Die „Bildungsfibel“ des neuen Kultusministers enthält: A13 für alle Grundschullehrer als „langfristiges Ziel“

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HANNOVER. „Ich will die beste Bildung für unsere Kinder. Sie muss jedem Kind die gleichen Chancen ermöglichen und gebührenfrei sein. Nur das ist gerecht!“ Das hat jemand gesagt, der nun beweisen muss, wie ernst es ihm damit ist: Grant Hendrik Tonne, Jurist, bisher parlamentarischer Geschäftsführer der SPD-Landtagsfraktion und Bürgermeister der Gemeinde Leese – und neuer Kultusminister von Niedersachsen. In einer „Bildungsfibel“ hat er im Wahlkampf dargelegt, wie er sich die Bildungspolitik der nächsten Jahre vorstellt – daran wird er zu messen sein. Wir dokumentieren wichtige Punkte aus seiner Agenda.

Screenshot aus der "Bildungsfibel" des neuen Kultusministers. N4t
Screenshot aus der „Bildungsfibel“ des neuen Kultusministers. N4t

Ganztagsschule: „Der  Weg  von  der  Halbtagsschule  zur  Ganztagsschule  ist eine der größten Reformen im Schulwesen. 60% der Schulen  in  Niedersachsen  sind  mittlerweile  Ganztagsschulen,  Tendenz  steigend.  Zum  Schuljahr  2014/2015 wurde die Versorgung mit Lehrerstunden für den Ganztagsbetrieb  deutlich  angehoben.  Dadurch  entstanden  im Zeitraum 2014 – 2017 Mehrkosten von 434 Mio. Euro –  gut  angelegtes  Geld,  das  eine  deutliche  Qualitätssteigerung in den Schulen ermöglicht hat. Die  Versorgung  mit  Lehrerstunden  im  Nachmittagsbereich liegt bei 60%, das entspricht einer Verdreifachung der  Stunden.  Ein  optimales  Zusammenspiel  zwischen Lehrkräften,  pädagogischen  Mitarbeitern  und  Ehrenamtlichen ist so möglich.“

Schulsozialarbeit:  „100  Vollzeitstellen  wurden  für  160  Grundschulen  geschaffen.  Weitere  500  Vollzeitstellen  sind  für  rund  650  Haupt-,  Real-,  Ober-  und  Gesamtschulen  entstanden,  diese Stellen sind unbefristet. Das Land hat außerdem erstmals  die  Zuständigkeit  für  die Schulsozialarbeit  anerkannt. Vorher wurden jahrelang nur jährlich befristete Zuschüsse  geleistet.  Dies  war  ein  unhaltbarer  Zustand,  da  sozialpädagogische  Fachkräfte  ein  enorm  wichtiger  und unverzichtbarer Baustein für eine moderne Schule sind.

Inklusion: „Inklusion  ist  ein  Menschenrecht  und  Menschenrechte  kann  man  nicht  aussetzen.  Die  UN-Menschenrechtskonvention  verpflichtet  uns  zu  inklusiven  Schulen.  In  der letzten Wahlperiode wurde unter der Verantwortung von CDU und FPD das Auslaufen der Förderschule L (für Lernen)  beschlossen  –  jedoch  wurden  keinerlei  Vorbereitungen  getroffen.  Das  musste  die  jetzige  Landesregierung  nachholen:  Von  2013  –  2016  wurden  986  Mio.  Euro  für  ntsprechendes  Personal  und  Fortbildungen  bereitgestellt. Unser Ziel sind multiprofessionelle Teams an  den  allgemeinbildenden  Schulen.  Förderschullehrer  sollen  nicht  mehr  an  verschiedenen  Schulen  arbeiten,  sondern fest zugeordnet werden. Im Jahr 2017 wurden weitere  650  Vollzeitstellen  für  sonderpädagogisches  Personal  geschaffen  (helfende  Hände  in  den  Schulen).  Hieran muss mit Nachdruck weitergearbeitet werden!“

Unterrichtsversorgung: „Wir  haben  aktuell  den  höchsten  Stand  an  Lehrkräften  seit dem Jahr 2000. Seit 2013 sind rund 2.000 Vollzeitlehrkräfte  mehr  im  Schuldienst,  gleichzeitig  ist  die  Anzahl der Schülerinnen und Schüler um 60.000 gesunken. Trotzdem gibt es aktuell zu wenige Lehrkräfte in Niedersachsen.  Dafür  verantwortlich  sind  drei  Ursachen:  Die  CDU  hat  entschieden,  die  Ausbildung  für  Grund-  und  Hauptschullehrkräfte aus den zentralen Städten Hannover  und  Braunschweig  zu  verlagern.  Die  Studierenden  sind nicht gefolgt und haben stattdessen andere Studiengänge bevorzugt. Außerdem wurde das Studium Aufgrund  des  GHR  300-Studiums  verlängert,  dies  liegt  im  Bologna  Prozess  begründet.  Dadurch  gibt  es  exakt  in  diesem  Jahr  fehlende  Absolventen.  Ein  weiterer  Grund  ist der Zuzug von Familien und Flüchtlingen mit insgesamt über 30.000 Kindern mehr als geplant. Dieser Anstieg war nicht erkennbar, da die Kinder nicht in Niedersachsen geboren wurden. Schon im nächsten Jahr wird es eine spürbare Entspannung dieser Situation geben: Statt 400 gibt es nun 1.000 Absolventen, außerdem sind weitere Quereinsteiger geplant.  Die  Studienplätze  werden  ausgebaut  und  auch  die Plätze an den Studienseminaren. Schritt  für  Schritt  wird  so  eine  Unterrichtsversorgung von über 100% wieder möglich. Unser Ziel ist, dies so schnell wie möglich zu erreichen. Bereits in 2018 ist ein deutlicher Anstieg zu erwarten. Die  Kürzung  von  Entlastungsstunden  ist  der  falsche  Weg (ein Vorschlag der CDU) – Entlastungsstunden dienen  einer  modernen  und  gut  aufgestellten  Schule.  Wir  stehen für die moderne Schule, die CDU für die Schule von gestern.“

