CDU-Spitzenkandidat versucht, sich auf Kosten von Lehrkräften zu profilieren (GEW: “Unwählbar”)

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HEIDELBERG. Mitten im Wahlkampf feuert die baden-württembergische CDU gegen angeblich mangelnde Leistungsbereitschaft von Lehrkräften – und löst damit einen Sturm der Empörung aus. Die SPD wirft Spitzenkandidat Manuel Hagel vor, den «Knecht Ruprecht» zu geben und das Märchen von den faulen Lehrern wiederzubeleben. Die GEW sieht eine populistische Ablenkung von eigenen bildungspolitischen Versäumnissen – und erklärt die CDU für «unwählbar».

Will Ministerpräsident werden: CDU-Fraktionschef Manuel Hagel. Foto: Marcel Ditrich (www.marcel-ditrich.de) / Wikimedia Commons, CC BY-SA 4.0

Baden-Württembergs SPD hat die Inhalte im CDU-Wahlprogramm zur Leistungsbereitschaft von Lehrern scharf kritisiert. «Anstatt dass Manuel Hagel am Nikolaustag den “Knecht Ruprecht” gibt, sollte er endlich die Arbeitsbedingungen für Lehrkräfte an unseren Schulen verbessern», sagte der bildungspolitische Sprecher und stellvertretende Fraktionsvorsitzende der SPD-Fraktion, Stefan Fulst-Blei.

Hintergrund: Die Umfragen sprechen zwar für einen Wahlsieg des Spitzenkandidaten Hagel, seine CDU, bislang nur Juniorpartner in der grün-schwarzen Koalition, sehen die Demoskopen bei 29 Prozent, weit vor der AfD (21 Prozent) und den Grünen (20 Prozent). Allerdings ist der Vorsprung in den vergangenen Monaten deutlich geschrumpft. Vor einem Jahr hatte die CDU noch bei 34 Prozent gelegen.

«Wo bleibt eine höhere Krankheitsreserve, um Unterrichtsausfälle zu vermeiden?»

Anlass genug offenbar, um auf die populistische Pauke zu hauen – und (zur Abwechslung mal nicht Migranten, sondern) den Lehrkräften implizit die Schuld für die Bildungsmisere zuzuschieben. Nach Plänen der Südwest-CDU soll sich das Leistungsprinzip im Lehrerberuf künftig stärker niederschlagen. «Wir versetzen Schulleitungen in die Lage, Engagement, Verlässlichkeit und besondere Leistung zu honorieren und schaffen dafür nachvollziehbare Kriterien sowie geeignete Evaluationsinstrumente», heißt es im gestern beschlossenen Programm.

Und weiter: «Zugleich geben wir Schulleitungen wirksame, rechtskonforme Werkzeuge an die Hand, um dauerhaft mangelnde Leistungsbereitschaft und Pflichtverletzungen zu adressieren – von strukturiertem Feedback über verbindliche Entwicklungsvereinbarungen bis hin zu abgestuften Sanktionen.»

Die Bildungsgewerkschaft GEW zeigt sich darüber schockiert – und erklärt die CDU für Millionen Eltern, Schüler und Lehrer für «nicht wählbar». «Wer das Bild der faulen Lehrkräfte aus der Mottenkiste holt, während gleichzeitig fast jede Fortbildung für Pädagog*innen aufgrund zu weniger Angebote überbucht ist, sollte nicht die Bildungspolitik des 21. Jahrhunderts gestalten», lautet die harsche Kritik von Landeschefin Monika Stein.

Die CDU sei mit der eigenen Bildungspolitik gescheitert. CDU-Kultusministerin Susanne Eisenmann, Vorgängerin von Theresa Schopper (Grüne), habe mit ihrer angeblichen Qualitätsreform dazu beigetragen, dass gute Strukturen zerstört worden seien und Baden-Württemberg in den Leistungsvergleichen weiter abgerutscht sei, so Stein.

