STUTTGART (Mit Leserkommentar). Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) lässt die Katze aus dem Sack: Grün-Rot setzt wegen des massiven Spardrucks auch in den Schulen den Rotstift an – tausende Lehrer müssen weichen. Die Gewerkschaften sind auf der Palme.
Kretschmann will in den kommenden Jahren aus Spargründen rund 11 600 Lehrerstellen streichen. «Selbstverständlich wird das Kultusministerium in erheblichem Umfang beitragen müssen zur Sanierung des Haushalts», sagte Kretschmann und reagierte damit auf einen Appell des Rechnungshofs. Es sei in die mittelfristige Finanzplanung schon eingepreist, dass über 8000 Posten gestrichen werden. «Die 8055 Stellen werden selbstverständlich wegfallen bis 2020.»
Hinzu komme, dass die frühere schwarz-gelbe Regierung über 3500 Lehrerstellen geschaffen habe, die von 2013 an nicht durchfinanziert seien. Grün-Rot habe kein Geld, um für diese Stellen noch lange aufzukommen, hieß es in Regierungskreisen. Der Landesrechnungshof hatte am Montag sogar gefordert, 14 100 Lehrerstellen zu streichen. Es könne nicht sein, dass die Zahl der Schüler immer weiter sinke und die Zahl der Lehrer steige oder gleichbleibe. Ohne Abstriche könne das Land seinen Haushalt nicht sanieren, hatte Präsident Max Munding argumentiert.
Die Lehrergewerkschaft GEW zeigte sich geschockt und warf Grün-Rot schweren Wortbruch vor. «Seit heute sind die 18 Seiten zum Thema Bildungspolitik im grün-roten Koalitionsvertrag nicht mehr das Papier wert, auf das sie gedruckt wurden», kritisierte GEW-Landeschefin Doro Moritz. Die Landesregierung habe “bessere Bildung für alle” versprochen und werde es jetzt mit der geplanten Streichung von 11 600 Lehrerstellen nicht einmal schaffen, den Status quo der schlechten Bildungspolitik von CDU und FDP zu halten.
Kretschmann unterstützte auch die Forderung des Rechnungshofs, im Schulbereich müsse es eine bessere Steuerung der Ressourcen geben. «Mehr Bildung für das gleiche Geld muss da wirklich mal Einzug halten», verlangte der Regierungschef. Er versprach, die von Schwarz-Gelb eingeleitete Senkung des Klassenteilers nicht rückgängig machen zu wollen. Doch weitere Schritte seien nicht drin. «Seit ich in der Landespolitik bin, ist der Klassenteiler der “running gag” der Bildungspolitik.» Es sei aber so ein «grobes Instrument, dass ich das nicht wirklich für zielführend halte».
Moritz reagierte empört auf Kretschmanns Äußerungen: «Das ist eine bildungspolitische Bankrotterklärung zulasten der Jüngsten im Lande. Schüler, Eltern und Lehrkräfte hätten nicht erwartet, dass die Bildungspolitik nach dem Politikwechsel so unter die Räder kommt.»
Hintergrund für die Sparpolitik ist das strukturelle Defizit von rund 2,5 Milliarden Euro im Haushalt. Kretschmann und sein Finanzminister Nils Schmid (SPD) wollen im Doppelhaushalt 2013/2014 rund 3,1 Milliarden Euro neue Schulden aufnehmen. Daneben sollen 800 Millionen Euro gekürzt werden. Grün-Rot will 2020 die schwarze Null erreichen und damit die Schuldenbremse einhalten.
Kretschmann erklärte, die Schuldenbremse aus dem Grundgesetz solle so rasch wie möglich in der Landesverfassung verankert werden. Die Gespräche mit der Opposition sollten «möglichst parallel zu den Haushaltsberatungen abgeschlossen werden». Der Rechnungshof hatte am Montag angemahnt, dass die Schuldengrenze noch in diesem Jahr auch in Landesrecht umgesetzt werden müsse. Am Dienstagnachmittag wollte sich die Regierung mit den Fraktionsvorsitzenden treffen. Für eine Änderung der Verfassung braucht Grün-Rot eine Zwei-Drittel-Mehrheit im Landtag.
Genervt zeigte sich Kretschmann von der Forderung der Prüfer, das Land müsse von 2015 an die schwarze Null schaffen. Solche unkonkreten Aussagen seien nicht hilfreich. «Das geht mir auf den Zeiger.» HENNING OTTE, dpa
- Zum Kommentar: “Übers Ziel hinaus”
- Zum Bericht: “Rechnungshof Baden-Württemberg will 14 000 Lehrerstellen sparen”
“running gag” habe ich zwar nicht verstanden, aber rund 12.000 Lehrerstellen weniger, das ist schon enorm! Schade, dass man wieder nicht die Gelegenheit nutzt, die Klassengrößen zu reduzieren. All die tollen Reformideen haben doch keinen Sinn, wenn der Lehrer 30 Schüler vor sich hat und leider, wie an vielen Schulen gang und gäbe, hauptsächlich überlegen (und seinen Unterricht darauf ausrichten) muss, wie er die in Griff bekommt.