Die CDU schafft die Hauptschule ab – ein bisschen

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LEIPZIG (Mit Kommentar). Erwartungsgemäß haben die Delegierten des CDU-Parteitages in Leipzig den Antrag „Bildungsrepublik Deutschland“ mit großer Mehrheit beschlossen. Nach Kritik vor allem aus Baden-Württemberg, Hessen und Bayern war der Entwurf im Vorfeld entschärft worden.

David McAllister auf dem CDU Parteitag
"Finger weg vom Gymnasium": Der niedersächsische Ministerpräsident David McAllister auf dem CDU-Parteitag in Leipzig. Foto: CDU

Vier bundesweite Bildungskonferenzen, eine sechswöchige Online-Diskussion auf einer eigens installierten Internetplattform und über 1600 Änderungswünsche zum Antragstext waren dem Parteitag vorausgegangen. Der Widerstand der Konservativen zeigte dann auch Wirkung: Die im Ursprungsentwurf für ganz Deutschland angestrebte Zweizügigkeit ist in dem nun verabschiedeten Text einem altbekannten Bekenntnis zu einem „differenzierten, leistungsorientierten und wohnortnahen Bildungsangebot” gewichen – der Zusammenschluss von Haupt- und Realschulen wird allerdings ausdrücklich erlaubt, möglichst unter dem Namen „Oberschule“. Mit den Gesamtschulen macht die Union nebenbei ihren Frieden: „Darüber hinaus stehen wir zu Haupt- und Realschulen sowie integrativen Schulformen, wo diese funktionieren und dem Elternwillen entsprechen”, heißt es in dem Parteitagsbeschluss.

Schavan: „Zwei-Säulen-Modell ist ein Erfolgsmodell“

Bildungsministerin Annette Schavan, eine der Autorinnen des Antrags, betonte, dass die CDU auf sinkende Schülerzahlen reagieren und das Schulsystem zukunftsfest machen müsse. Dabei sei das Zwei-Säulen-Modell als Erfolgsrezept der CDU-Regierungen in Sachsen und Thüringen beispielhaft für christdemokratische Bildungspolitik. Der niedersächsische Ministerpräsident David McAllister sagte, Haupt- und Realschulen unter einem Dach zusammenzufassen, sei ein Angebot an die kommunalen Schulträger, um die Präsenz von weiterführenden Schulen in der Fläche auch bei sinkenden Schülerzahlen zu erhalten. Er machte klar, dass sich die Union mit dem Weg zum Zwei-Säulen-Modell einen Schritt in Richtung Konsens bewege. Dann müsse aber auch die Linke im Land einen Schritt entgegenkommen. „Das heißt: Finger weg vom Gymnasium, sonst gibt’s Ärger mit der Union“,  so betonte McAllister unter starkem Beifall der Delegierten.

Die saarländische Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer machte deutlich, dass es bei der Schaffung des Zwei-Säulen-Modells nicht um die Abschaffung der Hauptschule gehe. „Wir schaffen nicht die Hauptschulpädagogik ab, nur weil wir zwei Schulformen unter einem Dach unterbringen“, sagte sie. „Es heißt nicht zwei- oder dreigliedrig, sondern linke Einheitsschule oder Zwei-Säulen-Modell. Das Gymnasium bleibt uns erhalten.“

GEW: Niederlage für Schavan

„Die CDU hat die Chance verpasst, in der Schulpolitik zukunftsfähig zu werden“, meinte Ulrich Thöne, Vorsitzender der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) mit Blick auf den Parteitagsbeschluss. „In der Schulstrukturfrage alle Spielarten zuzulassen und gleichzeitig am gegliederten Schulsystem mit Haupt- und Sonderschulen festzuhalten, entspricht weder den Anforderungen an ein modernes Schulwesen noch den Interessen der Eltern. Die Folge: Das Schulsystem wird weiter zersplittern, noch unübersichtlicher, beliebiger und chaotischer. Die Mobilität von Familien wird damit weiter eingeschränkt“, sagte er voraus. Thöne befand, dass Schavan eine Niederlage erlitten habe. Ursprünglich habe sie sich für ein Zwei-Wege-Modell aus Gymnasien und Oberschulen stark gemacht. Davon sei der Beschluss weit entfernt. Die Ministerin habe immer weiter zurückrudern müssen, um alle Strömungen in der Partei zu integrieren. „Der Parteitag hat sich an alten Feindbildern wie der so genannten ‚Einheitsschule’ abgearbeitet, statt die Signale in Richtung Zukunft zu stellen“, kommentierte der GEW-Chef.

Udo Beckmann, Vorsitzender des Verbandes Bildung und Erziehung (VBE) urteilte etwas milder. „Auch wenn die CDU mit ihrem Parteitagsbeschluss zur Bildung wieder einen halben Schritt zurück gegangen ist, bleibt das klare Signal an die Länder, sich für ein zweigliedriges System zu öffnen“, betonte er. Er sagte voraus: „Der demografische Wandel und das Elternwahlverhalten werden auf Dauer nichts Anderes zulassen als eine Säule neben dem Gymnasium, die so auszugestalten ist, dass die Optionen für alle Bildungsabschlüsse offen gehalten werden.“

Zufrieden zeigte sich der Philologenverband. Dessen Vorsitzender Heinz-Peter Meidinger bezeichnete die Änderungen des Antrags gegenüber der Entwurfsfassung als „richtig und vernünftig“. Meidinger: „Wir begrüßen es, dass die CDU Abschied genommen hat von ihrem ursprünglichen Plan, allen Bundesländern ungeachtet der Ausgangssituation ein einheitliches Schulsystem überzustülpen. Warum sollte es in den Bundesländern nicht auch weiterhin Haupt- und Realschulen geben, wo diese funktionieren und dem Elternwillen entsprechen?“

Die FDP will die Kultusministerkonferenz abschaffen

Kritik kam hingegen vom Koalitionspartner in Berlin. „Die CDU hat mit ihrem Parteitag die Chance verpasst, sich auf die Qualität der Schulen vor Ort zu konzentrieren und stattdessen die alte Leier der Endlosdebatte über Schulstrukturen gedreht“, meinte die stellvertretende Bundesvorsitzende der FDP, Birgit Homberger. „Wer Türschilder an den Hauptschulen auswechselt, verbessert nicht die Qualität in den Klassenräumen. Die Hauptschulen zugunsten einer ,Oberschule“ aus Haupt- und Realschule abzuschaffen, bedeutet nur die Verschiebung der Hauptschüler in die neue Schulform, ohne das Bildungsangebot anzupassen.“

Die FDP hatte sich auf ihrem Bundesparteitag am Wochenende ebenfalls mit dem Thema Bildung beschäftigt. Spektakulärster Beschluss:  „Die FDP will die ‚Ständige Konferenz der Kultusminister‘ (KMK) durch eine schlanke Bildungskonferenz der Länder ersetzen. Das Sekretariat der KMK wird in der Folge aufgelöst.“ Darüber hinaus wollen die Liberalen die Schulen im Verantwortungsbereich der Länder belassen: „Die vom Institut für die Qualitätsentwicklung im Bildungswesen (IQB) entwickelten Bildungsstandards müssen in allen Ländern und Schulformen konsequent umgesetzt werden. Wie diese Standards erreicht werden, soll der Eigenverantwortung der Bildungseinrichtungen und Länder überlassen sein“, heißt es in dem nun verabschiedeten Papier. FDP-Vize Homberger meinte: „Was gut ist, wissen die Schulen vor Ort besser als irgendwelche Bildungsbürokraten von der Kultusministerkonferenz oder in Berlin.“  NINA BRAUN

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