Die GEW-Chefin sagte, sie erwarte von CDU-Spitzenkandidat Manuel Hagel, dass er sich richtig informiere, statt populistische Bildungspolitik zu betreiben. «Dann könnte er zum Beispiel lernen, dass manche Lehrkräfte an Grundschulen nicht zu einer Fortbildung fahren, weil es in dieser Schulart keine einzige zusätzliche sogenannte Poolstunde und keine Vertretungen gibt und beim Besuch einer Fortbildung der Unterricht ausfallen würde.» Mit dem bildungspolitischen Programm bewege sich die CDU zurück in das vergangene Jahrtausend.

Auch die oppositionelle SPD weist auf die schlechte personelle Ausstattung der Schulen hin. «Wo bleiben die zusätzlichen Stellen in der Schulpsychologie, wo die ausreichende Finanzierung für die Schulsozialarbeit? Und wo bleibt eine höhere Krankheitsreserve, um Unterrichtsausfälle zu vermeiden? Um all das sollte sich die CDU kümmern, statt unseren Lehrkräften Faulheit zu unterstellen», so Fulst-Blei.

«Dabei bringen ganz wenige Lehrkräfte den gesamten Berufsstand in Verruf»

Nach der Kritik der Gewerkschaft betonte Sturm, dass er sich gegen den Pauschalbegriff «fauler Lehrer» verwahre. «So sprechen wir nicht über Landespersonal.» Es brauche eine Gesamtbetrachtung der Situation und einen konstruktiven Dialog. Die CDU wolle Schulleitungen stärken. «Momentan gibt es wenig Möglichkeiten, Leistung zu belohnen oder Fehlverhalten zu sanktionieren.» Bereits seit Jahren fordere die Wissenschaft eine evidenzbasierte Fortbildungsstruktur. «Dabei bringen ganz wenige Lehrkräfte den gesamten Berufsstand in Verruf.»

Das wirft allerdings die Frage auf: Wenn es denn nur «ganz wenige» betrifft – was hat das Thema dann im Wahlprogramm zu suchen? News4teachers 

CDU verspricht (im Wahlprogramm), vermeintlich faulen Lehrern Druck zu machen

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S.B.
8 Stunden zuvor

Bestimmt relativiert er seine Aussage: “Mir war die Tragweite meiner Worte nicht bewusst…”. Wie immer halt.

Hysterican
7 Stunden zuvor
Antwortet  S.B.

Das glaube ich nicht … das würde Selbstreflexion voraussetzen oder zumindest die Bereitschaft, anderen gemessen zuzuhören.
Solche “Strategen” halte ich allerdings schlicht für dumm-dreist und zu empathielos, um ein funktionierendes Eigenkorrektiv zu besitzen … karrieregeil nach populistischen Botschaften schielen und diese dann 1:1 raushauen – ohne Rücksicht auf Verluste und sich dabei noch großartig vorkommen, weil man damit zeigt, was für ein ganzer Kerl man so ist “Dank Chappie”.
Ein typischer Vertreter von “Brechmittel auf zwei Beinen”

dickebank
6 Stunden zuvor
Antwortet  Hysterican

Steht doch schon im Text “Mitglied der Narrenzunft”, wenn das nicht alles sagt.

Sepp
7 Stunden zuvor

Nach Plänen der Südwest-CDU soll sich das Leistungsprinzip im Lehrerberuf künftig stärker niederschlagen. «Wir versetzen Schulleitungen in die Lage, Engagement, Verlässlichkeit und besondere Leistung zu honorieren und schaffen dafür nachvollziehbare Kriterien sowie geeignete Evaluationsinstrumente», heißt es im gestern beschlossenen Programm.

Wie schon an anderer Stelle geschreiben bin ich gespannt, wie dann Schulen gute und engagierte Lehrkräfte unterstützen wollen, ob es bspw. mehr A14-Stellen und Anrechnungsstunden geben wird. Auch auf die von ihm entwickelten “Evaluationsinstrumente” dürfen wir gespannt sein.

Seine Forderungen passen zumindest wunderbar in das Bild, das man durch Wikipedia von Herrn Hagel bekommt:
“Er ist Mitglied der Narrenzunft Spritzenmuck, der historischen Bürgerwache sowie der Jägervereinigung.”

