Katholiken siegen gegen Schulminister

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Während des Besuches von Papst Benedikt XVI. in Deutschland eskaliert der Streit um zwei katholische Schulinitiativen in Brandenburg und im Saarland.

Von NINA BRAUN

SAARBRÜCKEN / POTSDAM. Die Träger von zwei katholischen Schulinitiativen im Saarland und in Brandenburg haben in zwei Aufsehen erregenden Prozessen vor Gericht gegen die Bildungsministerien der beiden Bundesländer obsiegt.

Das Verwaltungsgericht des Saarlandes entschied, dass zwei in Kritik geratene Schulen des Don-Bosco-Schulvereins in Fechingen weiter betrieben werden dürfen. Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg urteilte in einem Berufungsverfahren, dass ein Jungengymnasium im Land Brandenburg grundsätzlich als staatlich anerkannte Ersatzschule genehmigt werden kann – und gab damit der Klage des  Vereins, der die Schule errichten will, statt. Dieser soll der katholischen Laienorganisation Opus Dei nahestehen.

Benedikt XVI. besucht vom 22. bis zum 25. September Deutschland.  Foto: Broc / Wikimedia Commons (CC-BY-3.0)
Benedikt XVI. besucht vom 22. bis zum 25. September Deutschland. Foto: Broc / Wikimedia Commons (CC-BY-3.0)
Das Bildungsministerium in Saarbrücken wollte die beiden Don-Bosco-Ersatzschulen aufgrund von Verstößen im Internatsbereich zu Beginn des Jahres schließen. Die Unterbringung von 26 jungen Menschen bei nur acht erlaubten Plätzen und an zum Teil nicht genehmigten Standorten würden auf grundsätzliche Defizite im rechtstreuen Verhalten schließen lassen, hieß es damals zur Begründung. Die Piusbruderschaft sprach dagegen von einem „reinen Willkürakt“. Der Distriktobere der Bruderschaft, Pater Franz Schmidberger, rief per Kanzelverkündigung in allen Kirchen und Kapellen für die beiden katholischen Schulen im Saarland zum Gebet auf.

Tatsächlich folgten die Richter der Auffassung des Bildungsministeriums nun nicht. Das für den Internatsbetrieb festgestellte Fehlverhalten reiche angesichts des langjährigen ordnungsgemäßen Betriebs der Schulen nicht aus, um eine Unzuverlässigkeit des Klägers als Schulträger zu begründen, hieß es.

„Ein nicht nachvollziehbares Urteil“

Die SPD im Saarbrücker Landtag reagierte empört: „Für uns ist dies ein nicht nachvollziehbares Urteil. Seit vielen Jahren steht die Leitung hinsichtlich ihrer pädagogischen Maßnahmen in der öffentlichen Kritik. Unzählige Beschwerden aus Teilen der Elternschaft erreichten den Landtag und beschäftigten ihn. Dabei handelte es sich um Vorwürfe, bei denen Kinder geprügelt, in den Keller gesperrt und körperlich gezüchtigt worden sein sollen. Dass offenbar das Verwaltungsgericht nun die Auffassung vertritt, die Schulen seien 16 Jahre ohne Beanstandungen geführt worden, ist völlig unverständlich“, erklärte der bildungspolitische Sprecher Ulrich Commerçon.

Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Die Beteiligten können innerhalb eines Monats die Zulassung der Berufung durch das Oberverwaltungsgericht des Saarlandes beantragen. Das Bildungsministerium werde das schriftliche Urteil ausführlich prüfen und dann über das weitere Vorgehen entscheiden, kündigte Staatssekretär Stephan Körner (Grüne) an. Er meinte: „Mit Blick auf die Wahrung des Kindeswohls hat das Verwaltungsgericht aus Sicht des Bildungsministeriums mit seinem heutigen Urteil eine hohe Verantwortung auf sich genommen.“

Widerspricht Jungenschule dem Völkerrecht?

In Brandenburg hatte das beklagte Ministerium für Bildung, Jugend und Sport die Genehmigung  zur Gründung eines angeblich Opus Dei nahestehenden Gymnasiums in Potsdam mit der Begründung abgelehnt, dass eine reine Jungenschule – wie sie geplant ist – eine öffentliche Schule nicht ersetzen könne. Für die öffentlichen Schulen sehe das Brandenburgische Schulgesetz koedukativen Unterricht vor. Die Unterrichtung und Erziehung nur eines Geschlechts widerspreche außerdem verfassungsrechtlichen und völkerrechtlichen Regelungen, die als Erziehungsziel eine Gleichstellung der Geschlechter forderten.

Das Verwaltungsgericht Potsdam hatte dagegen das Ministerium verpflichtet, über den Genehmigungsantrag erneut zu entscheiden. Die Berufung des Ministeriums blieb nun auch vor dem Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg ohne Erfolg: Ein Jungengymnasium ist unter Berücksichtigung der verfassungsrechtlich garantierten Privatschulfreiheit auch im Land Brandenburg als Ersatzschule genehmigungsfähig, entschieden Richter nunmehr zum zweiten Mal. Koedukation sei kein die Schulstruktur betreffendes Prinzip. Es sei auch weder ersichtlich noch nachgewiesen, dass die alleinige Unterrichtung und Erziehung von Jungen oder Mädchen dem Erziehungsziel einer Gleichstellung und Gleichbehandlung der Geschlechter grundsätzlich widerspreche.

Bildungsstaatssekretär Burkhard Jungkamp (SPD) bedauerte das Urteil. „Anders als das Gericht sehen wir eine grundlegende Bedeutung der gemeinsamen Erziehung von Mädchen und Jungen“, sagte er. „Gemeinsame Erziehung ist mehr als nur eine Methode – sie ist ein Strukturprinzip unseres öffentlichen Schulsystems. Hiervon sollten auch freie Schulträger nicht abweichen dürfen.“ Das Land werde nun die Urteilsbegründung abwarten und prüfen, welche Konsequenzen sich daraus ergäben.

„Extreme Leib- und Sexualfeindlichkeit“

Auch in der Potsdamer Lokalpolitik  gibt es starken Widerstand gegen die geplante Gründung der Jungenschule. Nach einem Bericht der „Märkischen Allgemeinen“ forderte die für Bildungsfragen zuständige SPD-Stadtverordnete Manja Orlowski, der Organisation Opus Dei, die angeblich hinter dem Projekt steht, keine städtischen Grundstücke zur Errichtung einer Schule zur Verfügung zu stellen.  Auch die Linken und die Grünen lehnen das Schulprojekt ab. Ein Jungen-Gymnasium in der Landeshauptstadt anzusiedeln und einen Priester von Opus Dei für die seelsorgerische Begleitung der Jungen anzustellen, sei fatal, erklärte der Grünen-Kreisvorsitzende Uwe Fröhlich laut „Märkischer Allgemeinen“. Unterordnung und strikter Gehorsam seien die wichtigsten „Tugenden“ von Opus Dei. Eine „extreme Leib- und Sexualfeindlichkeit, die mit Selbstzüchtigung verbunden ist“, stehe in solchen Schulen, speziell bei der seelsorgerischen Betreuung durch Opus-Dei-Tutoren, auf der Tagesordnung. Diese Art von Erziehung widerspreche der Grundrechte-Charta der universellen Menschenrechte. Zudem sei eine solche Praxis eine Diskriminierung und Entwürdigung von heranwachsenden Jungen.

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