Aktuelle Studie belegt: Betreuungsgeld ist bildungsfeindlich

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BERLIN. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hält tapfer fest am Betreuungsgeld für Eltern, die ihre Kinder nicht in eine Kita geben wollen – gegen heftige Widerstände, auch aus den eigenen Reihen. Und jetzt das: Eine Studie belegt die negativen Auswirkungen.

Bundeskanzlerin und CDU-Chefin Angela Merkel hält - wohl aus Koalitionsraison - am Betreuungsgeld fest. Noch. Foto: Rudolf Simon / Wikimedia Commons (CC-BY-3.0)
Bundeskanzlerin und CDU-Chefin Angela Merkel hält - wohl aus Koalitionsraison - am Betreuungsgeld fest. Noch. Foto: Rudolf Simon / Wikimedia Commons (CC-BY-3.0)

Finanzielle Anreize für Eltern, die ihre Kinder zu Hause betreuen, senken die Frauenerwerbsquote und wirken sich nachteilig auf die frühkindliche Entwicklung aus. Das ist das Ergebnis einer Untersuchung des in Thüringen eingeführten Betreuungsgelds, die das Bonner Institut zur Zukunft der Arbeit (IZA) jetzt veröffentlicht hat. Demnach bleiben vor allem Geringqualifizierte, Alleinerziehende und Familien mit niedrigem Einkommen dem Arbeitsmarkt fern, um die staatliche Leistung in Anspruch zu nehmen.

Der Freistaat Thüringen gewährt bereits seit 2006 das von Kritikern als „Herdprämie“ bezeichnete Betreuungsgeld in Höhe von 150 bis 300 Euro für Zweijährige, die nicht in öffentlichen Einrichtungen betreut werden. Auf der Grundlage umfangreicher Befragungsdaten des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP) und des Mikrozensus untersuchten Wissenschaftler der Universitäten Mannheim und Heidelberg, wie die betroffenen Familien auf die relative Verteuerung der öffentlichen Kinderbetreuung reagiert haben.

Die Forscher ermittelten, dass der Anteil der ausschließlich zu Hause betreuten Kinder in Folge der Reform um 20 Prozent anstieg. Neben der Betreuung in Kindertagesstätten ging auch die „informelle“ Betreuung etwa durch Nachbarn und Freunde zurück. Vor allem Mütter mit geringem Qualifikationsniveau und niedrigem Einkommen schränkten ihre Erwerbstätigkeit ein. Darüber hinaus belegt die Studie Auswirkungen auf die gesamte Familie: Ältere Geschwister blieben dem Kindergarten häufiger fern, die Erwerbsbeteiligung der Väter ging ebenfalls leicht zurück. Steigende Geburtenraten lassen sich hingegen als Folge des Betreuungsgelds nicht nachweisen.

Forscher fordern, Plan auf den Prüfstand zu stellen

„Inbesondere Geringqualifizierte, deren Familien häufig auf ein zweites Einkommen angewiesen sind, fassen nach längeren Unterbrechungen nur schwer wieder Fuß auf dem Arbeitsmarkt. Zugleich profitieren ihre Kinder überdurchschnittlich von den Fördermöglichkeiten einer qualitativ hochwertigen Betreuung“, erklärt Christina Gathmann, Wirtschaftsprofessorin in Heidelberg und Koautorin der Studie. So bestätigt die Analyse für Thüringen Erkenntnisse aus internationalen Studien, nach denen vor allem Mädchen von der Betreuung in Kindertagesstätten profitieren, besonders im Hinblick auf motorische Fähigkeiten und Sozialverhalten. Vor diesem Hintergrund plädieren die Autoren dafür, die für 2013 geplante bundesweite Einführung des Betreuungsgelds erneut auf den Prüfstand zu stellen.

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CSU pocht auf die Einführung

Mit der CSU ist das allerdings nicht zu machen. Sie pocht auf die Koalitionsabsprachen zum Betreuungsgeld und will ihr Lieblingsprojekt ohne Abstriche umsetzen. Bayerns Familienministerin Christine Haderthauer (CSU), die eine Barauszahlung der Leistung vorangetrieben hatte, sagte dem Berliner «Tagesspiegel am Sonntag»: Die vereinbarte Hilfe für Eltern, die ihre Kleinkinder zuhause betreuen wollen, komme «ohne Wenn und Aber». Der Gesetzentwurf sei «so gut wie fertig», das nötige Geld im laufenden Haushalt eingestellt.

Den Kritikern in der Koalition hielt die CSU-Politikerin entgegen: «Wer trotz fixer Beschlüsse versucht, daran zu rütteln, muss wissen, dass er damit nur Unverständnis bei den Bürgern erzeugt und die Politikverdrossenheit in unserem Land weiter verstärkt.» Wer von Fehlanreizen oder Fernhalteprämie spreche, verkenne, dass elterliche Zuwendung und Zeit «die beste Bildungsinvestition für Kleinkinder» sei. Damit werde unterstellt, die Betreuung durch die Eltern sei ein Fehler. «Das ist eine Ohrfeige für Millionen von Familien.»

In der FDP regt sich derweil Kritik an der Debatte über das Betreuungsgeld auch in der eigenen Partei. Der Bundestagsabgeordnete Lars Lindemann und der schleswig-holsteinische FDP-Spitzenkandidat Wolfgang Kubicki forderten unter Hinweis auf die schwarz-gelbe Koalitionsvereinbarung, Absprachen einzuhalten. Der FDP-Vorsitzende Philipp Rösler hatte zuvor angesichts des unions-internen Widerstands gesagt: «Das Betreuungsgeld war von Anfang an kein Modell der FDP.» NINA BRAUN, mit Material der dpa
(7.4.2012)

Zum Bericht: „Betreuungsgeld der Koalition – bildungsfeindlich?“ 

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