Letzendlich ist das alles nur billiger “Popolismus” – “populistisch” und “für den A*sch”.

dickebank
7 Stunden zuvor
Antwortet  Sepp

Leistungsmessung:
P = U * I
oder
Arbeit je Zeit

Deshalb fordern doch alle eine Arbeitszeitverkürzung, weil dadurch automatisch die Leistung erhöht.
Die Leistung wird mit einfachen Mitteln gesteigert, man muss nur die Klassenfrequenzen erhöhen und die Stundentafeln stärker einführen.

konfutse
2 Stunden zuvor
Antwortet  Sepp

Um mich an Ihr Zitat noch dranhängen:
Also bei uns wird alles dafür getan, unfähige Schulleitungen einzustellen….
Wenn ich überlege, dass meine Schulleitung (beide verlassen um spätestens 14:00 die Schule!) die Leistung anderer misst, dann gute Nacht!

Rüdiger Vehrenkamp
7 Stunden zuvor

“Die CDU sei mit der eigenen Bildungspolitik gescheitert. CDU-Kultusministerin Susanne Eisenmann, Vorgängerin von Theresa Schopper (Grüne), habe mit ihrer angeblichen Qualitätsreform dazu beigetragen, dass gute Strukturen zerstört worden seien und Baden-Württemberg in den Leistungsvergleichen weiter abgerutscht sei, so Stein.”

Diese Aussage ist doch wohl ein schlechter Witz, oder? Erst nach den Reformen unter Kultusminister Andreas Stoch (SPD) ab 2013 sackte Baden-Württemberg im Ländervergleich kolossal ab. Man fuhr ein funktionierendes Schulsystem ohne jede Not gegen die Wand, indem man die verbindliche Grundschulempfehlung abgeschafft, die Realschulen geschwächt hat und ein zweigliedriges Schulsystem aus Gymnasien und Gemeinschaftsschulen etablieren wollte. Weiterhin wurden damals kaum Lehrer eingestellt. Alle Nachfolger von Stoch konnten nur noch Schadensbegrenzung betreiben. Dank Frau Eisenmann bekamen auch andere Schularten dringend benötigte Förderstunden wieder, während sie unter der grün-roten Landesregierung zu Gunsten von Gemeinschaftsschulen ausbluten sollten.

Die GEW ist ja sehr SPD/Grüne nah und zudem Verfechter der Gemeinschaftsschulen. Abgesehen von Leuchttürmen wie Wutöschingen zeigen diese im Schulartenvergleich aber Jahr für Jahr, dass die Leistungen hier am schlechtesten sind. Nicht umsonst meiden Politiker die Gemeinschaftsschulen, wenn es um die eigenen Kinder geht. Hier muss es das Gymnasium oder die Privatschule sein. Zumindest bei den lokalen Politikern vor Ort ist mir keiner bekannt, der sein Kind freiwillig auf eine GMS gesteckt hätte.

Mario
6 Stunden zuvor

Deutsche Beamte sind mir nicht als freundlich gegenüber Arbeitslosen bekannt, der wohl tatsächlich am meisten angegangenen Gruppe im Land!

Rainer Zufall
5 Stunden zuvor

“Wer das Bild der faulen Lehrkräfte aus der Mottenkiste holt, während gleichzeitig fast jede Fortbildung für Pädagog*innen aufgrund zu weniger Angebote überbucht ist, sollte nicht die Bildungspolitik des 21. Jahrhunderts gestalten”

https://www.swp.de/baden-wuerttemberg/lehrermangel-in-bw-lehrerverband-kritisiert-plakat-am-stuttgarter-flughafen-scharf-71335273.html

Achin
3 Stunden zuvor

Traurig, Spitzenkandidat Hagel sollte lieber den Lehrkräften an seiner alten Realschule in Ehingen und jenen seiner Berufsschulzeit (Ausbildung zum Bankkaufmann bei der Sparkasse) danken, dass er, obwohl er nie ein Gymnasium als Schüler von innen sah, es wohl bald in höchste Staatsämter schafft.

Das ist doch eine Bildungserfolgsgeschichte, die er hervorheben könnte, stattdessen gibt er im Wahlkampf der “harten Durchgreifer” bei den mutmaßlich faulen Lehrkräfte.

Gehörte Herr Hagel immer zur Leistungsspitze in seinem Leben?