Masern-Welle: Lehrer brauchen Impfschutz

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BERLIN. Die Zahl der Masern-Erkrankungen in Deutschland steuert auf ein Fünf-Jahres-Hoch zu. Schon jetzt registrierte das Robert-Koch-Institut nach Informationen der Nachrichtenagentur „dapd“ rund 1.600 Fälle – mehr als doppelt so viele wie im gesamten Jahr 2010.

Besonders viele registrierte Erkrankungen gebe es aktuell in Baden-Württemberg und Bayern. In Aschaffenburg liegt ein sechsjähriges Mädchen im Sterben, das infolge einer Maserninfektion an einer chronischen Gehirnentzündung, der sogenannten Subakuten Sklerosierenden Panenzephalitis (SSPE), erkrankt ist. Solche Spätfolgen können nach einem Bericht des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte offenbar weit häufiger auftreten als bislang angenommen. Bisher sei das Robert-Koch-Institut davon ausgegangen, dass die SSPE bei einem Kind von 5000 auftrete, die im ersten Lebensjahr an Masern erkrankt waren. Tatsächlich bestehe wohl ein Risiko von unter 1:200 für betroffene Säuglinge, heißt es in einer Erklärung des Verbandes. Die SSPE gilt als unheilbar – es gibt keine Therapie. Zwischen der ersten Maserninfektion und dem Ausbruch der SSPE können dem Verband zufolge fünf bis acht Jahre vergehen.

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Abbildungen von Masern und Scharlach aus dem 1908 erschienenen "Practical Guide to Health" von Frederick M. Rossiter. Illustration: perpetualplum / Flickr (CC BY 2.0)

Da Säuglinge entsprechend der Impfstoff-Zulassungen erst ab elf Monaten gegen Masern geimpft werden dürfen, appelliert der Ärzteverband an Erwachsene, die nach 1970 geboren sind, ihren Impfschutz aufzufrischen. „Wir wissen, dass viele der heute 15- bis 40-Jährigen nicht gegen Masern immun sind oder einen unklaren Impfstatus haben“, sagt Dr. Martin Terhardt, Mitglied der Ständigen Impfkommission (STIKO) am Robert-Koch-Institut. „Wer einen Kinderwunsch hat oder im Freundes- oder Bekanntenkreis eine Familie mit einem Neugeborenen hat, sollte sich seiner Verantwortung für die Kleinen bewusst sein.“

„Für Lehrer ist Impfschutz eine Selbstverständlichkeit“

Wichtig sei dies auch für Personen, die in Gemeinschaftseinrichtungen arbeiten – wie Lehrer, sagte Friedrich Hofmann, Professor für Infektionsschutz an der Universität Wuppertal, dem Magazin „Forum Schule“. „Im Hinblick auf die Vorbildfunktion der Lehrer halte ich es für eine Selbstverständlichkeit, dass sie einen STIKO-adäquaten Impfschutz aufweisen“, betonte Hofmann, „denn bekanntlich sind viele Masernausbrüche der vergangenen Jahre über die Schulen gelaufen. Ein Lehrer, der einen Schüler deshalb infiziert, weil er selbst nicht den STIKO-Impfempfehlungen gemäß geimpft ist, verstößt zumindest gegen das Ethos, dem er sich verpflichtet fühlen sollte. Er soll ja seinem Schüler etwas beibringen und ihn nicht krank machen.“ Deshalb sollte der Masernschutz bei Lehrern unbedingt bestehen. Darüber hinaus empfiehlt die STIKO, alle zehn Jahre einen Impfschutz gegen Tetanus, Diphterie und Pertussis auffrischen zu lassen.

Deutsche Kinderhilfe fordert eine Pflicht, Kinder zu impfen

im Oktober war bereits ein 13-jähriges Mädchen aus dem nordrhein-westfälischen Bad Salzuflen an der Masern-Spätfolge SSPE gestorben. Angesichts dieser dramatischen Fälle fordert  die Deutsche Kinderhilfe eine Pflicht, Kinder zu impfen. Kitas und Schulen sollten nur Kinder aufnehmen dürfen, die einen Impfnachweis erbringen. „Die Impfbereitschaft der Eltern in Deutschland ist ein großes Problem. Immer noch entscheiden sich zu wenige Eltern für eine Impfung ihrer Kinder“, sagte Vorstandsvorsitzender Georg Ehrmann. Dabei gehörten Impfungen zu den effektivsten Präventionsmaßnahmen für eine Vielzahl von Infektionskrankheiten. Gleichwohl bestünden vor allem bei Jugendlichen wesentliche Impflücken. „Der tragische aktuelle Fall eines toten Kindes widerlegt ideologische Impfgegner, Anthroposophen und Vertreter einer ‚natürlichen‘ Kinderheilkunde, die Masern als eine harmlose Kinderkrankheit abtun“, sagte Ehrmann.

Offenbar bestehen gerade bei Masern Vorbehalte gegen eine Impfung, wie „dapd“ berichtet. Dem Robert-Koch-Institut zufolge hätten von den Kindern, die 2009 eingeschult wurden, 96 Prozent eine erste Impfung gegen Masern erhalten – aber nur 90 Prozent die zweite. NINA BRAUN

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