Wanka: Arbeitgeber sollen sich stärker um Analphabeten kümmern

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NEUBRANDENBURG. Analphabeten scheuen sich oft davor, ihre Probleme zuzugeben. Da viele trotzdem Jobs haben, sollten die Arbeitgeber besser hinschauen, fordert die Bundesbildungsministerin. Im Nordosten laufen schon erste Projekte dazu.

Will die Wirtschaft in Sachen Analphabetismus stärker in die Pflicht nehmen: Bundesbildungsministerin Johanna Wanka. Foto: Axel Hindemith /  Wikimedia Commons  Creative Commons (CC-by-sa-3.0)
Will die Wirtschaft in Sachen Analphabetismus stärker in die Pflicht nehmen: Bundesbildungsministerin Johanna Wanka. Foto: Axel Hindemith / Wikimedia Commons Creative Commons (CC-by-sa-3.0)

Bundesbildungsministerin Johanna Wanka (CDU) hat die Arbeitgeber aufgerufen, sich stärker für Menschen mit Schreib- und Leseproblemen einzusetzen. «Hauptproblem für viele Betroffene ist noch immer, ihre Schamgrenze zu überwinden», sagte Wanka am Dienstag in Neubrandenburg. Arbeitgeber hätten aber oft ein Vertrauensverhältnis zu ihren Mitarbeitern und sollten das nutzen.

Im Rathaus wurde zugleich unter dem Titel «Lesen & Schreiben – Mein Schlüssel zur Welt» eine multimediale Ausstellung im Rahmen der Alphabetisierungskampagne des Ministeriums eröffnet. Laut einer Studie von 2011 gibt es bundesweit rund 7,5 Millionen Menschen mit teils gravierenden Schreib- und Leseproblemen. Davon sind rund drei Millionen Betroffene Zuwanderer, die zuerst ausländische Sprachkenntnisse erwarben, aber in Deutschland Probleme haben. Konkrete Zahlen für einzelne Bundesländer gebe es aber nicht, sagte Wanka.

Deutschland sei die viertstärkste Industrienation der Welt, habe aber nur 1,2 Prozent der Weltbevölkerung. «Wenn wir der Konkurrenz durch China und den USA gewachsen sein wollen, ist das nur durch Bildung und Innovation möglich.» Dazu brauche man alle Menschen und dem diene diese Kampagne zur Grundbildung. «Es gibt aber keine einfache Lösung für diese problematische Situation.» Laut Bildungsministerium verzeichnen einige Volkshochschulen seit dem Beginn der Kampagne vor zehn Monaten bereits höhere Nachfragen bei Alphabetisierungskursen.

Eine Betroffene, die inzwischen Lesen und Schreiben gelernt hat, regte an, TV-Spots mit lernenden Analphabeten zu schalten, um mehr Betroffene zu erreichen. Es gebe nichts Schöneres, als Kindern eine Geschichte aus einem Buch vorzulesen.

Bei der Tagung wurden auch Projekte vorgestellt, die derzeit im Osten Mecklenburg-Vorpommern angelaufen sind, um Menschen mit Schreib- und Leseproblemen zu helfen. «Wir haben etwa 70 Firmen befragt, dabei haben sich rund 50 Betroffene gemeldet», sagte Stephan Guttzeit von der Agentur der Wirtschaft als Träger des Projektes «Phönix». Dabei gehe es um «arbeitsorientierte Grundbildung» bei Schreib- und Leseschwächen, aber auch um Englischgrundkurse, um auch Computer bedienen zu können.

Wenn sich Betroffene melden, werde ein sehr individueller Lehrplan erstellt, sagte Guttzeit. Beispiele seien fünf Projekte mit Beschäftigten aus einem Hotel und einem Autohaus in Neubrandenburg sowie von der Johanna-Odebrecht-Stiftung Greifswald sowie der Arbeiterwohlfahrt in Neustrelitz. WINFRIED WAGNER; dpa

Zum Bericht: „Ausnahmsweise: Bundesbildungsministerin Wanka erzählt Märchen

 

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