Kaufmann, Friseurin, KfZ-Mechatroniker: Warum Jugendliche immer in die gleichen Lehrberufe drängen

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FRANKFURT/MAIN. In Deutschland gibt es mehr als 350 Ausbildungsberufe, doch ein Großteil der Bewerber konzentriert sich auf eine enge Auswahl. Da bleibt manche Berufsperle mit guten Perspektiven unentdeckt.

beliebt - trotz geringer Verdienstmöglichkeiten: eine Ausbildung in einem Friseurbetrieb. Foto: XPeria2Day / flickr  (CC BY-SA 2.0)
Immer noch sehr beliebt – trotz geringer Verdienstmöglichkeiten: eine Ausbildung in einem Friseurbetrieb. Foto: XPeria2Day / flickr (CC BY-SA 2.0)

Auf dem deutschen Ausbildungsmarkt knirscht es inzwischen recht laut: Angebot und Bewerber passen trotz boomender Wirtschaft immer schlechter zusammen, so dass im vergangenen Jahr 41.000 Ausbildungsplätze unbesetzt geblieben sind und gleichzeitig fast 81.000 junge Leute nicht die gewünschte Lehrstelle gefunden haben. Vor allem einzelne Handwerkssparten tun sich immer schwerer, noch geeigneten Nachwuchs zu finden. Neben der allgemeinen demografischen Entwicklung und der zunehmenden Studierlust ist es Teil des Problems, dass sich die Bewerber immer noch auf eine sehr enge Auswahl möglicher Berufe konzentrieren.

Bürokaufleute, Kfz-Mechatroniker und Einzelhandelskaufleute sind die ewigen Spitzenreiter in der Hitliste der Ausbildungsberufe, deren jüngste Ausgabe das Statistische Bundesamt am Mittwoch veröffentlicht hat. Das hat erst einmal viel mit dem Angebot zu tun, das auch in wirtschaftlich schwächeren Regionen immer noch Autowerkstätten und Handelsunternehmen mit Ausbildungsstellen bereithält.

Aber gerade bei jungen Frauen sehen Experten immer noch eine eigentlich nicht gerechtfertigte Konzentration auf bestimmte Berufe mit vergleichsweise geringen Verdienstmöglichkeiten, wie zum Beispiel Friseurin, Verkäuferin oder medizinische Fachangestellte. Weit über die Hälfte aller Lehrverträge junger Frauen (56 Prozent) konzentrieren sich laut dem Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) auf die zehn beliebtesten Berufe. Bei den Jungen ist die Verteilung sehr viel breiter.

Aber es bewegt sich was: In immerhin 80 von 105 vom BIBB  untersuchten «Männerberufen» ist der Anteil weiblicher Auszubildender in den letzten zwölf Jahren gestiegen. Am stärksten war diese Entwicklung bei den Bäckerinnen (2015: 25,9 Prozent Frauen), den Malerinnen und Lackiererinnen (15,9 Prozent) und Tischlerinnen (12,2 Prozent). Umgekehrt hielten sich junge Männer bei typischen Frauenberufen aber weiterhin deutlich zurück. Das liegt nach Ansicht der Experten auch an den meist unterdurchschnittlichen Vergütungen in diesen Berufen.

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Einen immer größeren Bogen machen die Schulabgänger um Berufe im Lebensmittelhandwerk und in der Gastronomie. Die DGB-Jugend hat mit ihrer Initiative «Dr. Azubi» die – meist negativen – Erfahrungen von Auszubildenden gesammelt und kommt im jüngsten Ausbildungsreport für Berufe wie Koch oder Hotelfachfrau zum Schluss: «Probleme wie Arbeitszeiten, Überstunden, die oftmals fachlich ungenügende Anleitung, eine unterdurchschnittliche Ausbildungsvergütung und das Gefühl, ausgenutzt zu werden, bestimmen nach wie vor den Arbeitsalltag.»

Die Schulabgänger beraten sich mit ihren Freunden, Familien und vielleicht noch Lehrern. «Etwas mit Medien» und «Etwas mit Tieren» liegen immer noch im Trend. Dabei ist die Vielfalt der Ausbildungsberufe nahezu unüberschaubar, tiefere Informationen wären dringend notwendig. Neben den rund 330 vom BIBB erfassten Ausbildungen in Handwerk, Industrie und Handel gibt es noch dutzende Berufsbilder im Gesundheits- und Pflegebereich sowie bei den Freiberuflern. Berufsperlen wie etwa der Hörakustiker mit guten Zukunfts- und Verdienstaussichten gehen an vielen Bewerbern vorbei.

«Die Angebote des Berufsorientierungsprogramms sollten flächendeckend auch auf die Gymnasien ausgeweitet werden», sagt BIBB-Sprecher Andreas Pieper. Bislang würden dort Bildungsentscheidungen auf einer zu schwachen Basis gefällt. Neben einer Studienberatung müsse es auch Informationen über die duale Berufsausbildung und spätere Aufstiegsmöglichkeiten geben, die den Weg zu Meister, Techniker oder Fachwirt öffneten. «Man muss den Jugendlichen Alternativen und Karrierepfade aufzeigen. Wenn sie sich dann für ein Studium entscheiden, ist das auch in Ordnung.» Von Christian Ebner, dpa

Zum Bericht: Wirtschaft beklagt „dramatische Lage“ auf dem Ausbildungsmarkt – und wirft Schulen Versäumnisse vor

 

 

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