Chinesische Erziehung: Vorbild oder Teufelswerk?

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OSNABRÜCK. Der chinesische Erziehungstil ist umstritten. Wie es wirklich zugeht in Chinas Bildungsinstitutionen, erklärt die Erziehungswissenschaftlern Professor Renate Zimmer gegenüber der Zeitschrift „Eltern“.

„In chinesischen Kindergärten wird genauso gespielt, gematscht, getobt und gebaut wie bei uns. Das nimmt allerdings nicht so viel Raum ein. Der Anspruch, dass die Kinder etwas lernen und üben sollen, ist immer spürbar. Oft sprechen die Kindergarten-Erzieherinnen ausdrücklich von Unterricht, in dem Bewegung, Musik oder Sprache auf dem Programm steht“, berichtet Zimmer. Sie ist Leiterin des Niedersächsischen Institus für frühkindliche Bildung und Entwicklung und macht seit Jahren Forschungsreisen nach China.

Für Chinesen sei Leistung generell etwas Positives. Dazu gehöre auch der bei uns belastete Begriff Disziplin. Zimmer sagt: „Die Disziplin fällt besonders beim Essen auf. Wenn die Gruppe mittags vor ihren Reisschälchen sitzt, ist es erstaunlich still. Darauf achten die Erzieherinnen – und begründen es damit, dass die Kinder sich sonst verschlucken könnten.“

Eine der höchsten Tugenden für chinesische Kinder ist Disziplin. (Foto: kattebelletje/Flickr CC BY-NC 2.0)
Eine der höchsten Tugenden für chinesische Kinder ist Disziplin. (Foto: kattebelletje/Flickr CC BY-NC 2.0)

Das chinesische Bildungssystem macht hierzulande immer wieder Schlagzeilen. Einerseits dient es als Vorzeigebeispiel für hohe Leistungsfähigkeit, wie etwa bei der letzten PISA-Studie, bei der die Stadt Shanghai sich an die Spitze setzte. Andererseits wird die Art, wie diese Leistung erzielt werden, immer wieder kritisiert. Eine Kontroverse darüber löste zuletzt das Buch „Die Mutter des Erfolgs“ über den vermeintlich asisatischen autoritären Erziehungsstil der sogenannten Tigermutter Amy Chua aus, dass Anfang 2011 auf Deutsch erschient. In ihrem Buch erzählt die Juraprofessorin Chua, wie sie ihre Töchter zum Erfolg gedrillt hat: Die beiden durften etwa nie bei Freunden übernachten. Sie mussten stets Einsen nach Hause bringen, und wenn ihnen ein Stück auf dem Klavier nicht perfekt gelang, drohte ihre Mutter damit, Kuscheltiere zu verbrennen und Geburtstagsfeiern für die nächsten Jahre abzusagen. Dieser Erziehungsstil ist aber längst nicht bei allen Chinesen angesagt und unumstritten.

Das bestätigt auch die Expertin Zimmer. Sie hat festgestellt, dass auch die chinesischen Frühpädagogen selbstkritisch sind: „Sie ahnen, dass sie offener für Neues sein sollten und ihren Kindern noch mehr Freiraum beim Spielen lassen müssen. Wenn chinesische Kollegen mich in Deutschland besuchen, sind sie immer sehr beeindruckt, was Kinder hier alles dürfen – auch dass die Eltern das zulassen und offenbar deutlich weniger Angst um ihre Kinder haben als chinesische Eltern.“ (nin)

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