltungen zu werden und eine demokratische Schulkultur zu etablieren. Nun zieht die Philipps-Universität Marburg Bilanz – und zeigt, wie die erzielten Fortschritte langfristig weiterwirken.

Jugendliche stehen mit großer Mehrheit zur Demokratie – aber… Symbolfoto: Shutterstock

Seit 2022 haben Forschende der Philipps-Universität Marburg berufliche Schulen im Modellprojekt „Starke Lehrer – starke Schüler“ bei der Stärkung von Demokratiebildung und Extremismusprävention begleitet. Ziel war es, Lehrkräften und pädagogischen Fachkräften Sicherheit im Umgang mit demokratiefeindlichen Einstellungen und Verhaltensweisen zu vermitteln und die Entwicklung einer demokratischen Schulkultur zu fördern.

Die Ausgangslage: „Häufig fehlt es den Lehrkräften im Umgang mit solchen Konfliktsituationen an Sicherheit. Berufsschullehrer*innen haben gelernt, ihre Schülerinnen und Schüler auf bestimmte Berufe vorzubereiten. Aktuelles Wissen über rechtsextreme Jugendkultur fehlt jedoch den meisten. Deshalb wollen wir Lehrkräften das entscheidende Rüstzeug an die Hand geben, damit sie ihre wichtige Rolle im Schulalltag besser wahrnehmen können, in ihrer Handlungskompetenz bei der Auseinandersetzung mit demokratiefeindlichen Einstellungen und Äußerungen gestärkt sind und damit zu einer nachhaltig demokratischen Schulkultur beitragen können.“

Mit einer Fach- und Abschlusstagung an der Universität Marburg endete jetzt die Modellphase. Mehr als 120 Teilnehmende aus Schulpraxis, Bildungsadministration, Politik und Wissenschaft zogen Bilanz. „Die gezielte Unterstützung von Lehrkräften ist besonders wichtig, um den Herausforderungen der Gegenwart zu begegnen und durch die Vermittlung von Werten eine starke, demokratische Gesellschaft von morgen für ein friedliches Miteinander zu fördern“, betont Christopher Textor, Abteilungsleiter im Hessischen Kultusministerium.

Was bleibt von dem Vorhaben der Philipps-Universität, das die Robert-Bosch-Stiftung, das Hessische Kultusministerium sowie die Bundeszentrale für politische Bildung gefördert haben? „Wir konnten mit diesem Projekt die Schulen, Lehrkräfte und pädagogischen Fachkräfte bei der Förderung von Demokratiebildung und der Entwicklung einer demokratischer Schulkultur unterstützen“, sagt Projektleiterin Prof. Susann Gessner, die zur Didaktik der politischen Bildung an der Uni Marburg forscht.

Sie betont: „Das Projekt wurde von den Schulen und Lehrkräften sehr positiv beurteilt. Dies zeigen die Rückmeldungen der Teilnehmenden und unsere wissenschaftlichen Begleitstudien. Wir sind überzeugt, dass die erworbenen Kompetenzen langfristig zur Stärkung der demokratischen Kultur in den Schulen und der Demokratiebildung als schulische und unterrichtliche Querschnittsaufgabe beitragen werden.“

Die Philipps-Universität Marburg und das Beratungsnetzwerk Hessen – gemeinsam für Demokratie und gegen Rechtsextremismus – begleiteten sechs berufliche Schulen drei Jahre lang mit einem umfassenden Fortbildungs- und Beratungsprogramm zu Themen wie Rechtsextremismus, Antisemitismus, Rassismus und Verschwörungstheorien. Jeweils eine Beraterin oder ein Berater mit Erfahrung in der mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus und in demokratischer Schulentwicklung unterstützte die Schulleitungen, pädagogischen Fachkräfte und Lehrkräfte bei der Implementation von nachhaltigen Strukturen.

Alle beteiligten Schulen etablierten im Verlauf des Modellprojekts Demokratie-Teams. Die multiprofessionellen Teams aus Lehrkräften und pädagogischen Fachkräften beraten Schülerinnen und Schüler wie Kolleginnen und Kollegen im Umgang mit herausfordernden Situationen und Vorfällen. Außerdem unterstützten sie das Kollegium durch gezielte Fortbildungsangebote oder Workshops.

Im Wortlaut der Initiatoren klingt das so: “Das hessische Projekt zielt darauf ab, die teilnehmenden Lehrkräfte der Beruflichen Schulen im Umgang mit antidemokratischen Einstellungen und Verhaltensweisen der Schülerinnen und Schülern zu stärken, die öfter auftreten, als man im ersten Moment erwarten mag. Dabei eignen sich die Lehrkräfte Wissen über antidemokratische Phänomene an, wie Rechtsextremismus, gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit (z. B. Antisemitismus), Sozialisationsprozesse im jungen Erwachsenenalter und digitale Einflüsse. Dieses Wissen wird in praktischen Szenarien mit Unterstützung von Expertinnen und Experten angewandt und reflektiert.