Entlastung der Lehrkräfte und Aufwertung des Berufs: „Damit wir in Zukunft auch an kleinen Grundschulen wieder  Schulleitungen  finden,  werden  Grundschulleitungen  auf  die  Besoldungsstufe  A13  angehoben  werden.  Dadurch  wird  die  angemessene  Wertschätzung  für  die  Arbeit  signalisiert  und  die  Attraktivität  deutlich  gesteigert. Außerdem sollten die Anrechnungsstunden erhöht und unterrichtsferne bürokratische Aufgaben gestrichen werden. Langfristiges  Ziel  ist  die  Besoldungsstufe  A13  für  alle  Grundschullehrerinnen und -lehrer sowie eine damit einhergehende spürbare Entlastung. So kann der Tendenz vorgebeugt werden, zu wenige Lehrkräfte zu haben.“

Abordnungen: Aktuell  werden  etliche  Lehrkräfte,  insbesondere  vom  Gymnasium, für ein oder zwei Schulhalbjahre an andere Schulen  abgeordnet.  Damit  soll  an  den  Grundschulen  die Verlässlichkeit gewährleistet werden. Dies stellt eine außerordentliche  Belastung  für  die  abgebenden  Schulen  dar.  Größte  Dankbarkeit  für  Ihre  Arbeit  gilt  dabei  auch den abgeordneten Lehrkräften. Unser   Ziel:   Abordnungen   müssen   schnellstmöglich   rückgängig  gemacht  werden,  damit  Lehrkräfte  wieder  an ihre ursprüngliche Schule zurückkehren können. (…) Die Belastung durch Abordnungen ist groß – in diesem Jahr waren sie leider unvermeidlich, um die Unterrichtsversorgung  untereinander  auszugleichen.  Dies  soll  in  der Zukunft keine Regelmäßigkeit werden.“ News4teachers

 

Hintergrund

HANNOVER. Nach zwei Wochen haben sich SPD und CDU in Niedersachsen auf einen Koalitionsvertrag geeinigt. Die wichtigsten Punkte in den Vereinbarungen zwischen den Parteien:

  • Um die Unterrichtsversorgung zu verbessern, sollen 1000 zusätzliche Lehrer eingestellt werden. Grundschulen, die auch in der dritten und vierten Klasse Berichtszeugnisse verwenden, sollen künftig für die vierte Klasse zusätzlich ein Zeugnis mit Zensuren ausstellen. Eine Schullaufbahnempfehlung für die weiterführende Schule soll es künftig dann geben, wenn die Eltern eines Schülers dieses wünschen.
  • In Zukunft sollen die Schulträger beantragen können, dass die Förderschule Lernen noch vier weitere Jahre in Betrieb bleiben kann. Seit 2013 läuft dieser Schultypus langsam aus – nun erhält er noch einmal Aufschub. So sollen die allgemeinbildenden Schulen mehr Zeit bekommen, sich auf die Aufnahme von Kindern mit Lern-Förderbedarf einzustellen. Die CDU konnte sich mit ihrer Forderung nach einer einjährigen Pause der Inklusion nicht durchsetzen. «Wir haben uns große Mühe gegeben, dass am Ende ein Ergebnis steht, mit dem die Praktiker in der Schule zufrieden sind», sagte Ministerpräsident Stephan Weil (SPD.
  • Ab August 2018 sollen sowohl das erste als auch das zweite Kita-Jahr für die Eltern gebührenfrei sein. Derzeit gilt diese Regelung nur für das dritte Kindergartenjahr. Die Kosten für die geplante Neuregelung hatte das Kultusministerium auf 240 Millionen Euro jährlich geschätzt. dpa
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grundschullehrer
6 Jahre zuvor

Mir geällt mir die Art, wie Herr Tonne sein neues Amt beherzt und ambitioniert angeht, ohne dieses „dies geht nicht und jenes geht auch nicht“. Vielleicht können die neuen Kultusminister dafür sorgen, dass zwischen den einzelnen Ländern ein Wettbewerb um das beste Bildungssystem entsteht. Wir brauchen einen echten BILDUNGSAUFBRUCH!

grundschullehrer
6 Jahre zuvor

Ich meinte natürlich „Mir gefällt die Art…“

sofawolf
6 Jahre zuvor

ZITAT: “ Außerdem sollten die Anrechnungsstunden erhöht und unterrichtsferne bürokratische Aufgaben gestrichen werden.“

Das hilft wirklich bei der Entlastung!

Aber ist das auch eher ein langfristiges Ziel ?