Im folgenden Schritt werden die Pädagoginnen und Pädagogen dazu befähigt, ihre Fähigkeiten in der beratenden Zusammenarbeit mit ihren Kolleginnen und Kollegen zu vertiefen. Dies befähigt sie, in Situationen, die von Fall zu Fall unterschiedlich sind, effektiv zu agieren. Durch eine reflektierte Betrachtung ihrer eigenen Erfahrungen erhalten sie die Möglichkeit, sich zu kompetenten Beraterinnen und Beratern für ihre Kolleginnen und Kollegen weiterzuentwickeln. Ein Netzwerk aus schulischen und außerschulischen Bildungspartnern wird aufgebaut, um gemeinsam eine umfassende Unterstützungsstruktur für Schulen zu etablieren. Außerdem erhalten Beraterinnen und Beratern, die an Beruflichen Schulen beratend tätig sind, eine Weiterqualifizierung, welche auf die spezielle Rolle von Beruflichen Schulen und die relevanten Phänomene eingeht.”

Hessen war nach Sachsen, Niedersachsen und Brandenburg der vierte Standort, der von der Robert-Bosch-Stiftung und der Bundeszentrale für politische Bildung ausgewählt und gefördert wurde. Die Konzeption, Durchführung und wissenschaftliche Begleitung erfolgte durch den Arbeitsbereich Didaktik der politischen Bildung der Philipps-Universität Marburg.

Die aufgebauten Strukturen in den Modellschulen bestehen auch nach Projektende fort. Außerdem sollen die Erfahrungen der Modellphase in die weitere Entwicklung der Fort- und Weiterbildungsangebote für Lehrkräfte des Landes Hessen einfließen. Dazu wird die Philipps-Universität im kommenden halben Jahr die wissenschaftlichen Begleitstudien weiter auswerten und die Erkenntnisse aufbereiten. News4teachers

Weitere Informationen zum Projekt und den Ergebnissen: www.starkelehrer-starkeschueler.de

“Offen gezeigte Hitlergrüße”: Schülervertretungen fordern mehr Engagement gegen Rechtsextremismus an Schulen

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Gelbe Tulpe
1 Monat zuvor

Mehr Direktdemokratie stärkt das Gefühl, als Bürger mitbestimmen zu können. Und sie fördert den Wohlstand, siehe Schweiz heute und die USA Ende des 18. Jahrhunderts.

Achin
1 Monat zuvor
Antwortet  Gelbe Tulpe

Aus liberaler Sicht sind die Schweiz und die USA nicht die Beispiele, die mir in diesem Zusammenhang anschaulich erscheinen. Wie wäre es damit, an Schulen das Rechtsstaatsprinzip stärker in den Mittelpunkt der Demokratiebildung zu stellen. Gerade für Schüler*innen, die sich nicht als Teil einer Mehrheitsgesellschaft empfinden?

Gelbe Tulpe
1 Monat zuvor
Antwortet  Achin

Rechtstaaten kann es aber auch in Aristokratien geben.

Rainer Zufall
1 Monat zuvor
Antwortet  Gelbe Tulpe

???

Rainer Zufall
1 Monat zuvor
Antwortet  Gelbe Tulpe

Was brachte die Ende des 18. Jahrhunderts in den USA?

Gelbe Tulpe
1 Monat zuvor
Antwortet  Rainer Zufall

Die Usa waren damals die wohlhabenste Region der Erde.

Rainer Zufall
1 Monat zuvor
Antwortet  Gelbe Tulpe


War da nicht noch etwas anderes, was bspw. die Südstaaten sehr reich werden ließ und am Ende durch die Unvereinbarkeit mit der Verfassung zu einem Bürgerkrieg führte?
“Manche” haben wenig bis keinerlei Wohlstand erfahren. Man munkelt, dass Problem zieht sich bis zum heutigen Tag nach 😉

Achin
1 Monat zuvor

Ein löbliches Projekt, dem nur der allerbeste Erfolg zu wünschen ist.

Leider erfahren wir nicht, aus welchem Personenkreis die “Expertinnen und Experten” bestehen. Hoffentlich kennen Sie die Innensicht an Beruflichen Schulen, der mühsame Alltag im Spannungsfeld zwischen verschiedenen Schularten, zahllosen Schüler*innen (die eine einzelne Lehrkraft unterrichtet) und den Leistungserwartungen der Betriebe der Auszubildenden.

Irmelas Mensah-Schramm
1 Monat zuvor

Hier zur Kenntnisnahme: Nach 39 Workshop-Projekten in 8 Bundesländern 2024 eine sehr positive Bilanz mit begeisterten Schüler-Reaktionen. (www.hass-vernichtet.de)
Allerdings muss man sich fragen, dass aus jenen neuen 5 Bundesländern nur ein Projekt – auf Initiative einer Schülervertreterin in Neuzelle eingeladen wurde, ist schon sehr bemerkenswert, wenn man nun auf die erschreckenden unerträglichen Wahlergebnisse, den Gewinnen einer rechtsextremen Partei erleben muss!
Wenn ich auch zur Kewnntnisnahme nehmen musste, dass ich von einer Schule vor Jahren aus dem Bundesland Saarland eine Absage erhalten habe mit der Begründung, man habe “Angst davor”, so frage ich mich, vor einer Demokratie gefährdenden Partei, wie jetzt der AfD, hat man offenbar noch immer nicht genug Angst!